Kapitel 9

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Die Menge jubelte und war völlig aus dem Häuschen. Vielleicht hatte Snow sie ja bestochen, damit sie auch ja euphorisch genug wirkten? Oder sie hatten nur die total wahnsinnigen und fanatischen Hungerspiele-Fans reingelassen, die von alleine Begeisterung mit jeder Pore ausstrahlten. Was es auch war, ich hasste sie alle. Und das lag nicht nur daran, dass sie vor allem Katniss sehr stark bejubelten und in den Mittelpunkt schoben. Okay, ich war ehrlich, es lag doch hauptsächlich daran, zumindest in diesem Moment. Am liebsten hätte ich sie von ihrem Wagen gezogen, wie sie da mit erhobenem Haupt auf den Bildschirmen zu sehen war. Grimmig blickte ich deshalb vor mich hin, lächelte nicht und winkte auch nicht, was ich jedoch sowieso nicht getan hätte. Das war ich nicht und hätte mir sowieso niemand abgekauft.

Wir erreichten die Stelle, an der Präsident Snow auf seinem Balkon stand um uns zu begrüßen. Jetzt lenkte ich meine Wut auf ihn und versuchte ihn mit meinen Blicken zu töten. Es funktionierte leider nicht, vielleicht war die Ansprache, die ich mit Absicht vollkommen ignoriert hatte um nicht auf dumme Gedanken oder Gesten zu kommen, zu kurz dafür gewesen. Er stand also immer noch viel zu lebendig dort oben, als sich die Wägen wieder in Bewegung setzten und uns zum Trainingscenter brachten. Dort angekommen stiegen wir vom Wagen und unterhielten uns dann kurz mit den Tributen aus 8, die zu uns gekommen waren. Danach winkte ich auch noch Gloss zurück, der mit seiner Schwester vorbei ging, ich war heute also überaus freundlich, als ich Katniss am Aufzug sehen konnte. Bei ihr stand Chaff der lachte und da fiel mir die Wette wieder ein. Mit Sicherheit hatte er gerade seine Chance genutzt, ich durfte auf keinen Fall länger warten.

„Ich muss kurz weg, wir sehen uns später.", sagte ich und eilte dann zu den Aufzügen. Gerade noch schaffte ich es hinein, ehe sich die Türen auch schon schlossen.

Eigentlich hatte ich mir gar nichts überlegt, es war mehr eine überstürzte Handlung als ein durchdachter Plan, weshalb ich mich auf meine erste Eingebung konzentrierte und einfach mal die Nerven und die Eifersucht von Katniss testen wollte. Frauen waren reizbar, das wusste ich am besten. Und alles was ich dafür brauchte hatte ich schließlich dabei.

Ich begrüßte sie nicht und stellte mich auch nicht vor. Stattdessen zwinkerte ich Haymitch kurz verschwörerisch zu, immerhin musste er etwas wissen wenn Chaff dabei war, ehe ich kurz etwas über die Outfits sagte. Anschließend begann ich auch schon meine Frisur zu lösen und warf alles unachtsam auf den Boden.

„Distrikt 7. Holzverarbeitung. Bäume.", murmelte ich und löste den Schmuck, während ich noch ein wenig über Camilla schimpfte. Von den anderen kam keine Reaktion, doch das war gut so, da ich jetzt loslegen konnte. Dabei konzentrierte ich mich nur auf Peeta, stellte ihm eine Frage über das Gefühl begehrt zu werden und bat ihn dann meinen Reißverschluss zu öffnen. Er tat es und kurz darauf stand ich nur mit Slip gekleidet im Aufzug. Genau da drehte ich mich zu ihnen um. Es war schwer bei diesen Gesichtern ruhig zu bleiben, doch ich schaffte es irgendwie.

„Danke. Das müssen wir mal wiederholen.", sagte ich, als wir auf Ebene 7 hielten, zwinkerte Haymitch noch einmal zu und verließ dann den Aufzug.

Ich konnte nicht anders als erst einmal laut zu lachen, ehe ich mehr als zufrieden in mein Zimmer ging und auch die restlichen Teile meines Outfits loswurde. Was auch immer Finnick getan hatte, es konnte niemals besser gewesen sein. Nicht, wenn ich wieder den Gesichtsausdruck von Katniss vor mir sah, der war einfach nur Goldwert. Dieses Entsetzen vermischt mit der Wut und der Empörung... herrlich. Der Wettsieg war mein, zumindest trat ich mit dieser Überzeugung in die Dusche, ehe ich danach wieder als ich selbst in frische Klamotten schlüpfte.

„Johanna? Kannst du mir bitte erklären, wieso deine Klamotten im Aufzug lagen? Prescilla hatte einen halben Anfall. Wieso lagen die dort?", fragte Jason, nachdem ich mich zu ihm, Blight und Camilla an den Tisch gesetzt hatte. Bevor ich den Wetteinsatz einforderte und zu Finnick ging, wollte ich zuerst noch etwas essen.

„Ich habe mich dort ausgezogen und sie wohl liegen gelassen.", erwiderte ich und zuckte mit den Schultern, versuchte gleichzeitig aber ernst zu bleiben und nicht über das Gesicht der beiden Männer vor mir zu lachen.

„Du hast dich im Aufzug ausgezogen?", wiederholte Blight.

„Ja.", erwiderte ich und nippte schnell am Glas, um ein Schmunzeln zu verstecken.

„Warst du allein?", wollte er weiter wissen.

„Nein."

„Johanna?", fragte Jason mit hochgezogener Augenbraue.

„Was? Das Outfit war schrecklich und ich wollte es loswerden.", behauptete ich.

„Sie hat eine tolle Figur, sie kann sich so zeigen.", seufzte Camilla.

„Ich weiß, dass du mich gleich anfauchen wirst und ja, du bist alt genug, aber...", begann Jason bemüht wie ein guter Mentor zu klingen, doch ich winkte ab, da ich es nicht mehr länger aushielt ohne zu lachen. Wir würden bald in die Arena zurückkehren und trotzdem amüsierte ich mich so kurz davor blendend. Von wegen ich war dauernd reizbar und aggressiv. Einige Tribute konnten sich eine Scheibe von meinem, wenn man so wollte, Galgenhumor abschneiden.

„Ich habe mit Finnick gewettet. Wir wollten die Everdeen ärgern. Das Ausziehen gehörte zu meinem Plan. Haymitch fand ihn super, ihr könnt ihn gerne fragen, und jetzt lasst uns essen.", schmunzelte ich. Jason und Blight sagten nichts mehr, ersterer schüttelte nur den Kopf. Er hatte mal behauptet, dass Finnick und ich nur Unsinn im Kopf hatten, was ich aber überzeugt abgestritten hatte. Auch wenn er vermutlich Recht hatte, doch diese Bestätigung kann ich ihm einfach nicht geben. Nicht in hundert Jahren.

Als wir mit dem Essen fertig waren beteiligte ich mich nicht am Gespräch, sondern wollte erst zu Finnick. Danach stand das Gespräch über ein Entkommen der Spiele, wie Finnick angedeutet hatte, mit Jason auf dem Plan. Der Tag wurde immer besser, das fühlte ich.

Johanna Mason - Die 75. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt