2 ❧ »Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!«

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„Alex hat eine Andere." Ich biss mir schmerzhaft auf die Lippe und blickte geknickt zu Lisa auf. Heiße Tränen schossen mir in die Augen, doch ich schluckte sie tapfer hinunter.

Lisa war das nicht entgangen. Die Löffel, die sie gerade aus der Besteckschublade genommen hatte, landeten klirrend auf dem Boden. „Nicht wirklich!" Überrascht starrte sie mich an. „Du verarschst mich doch gerade, oder?"

Langsam schüttelte ich den Kopf, aber ich hielt ihrem Blick nicht stand. „Glaube ich zumindest", nuschelte ich fast unhörbar vor mich hin und inspizierte dabei intensiv die Tischplatte.

Mist. Nun war es raus. Solange ich das Ganze nicht laut ausgesprochen hatte, bestand die Chance, dass es nicht wahr wäre. Aber jetzt, nachdem die Worte im Raum schwebten wie böse Geister, erschien mir die ganze Misere nur allzu real.

Zwei große Schritte und Lisa stand neben mir. Mit Daumen und Zeigefinger zog sie mein Kinn zu sich herüber, so dass ich ihrer kritischen Musterung nicht weiter ausweichen konnte. „Kristine, du wolltest nächste Woche mit ihm zusammenziehen!"

Mühsam nickte ich und dadurch gelang es mir, meinen Kopf ihrem Griff zu entwinden. Ich entdeckte ein paar interessante Rillen in der Oberfläche des Holztisches und fuhr sie gedankenverloren mit meinem Zeigefinger nach. Immer wieder. Vor und zurück.

Schnaubend zog sich auch Lisa einen Hocker unter dem Tisch hervor und plumpste wie ein nasser Sack darauf.

Während der ganzen Fahrt hatte ich versucht, die Dinge so zu drehen, wie ich sie gern sehen wollte. Ich war überzeugt, dass ich etwas missverstanden hatte und falsch interpretieren würde. Und dass die zweite Zahnbürste im Badezimmer von meinem letzten Besuch dageblieben war.

Es war dummerweise nur nicht meine Marke.

Wieder folgte ich den Spuren im Holz. Vor und zurück. Vor und zurück.

Lisa hatte sich von ihrem Schock erholt und die Sprache wiedergefunden. „Glaubst du?", entfuhr es ihr und sie riss mich aus meiner Lethargie. „Das ist ja ungeheuerlich. Doch nicht Alex. Der über allem stehende und unglaublich anständige Alex!" Schwungvoll sprang sie auf und lief ruhelos hin und her, so gut es der begrenzte Platz zuließ. „Das kann doch nicht sein!"

Endlich blieb sie stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Aber nur, um mich noch einmal genau zu betrachten. „Hat dir das jemand erzählt? Wieso glaubst du das?" Skeptisch schüttelte sie den Kopf und kam wieder zu mir rüber. „Glauben heißt, nichts wissen! Wie kommst du denn darauf? Hast du es gesehen? Hat Alex das gesagt?" Doch diesen Gedankengang verwarf Lisa schnell wieder. „Nee, das würde er nie tun. Der Typ ist allglatt und nur auf seinen Vorteil bedacht." Ungeduldig schlug sie mit beiden Händen auf die Tischplatte. „Mensch Kristine, jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!" Sie zog den anderen Hocker zu sich hinüber und nahm erwartungsvoll Platz auf selbigen. Dieser wackelte mindestens genauso gut wie meiner.

„Du lässt mich ja gar nicht zu Wort kommen!" Doch diese Rechtfertigung war mehr als scheinheilig.

„Red dich nicht raus! Wenn du nicht drüber reden willst, bist du hier falsch. Das weißt du ganz genau." Aufgewühlt trat sie an die Kaffeekanne und goss weiteres Wasser in den Filter.

Ich versuchte, mich zu sammeln, wusste aber nicht so recht, wo ich beginnen sollte. Hilflos folgte ich wieder den Rillen in der Holzmaserung. Diesmal hoch und runter. Mit dem Daumen. „Ich habe meine alte Wohnung schneller abgeben können, als gedacht", setzte ich zu einer Erklärung an, doch mir fielen einfach keine passenden Worte ein. Mein Kopf war leergefegt und mein Magen rumorte aufgebracht.

Hoch und runter. Hoch und runter. Ich schluckte, räusperte mich, hob langsam den Kopf und schaute in Lisas erwartungsvolles Gesicht. Und versuchte es noch einmal. „Der Nachmieter war ein ganz netter und hilfsbereiter Typ. Er hat mir angeboten, dass er das Apartment selber renovieren könne. Seine einzige Bedingung war, dass er meine Schlüssel sofort bekäme. Ich musste doch noch die ollen Wände streichen und wäre schön blöd gewesen, wenn ich nicht zugestimmt hätte. Die Wohnung habe ich sowieso nicht mehr gebraucht." Achselzuckend sah ich zu Lisa. „Ist der Kaffee endlich fertig?"

Liebe ... ist auch keine Lösung!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt