Zwölf Jahre später:
Der Baum schien kleiner und unwichtiger als er damals war und doch zog er mich magisch an, setzte etwas in mir frei und brachte mich durcheinander. Er erinnerte mich an Ireas Geburt und doch setzte er Wut in mir frei. Zwölf Jahre war ich nicht hier und schon wurde mein Bild getrübt und meine Einstellung war eine komplett andere.
Als ich mich gerade umdrehen wollte, um zu gehen, spürte ich ein Prickeln welches meinen Körper durchzog. "Bleib!", es war dieselbe Stimme wie vor zwölf Jahren in meinem Kopf. Warum sollte ich bleiben, ich wollte nach Hause und dieser Ort machte mich immer aggressiver. "Bleib!" Die Stimme machte es nicht besser. "Warum zur Hölle sollte ich bleiben? Was bringt mir das? Baum rede mit mir, was willst du? Ist es zu viel verlangt gehen zu dürfen?" Ich konnte meine Wut nicht stoppen und schrie ihn einfach an, obwohl ich wusste, dass er nicht antworteten würde.
Ich kam mir vor wie eine Verrückte, jetzt schrie ich schon einen Baum an.
"Bleib und geh nicht, du weißt, dass du bleiben willst." Nein ich wollte nicht bleiben. Langsam lief ich weiter in Richtung Wald.
"Bleib!" Die Stimme wurde lauter und ich fiel auf die Knie, Tränen rannen mir über die Wange. "Was ist?" Meine Stimme klang schwach. Stille. "Was willst du?" ,schrie ich nun. Als ich keine Antwort erhielt, sank ich noch tiefer zusammen. Ehrlich gesagt hatte ich keine Ahnung warum meine Gefühle so durcheinander waren, denn eigentlich gab es keinen Grund zum Weinen oder zur Wut.
Schritte kamen auf mich zu und eine Hand berührte mich an der Schulter. "Alles okay?" Ich saß weinend auf dem Boden, aber ja klar alles war bestens. Was dachte er sich dabei?
"Entschuldigung, ich gehe wieder wenn du allein sein willst." Die tiefe Stimme wirkte beruhigend auf mich, so beruhigend, dass mich Wärme erfüllte und er hatte sogar Recht, mit mir war alles Okay, ich hatte nämlich keinen Grund zum Weinen. "Nein bleib. Ich bin nur ein bisschen verwirrt." Mein Blick ging zu seinen Schuhen, er kniete neben mir. "Du siehst nicht verwirrt aus.", stellte er fest. Stimmt ich sah traurig aus, das war mir klar, aber ich wusste nicht einmal wieso ich traurig aussah, wieso ich traurig war.
Als mein Blick nach oben triftete, sah ich einen jungen Mann vor mir, kaum älter als ich. Er besaß schwarzes Haar welches lang und verstrubbelt in alle Richtungen ab stand, als wäre er gerade aufgestanden. Seine Augen waren dagegen hellwach und tief dunkelrot.
"Ich...", meine Stimme versagte, er kam mir so unendlich bekannt vor. Erst als sich seine Stirn runzelte, realisierte ich, dass mein Verhalten vielleicht komisch wirken könnte. "Ehm, Entschuldigung, ich muss jetzt gehen." Langsam raffte ich mich auf. Noch einmal sah ich ihm in die Augen, sie leuchteten. "Danke." Ich wandte mich ab und ging. Am liebsten hätte ich mich selbst geschlagen, ich kannte ihn irgendwoher und wollte noch nicht gehen, aber der Baum machte mich verrückt. Ich biss mir auf die Lippe bis ich etwas metallisches schmeckte.
"Warte!" Mich durchzog ein kalter Schauer, seine Stimme war einfach zu beruhigend. Mein Blick ging nach hinten, er kniete immer noch an der selben Stelle. "Du...", seine Stimme stoppte, Schritte waren zu hören, Stimmen folgten. Er sah sich um. "Du darfst niemandem sagen, dass du hier warst!" Das hatte ich sowieso nicht vor. "Versprich mir, dass du es nicht tust." Als ich nickte, wirkte er erleichtert. Aber wieso?
Die Stimmen wurden lauter.
"Lauf!" Was? Was war jetzt los? "Lauf jetzt!" Ich wusste nicht wieso, aber meine Beine trugen mich in Richtung Wald. Neben einem großen Baum, etwa 20 Meter entfernt, blieb ich stehen und versteckte mich dahinter. Beim zurückblicken, sah ich den Jungen, er richtete sich auf, blickte leicht wütend in meine Richtung und plötzlich war er von dunklem Rauch umgeben und dann komplett weg, kurz bevor zwei Männer hinter dem Baum hervorkamen. Ich hörte sie nicht, aber ich konnte sehen wie der eine Mann dem anderen etwas reichte. "Verschwinde jetzt!", erschrocken quiekte ich auf, bis sich eine Hand auf meinen Mund drückte. Der Junge stand vor mir. "Ruhe!" Er wirkte unruhig. "Du bist selbst Schuld wenn du mich so erschreckst." Ich bemühte mich zu flüstern. Sein Kiefer verkrampfte sich. "Geh jetzt!" Sein Blick ging an mir vorbei in Richtung Wald. "Aber...", ich wollte nicht mehr gehen, ich wollte bleiben. Der Baum hatte also doch recht. "Kein aber! Geh jetzt!" Seine Augen blitzen auf, er wurde wütend. Warum sorgte er sich so? "Du hast mir nichts zu sagen." Ich wusste, dass es gemein war immerhin wollte er nur helfen, aber ich ließ mich nicht herumkommandieren.
Die Wut in seinen Augen erlosch und Verletzung erschien, das wollte ich nicht. "Oke dann bleib, aber heul niemanden voll, dass du nicht gewarnt wurdest. Ich wollte nur helfen." Dunkler Rauch erschien wieder und dann war er weg. Oder nur unsichtbar? Ein Versuch war es wert. "Hey.", flüsterte ich. "Komm zurück." Meine Stimme war ruhig, dann spürte ich eine Hand an meiner Wange, obwohl niemand da war. "Geh." Die Stimme kam aus meinem Kopf, doch es war nicht die normale Stimme, es war die Stimme des Jungen. "Bitte." Er flehte und ich hatte keine Ahnung wieso, doch ich gehorchte. Bevor ich ging, berührte ich noch einmal seine Hand an meiner Wange und wandte mich dann ab und ging.
Doch ich sah noch einmal zurück, bevor ich anfing zu rennen, direkt in die Augen von einem der Männer am Baum.
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Seelenfänger
FantasyAngel lebt in einer Welt in der das Leben eines Kindes von deren Seelenfängern abhängt. Seelen werden Menschen genommen und Kindern gegeben, aber was passiert wenn sie nur genommen werden? Auch Zwillingsseelen soll es geben aber was bedeutet das f...