I: 31. Dezember, 22:06

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Es schneite dicke Flocken, als Carolina das Haus ihrer Gastfamilie verliess. Diese waren einige Stunden zuvor aufgebrochen um mit ihrer Familie den Übergang ins neue Jahr zu feiern. Carolina wollte ihnen nicht zur Last fallen, wieso sie sich entschied daheim zu blieben.

Die letzten paar Stunden hatte das junge Mädchen damit verbracht das Haus auf Vordermann zu bringen. Eigentlich war es traurig Silvester allein in einem fremden Haus in der Nähe des Genfersees zu verbringen. Carolina war siebzehn. Alle anderen in ihrem Alter waren draussen und feierten, tranken. Sie hatten ihren Spass.

Irgendwann, kurz nach einundzwanzig Uhr, entschied sie sich dennoch rauszugehen. Irgendwo würde sie doch bestimmt Anschluss finden!

Kurz nach zehn stand Carolina frisch fertig gemacht draussen. Sie watete durch den frisch gefallenen Schnee. Dieser knirschte unter ihren Füssen. Fasziniert starrte die siebzehnjährige auf ihre Füsse, welche in ein paar schwarze lederne Schnürstiefel gehüllt waren. Es war lange her, dass Carolina solch eine Menge Schnee gesehen hatte.

„Pass doch auf!"

Diese Worte schreckten Carolina hoch, da sie im Schnee gelandet war. Vor ihr stand ein Junge, der einen guten Kopf grösser als sie war. Er trug eine schwarze Jeans, welche weder die sauberste noch die heilste war. Sein Oberkörper steckte in einer schwarzen Stoffjacke, worüber er eine Jeansweste gezogen hatte.

Obwohl er sie gerade ziemlich wütend angefahren hatte, hielt er ihr seine Hand hin. Seine Hände steckten in ein paar schwarzen, fingerlosen Wollhandschuhen.

„Danke", flüsterte Carolina als er ihr wieder auf die Beine half. Sie klopfte sich den frischen Schnee vom Hintern ihrer Jeans, sah verlegen zu Boden. Irgendwie traute sie sich nicht wirklich in sein Gesicht zusehen.

„Ich beiss nicht!", lachte der Junge dann. Unaufgefordert griff er nach Carolinas Kinn. Seine eiskalten Finger von der Kälte schoben ihr Gesicht nach oben, sodass sie einander ansahen.

Carolina musterte das Gesicht des jungen Herren.

Unter seiner schwarzen Wollmütze lugten ein paar grüngefärbte Spitzen hervor. An der linken Augenbraue steckte ein Piercing und ebenfalls die rechte Unterlippe besass zwei davon. Seine Augen waren gross und blau. Sie strahlten. Genauso wie der schmale Mund. Dieser lächelte, sodass seine Zähne hervorblitzten. Sie musterte dessen Finger, die an ihrem Kinn klebten. Die Fingerspitzen, die aus den fingerlosen Handschuhen hervorblitzen, waren rau. Die Nägel etwas abgekaut und unter den kaum vorhandenen Rändern klebten Dreck.

Von dem Typen ging ein zarter Duft gemischt aus Zigaretten und Bier hervor. Er schien nicht betrunken sein. Es schien einfach sein „Parfüm" zu sein.

Auch der junge Punker musterte das Mädchen, dessen Kinn er in der Hand hielt.

Sie hatte ein schmales, ovales Gesicht und eine noch viel schmalere Spitznase. Ihre Haut war blass. Blass wie Porzellan. Die vielen Sommersprossen in ihrem Gesicht passten zu ihr. Und so tat es auch der volle, bordeauxfarbene Mund.

Er musterte ihre grünen Augen, welche seinem Blick auswichen. Verlegen starte sie auf den Boden und eine zarte Röte breitete sich auf der blassen Haut aus. Ihre Haare waren rotblond und Schulterlang. Immer wieder flogen vereinzelt Flocken auf ihr Haupt.

„Du bist hübsch", rutschte es ihm leise heraus.

Eine Mischung aus Verängstigung und Verwirrtheit breitete sich auf Carolinas Gesicht aus. Wer war dieser Typ und was zum verdammten Fick dachte er, wer er war?

„Und was machen junge Damen um diese Uhrzeit hier draussen?", fragte er prompt weiter. Er hatte eine gewisse Frechheit in seiner Art, wie er die Dinge formulierte. Sein Interesse an ihr war kaum zu überhören.

„Sich um diese Uhrzeit nicht mit solchen Streunernwie Dir unterhalten", presste Carolina dennoch heraus. Sie wollte gerade auf dem Absatz kehrt machen und zurück in das Haus gehen, da wurde sie von ihm festgehalten. „Silvester ist kein Tag, den man in deinem Alter zuhause verbringen sollte. Da draussen ist was, was zu entdecken gilt! Ein neues Jahr - und wie lässt sich das besser anfangen, als mit einer Feier?"

„Kannst Du mich nicht einfach in Ruhe lassen?", fragte Carolina. Und dennoch ging von dem Jungen mit den grünen Haaren eine gewisse Spannung aus, welche sie anzog.

Sollte sie etwa gegen ihre Prinzipien verstossen und sich auf dieses Abenteuer einlassen?

Doch die Entscheidung nahm ihr der Junge längst ab: Er griff nach ihrem Handgelenk und zog sie hinter sich her. „Wenn wir uns beeilen, dann erwischen wir noch den Bus", lachte er, während er den Weg mit ihr an der Hand entlang rannte.

Das Abenteuer beginnt.

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Herzlich Willkommen zu meiner kurzen Geschichte über die Feiertage.

Sie enthält fünf Kapitel und wird im drei Tages-Rythmus geupdated. Falls sie euch gefällt, sowie gut bei euch ankommt (was mich total freuen würde), so könnte ich mir vorstellen auf dieser Kurzgeschichte eine längere aufzubauen. 

too good to be badWo Geschichten leben. Entdecke jetzt