über den Dächern von Paris

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An der Dachkante angekommen blieb sie stehen. Beim Einatmen der frischen Abendluft breitete sich ein Lächlen auf ihren zarten Lippen aus. Der Wind fuhr ihr in die dunklen Haare und sie schloss die Augen für einen Moment. Dieser Ort war ihre Zuflucht, ihr Versteck wenn alles zu viel wurde. Niemand wusste, dass sie öfter mal hier oben war. Hier hörte sich ihre Welt auf zu drehen.

Zufrieden ließ sie den Blick über die Dächer der vertrauten Stadt schweifen. Bunte Blätter wurden vom Wind durch die Straßen getragen, Autos lärmten und von irgendwo her drang Musik. In einiger Ferne sah sie den Eiffelturm den dunkler werdenden Himmel beleuchten.
Sie wollte sich gerade hinsetzen, als sie merkte, dass sie nicht die einzige war, die den Platz auf den ruhigen Dächern genoss. Zwei Häuser weiter entdeckte sie einen Jungen, der die Beine von der Dachkante baumeln lies und gedankenverloren in die Ferne blickte. Er bemerkte nicht, dass sie ihn eine Weile lang betrachtete. Sie hatte ihn hier noch nie gesehen und doch fand sie etwas seltsam vertraut an ihm.

Sie wendete ihren Blick ab, als ihre Katze, welche ihr offenbar aufs Dach gefolgt war, ihre Aufmerksamkeit auf sie zog. Schnurrend schmiegte sie sich an ihre Beine und ihre Besitzerin musste schmunzeln. Kurz beugte sie sich hinab um ihren stillen Besucher zu streicheln. Als sie sich wieder auf richtete, warf sie verstohlen einen weiteren Blick zum Nachbarhaus um zu sehen ob der geheimnisvolle Fremde noch da saß. Doch die Stelle, von der seine Beine gerade eben noch hinabhingen, war leer...

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