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Der Beginn des nächsten Tages war der reinste Horror für Harry. Als am frühen Morgen die Visite kam, um nach Sofia zu sehen, war er gerade mal seit ungefähr drei Stunden in einem unruhigen Schlaf gewesen. Dann musste er sich auch noch irgendwie um unsere schreiende Tochter kümmern, denn die hatte eine Arzt-Phobie und hörte gar nicht mehr auf zu brüllen, sobald sie jemandem mit weißem Kittel sah. Als die Tortur dann endlich überstanden war, konnte er in Ruhe frühstücken. Danach ließ er Sofia alleine und wollte zu mir gehen, musste aber auf halbem Weg wieder umkehren, denn der einzige Weg führte durch die Eingangshalle und dort saßen mehrere Paparazzi rum, die sofort aufsprangen, als sie Harry sahen und ihm folgen wollten, aber Gott sei dank wurden sie von der Security aufgehalten, die Harry extra für solche Fälle hierher bestellt hatte.
Nachdem es jetzt also offiziell war, dass wirklich irgendwas passiert war, hatte Harry gar keine Ruhe mehr. Als er am Nachmittag fernsehen wollte, kamen auch nur Spekulationen über meinen und Sofias Zustand im Fernseher. Ein Nachrichtenmagazin behauptete doch tatsächlich von einem Insider erfahren zu haben, dass ich schwanger gewesen wäre, was ich definitiv nicht war. Ein anderes behauptete, dass Sofia und ich schon längst tot seien und Harry nur als "Tarnung" im Krankenhaus verweilen würde.

Zum Glück kamen Gemma und Anne etwas später. Sie schafften es doch tatsächlich Harry etwas aufzuheitern und weil eine von Gemmas Freundinnen als Krankenschwester in diesem Krankenhaus arbeitete, führte diese Harry, Anne, Sofia und Gemma auf das Krankenhausdach, zu dem Patienten eigentlich keinen Zugang hatten. Hier gingen nur manchmal das Personal zum Rauchen hin und hier war auch neben ein paar Leitungen der Hubschrauberlandeplatz. Ich war natürlich auch dabei, auch, wenn das niemand wusste. Aber weil Bethany, Gemmas Freundin, auch ziemlich zügig wieder zur Arbeit musste und weil es hier oben ziemlich kalt war, verließen wir das Dach auch ziemlich schnell wieder, obwohl die Aussicht mit dem Sonnenuntergang atemberaubend schön gewesen war.

Noch am selben Abend postete Gemma, ohne sich etwas dabei zu denken, ein Bild vom Sonnenuntergang, das sie gemacht hatte, mit folgendem Emoji als Kommentar: 😇. Sie löste damit ungewollte einen weiteren Fan-Hype aus, denn alle dachten jetzt, dass ich wirklich gestorben wäre. Ich sah Harry über die Schulter, als er ein paar Kommentare von Fans durchlas und da standen beispielsweise solche Sachen drin: "Viele glauben, dass der Sonnenuntergang Frieden bedeutet. Er verabschiedet sich vom Tag. Gemmas Bild war also der offizielle Beweis dafür, dass Sarah sich friedlich vom Leben verabschiedet hat. Der Engel als Kommentar bestätigt diese Vermutung nochmal. Noch dazu hat man herausgefunden, dass dieses Bild auf dem Dach des Krankenhauses, in dem Sarah und Sofia behandelt werden, entstanden sein muss." War das nicht schon fast krank, dass Leute in einen Sonnenuntergang so viel reininterpretierten und irgendwelche Möchtegern-Stalker sich die Umgebung, die auf dem Bild übrigens kaum zu sehen war, so unglaublich genau ansahen und sie analysierten, nur um sagen zu können, dass dieses Bild auf dem Dach eines Krankenhauses aufgenommen worden war? Genau das selbe schien auch Harry zu denken. Er schloss Instagram und wählte die Nummer des Managements. Noch vor irgendeiner Begrüßung fing er an zu reden: "Ich möchte eine Pressekonferenz. Ich weiß, dass wir gestern eigentlich beschlossen hatten, dass ich mich erstmal nicht dazu äußere, aber ich möchte jetzt endlich Klarheit schaffen. Die Leute gehen davon aus, Sarah und Sofie seien tot. Und ich möchte nicht, dass solche Dinge über meine Familie gesagt werden. Morgen, 11 Uhr, hier im Krankenhaus. Ihr organisiert die Journalisten, ich organisiere einen Raum. Dann hab ich wenigstens etwas zu tun, anstatt hier nur blöd rumzusitzen." Damit beendete er das Gespräch. Normalerweise war er nicht so bestimmend und ließ auch andere Leute reden, aber heute schien er echt sauer zu sein, wofür ihm unter solchen Umständen auch wirklich niemand böse sein konnte.

"Daddy ist gleich wieder zurück", sagte Harry zu unserer Tochter und ging dann aus dem Zimmer, um einen Raum beim Klinikleiter zu organisieren. Währenddessen überlegte ich, ob ich hierbleiben, oder sogar aus dem Krankenhaus rausgehen konnte. Bisher war ich rund um die Uhr im selben Raum wie Harry gewesen, wie würde es werden, wenn er nicht in meiner Nähe war? Wenn ich wirklich nichts weiter als eine Halluzination von ihm war, dann müsste ich doch eigentlich gezwungen sein, immer in seiner Nähe zu verweilen, aber wenn ich wirklich ein Geist war, war ich unabhängig von ihm. Ich hatte auf jeden Fall schonmal herausgefunden, dass ich nachts schlafen konnte, aber niemand war imstande mich zu hören. Ich war allerdings neugierig, deshalb probierten ich es einfach mal aus. Wenn ich mich zu weit von Harry entfernte, dann würde ich das sicherlich merken. Also ging ich den gewohnten Weg zur Eingangshalle und durch die Tür hinaus. Ich entfernte mich immer weiter vom Krankenhaus und spürte nichts. Also könnte ich jetzt eigentlich zum nächsten Flughafen fahren, dort in einen Flieger steigen und überall hinfliegen, wohin ich möchte? Dieser Gedanke war irgendwie merkwürdig. Ich drehte wieder um. Vielleicht war ich ein Trottel. Ich hatte Möglichkeiten, die niemand sonst hatte und nutzte sie nicht, sondern blieb lieber im Krankenhaus, wo mich nichts erwartete, weil ich sowieso nichts tun konnte. Aber ich wollte bei meiner Familie und bei mir selbst sein. Das klang jetzt irgendwie komisch.

Ich war wieder bei Sofia, noch bevor Harry zurück kam. Es war gerade Bethany, die Krankenschwester, die uns alle gestern aufs Dach geführt hatte, da. Sie sah nach meiner kleinen Tochter und notierte währenddessen etwas auf ihrem Klemmbrett. "Ich schätze mal, morgen kommst du hier raus", sagte sie lächelnd und ging dann wieder aus dem Zimmer heraus. So wie ich Harry kannte, würde er Sofia bei sich oder mir zu Hause unterbringen und dann den ganzen Tag an meinem Bett hier im Krankenhaus sitzen, bis ich vielleicht irgendwann in 20 Jahren oder so mal aufwachen würde. Soweit ich weiß, lag der Rekord für die längste Zeit im Koma bei 42 Jahren.
Ich war aber erstmal gespannt auf die Pressekonferenz morgen, denn ich wusste selbst nicht wirklich etwas über meinen eigenen Zustand, also würde ich morgen mal schön die Ohren spitzen, wenn Harry den Reportern etwas darüber erzählen würde.

Mein Leben als Geist - Harry Styles FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt