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Grace
Die Autofahrt war lang und langweilig. Ich wollte ein Buch lesen, doch davon wurde mir übel beim Auto fahren, also war ich dazu verdammt mich zu langweilen. "Freust du dich auf die neue Schule?" fragte mich meine Mutter, die mit müdem und gestressten Blick auf die Straße schaute. Sie sah schrecklich aus, viel zu überarbeitet, aber ihr Make-Up versteckte das Meiste davon. Ihre braunen Haare, mit den blonden Spitzen, hatte sie wie immer in einem strengen Zopf untergebracht. Man sah ihr sofort an, dass sie Geschäftsfrau war. "Ich weiß nicht." gab ich mit rauer Stimme zu und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Ich wollte mir nicht ausmalen, wie meine neue Schule war. Im Endeffekt würde ich es selber sehen, also wozu groß Gedanken machen?

Das Schulgebäude sah sehr alt aus, trotzdem nicht hässlich. Es war kein einfacher grauer Kasten, wie andere Schulen. Es ähnelte einem riesigen Anwesen, wie von einem Adeligen. Es dauerte eine Weile bis wir das Sekretariat fanden und das nur dank der Hilfe von zwei Schülerinnen, die uns den Weg zeigten. Für dieses Gebäude bräuchte man eigentlich einen Plan. Die Sekretärin war eine alte und unfreundliche Frau, die so gruselig aussah, dass ich mir vorstellen konnte, wie sie zum Frühstück Kinder aß. Mit zittrigen Händen und einem mies gelaunten Blick drückte sie mir den Zimmerschlüssel in die Hand. Zimmer 13, ob das wohl Unglück war? Meine Mutter brachte mit mir meinen schweren Koffer hoch und noch vor meinem neuen Zimmer verabschiedete sie sich schon von mir. "Die Arbeit ruft." seufzte sie erschöpft, als sie mich ein letztes Mal in den Arm nahm. Danach torkelte sie auf hohen Schuhen und mit einem engen Bleistiftrock nach draußen. Jetzt müsste ich ohne sie auskommen, obwohl ich das zuvor auch schon musste. Sie war immer mehr auf der Arbeit, als zuhause. Genauso wie mein Vater. Hier würde ich also nicht so alleine sein, wie daheim.

Im Zimmer war niemand, daher genoss ich die friedliche Stille und packte meine Sachen aus. Der kleine Raum bestand nur aus zwei Betten, zwei Schränken, zwei Schreibtischen und einem kleinen Tisch mit hölzernen Stühlen. Hier war alles aus dunklem Holz, was auf seltsame Weise sehr deprimierend rüber kam.
Nachdem ich all meine Klamotten im Schrank verstaut hatte, setzte ich mich aufs Bett und nahm mir Herr der Ringe vor. Ich war so tief in der Welt des Buches verfangen, sodass ich gar nicht merkte, dass ein Mädchen in das Zimmer kam und mich beobachtete. "So spannend?" wollte sie von mir wissen. Ich zuckte in mich zusammen, worauf sie anfing schrill zu kichern. Sie klang wie eine kleine Hexe, wenn sie lachte. "Gott, viel zu unschuldig." meinte sie zu mir. Ich wusste damit nichts anzufangen, daher wollte ich es einfach ignorieren. "Wer bist du, wenn man fragen darf?" Es kam zickig rüber, auch wenn es nicht so geplant war. "Dein schlimmster Alptraum." sagte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Ich heiße Jenna. Und du, Prinzessin?" Ihre Art war seltsam, so ungewohnt. "Grace." erwiderte ich etwas leise. "Gut, wie du gemerkt hast, ich bin deine Mitbewohnerin. Ein paar Regeln also. Ich gehe morgens als Erste ins Bad, hinterlass keinen Dreck, denn ich hasse Saustall und Unordnung, bring am besten nie jemanden mit, fremde Leute sind mir nicht Geheuer und ganz wichtig, verärgere mich nicht. Du würdest es schrecklich bereuen, glaub mir." zischte sie und kam dabei gefährlich nah an mein Gesicht. Ich nickte heftig, worauf mir meine schwarze Hornbrille ein Stück von der Nase rutschte. Ihre schokoladenfarbigen Augen durchbohrten mich und ließen mich Angst empfinden. Dabei sah sie nicht wirklich zum Fürchten aus. Sie war leicht kleinwüchsig, dadurch auch sehr mickrig und dürr, hatte kurz geschnittene Haare mit der Farbe ihrer Augen und ein sehr kindliches Gesicht, so als wäre sie nie in die Pubertät gekommen. Andererseits war da ihre blasse Haut, die aussah wie bei einem Vampir und ihr schelmisches Grinsen, welches mir Gänsehaut über den ganzen Körper jagte. "Dann wäre ja alles geklärt." flötete sie fröhlich und ließ sich aufs Bett fallen.
"Wir werden sicher viel Spaß zusammen haben, Grace."

In Love with the PainWo Geschichten leben. Entdecke jetzt