Das Handy klingelte während ihrer täglichen Trainingssunde.
Gerade bearbeitete sie systematisch den schweren Sandsack, der an einer dicken Kette von der Decke baumelte und der unter ihren harten Tritten und Schlägen langsam hin und her schaukelte.
Nach einer Sekunde der Desorientierung blinzelte Detective Kate Beckett sich den Schweiß aus den Augen und griff zum Telefon – das Handy hatte nur vier Mal geklingelt.
„Beckett.“
Obwohl sie bis zu diesem Moment hart trainiert hatte und noch außer Atem war, merkte man es ihr nicht an, während sie sprach.
Nachdem der Anrufer alle benötigten Informationen durchgegeben hatte, gab Kate ein knappes „Verstanden“ von sich und war schon auf dem Weg zur Dusche, noch bevor sie auf den roten Knopf des Handys drückte.
Die Dusche war kurz und heiß, und sie gab Kate ein paar kostbare Augenblicke, in denen sie sich sammeln und auf ihre bevorstehende Aufgabe konzentrieren konnte.
Nur 15 Minuten, nachdem der Anruf bei der Polizei einging, stieg Detective Beckett aus ihrem Dienstwagen und sah an der Fassade des Hauses empor, in dem sich der SonCubano Club befand.
Sie hatte den Club schon öfter besucht, und immer war sie begeistert gewesen - die Rhythmen von lateinamerikanischer Musik, die lange Bar im Hauptsaal, die vielen kleinen Tische vor der Bühne und überhaupt das ganze Ambiente.
Das letzte Mal, als sie dort war, hatte sie ein Date mit Josh gehabt – das ganze schien eine Ewigkeit her zu sein.
„Hey, Beckett!“
Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und der vertraute Tonfall mit dem leichten kanadischen Akzent ließ einen angenehmen Schauer durch ihren Körper rieseln, wie jedes Mal, wenn sie seine Stimme hörte.
Jedoch ließ sie sich das auch dieses Mal nicht anmerken, sondern drehte sich mit einem süffisanten Grinsen zu ihrer persönlichen Nervensäge um.
„Castle. Wie schön, dass Sie auch schon da sind. Hat Ihre Stewardess etwa einen früheren Flug genommen?“
„Ach, Beckett, es ist immer wieder schön anzusehen, wenn Sie versuchen, Ihre Eifersucht zu verbergen. Das macht Sie richtig sexy.“
„Castle, Sie sollten lernen, nicht jede einzelne Äußerung auf Ihre persönlichen Wunschträume zu beziehen. Das lernen die Kinder doch heutzutage schon im Kindergarten.“
„Hey, das macht meinen besonderen Charme aus!“
Beckett verdrehte demonstrativ die Augen, bevor sie sich umwandte und schnellen Schrittes auf den Eingang zuging.
Castle lief eilig hinterher, sah zu, wie Beckett dem Polizisten an der Tür ihre Marke zeigte und schaffte es auch in diesem Schritttempo, den Blick noch wohlgefällig über Becketts Körperrückseite gleiten zu lassen.
Im Gebäude erkundigte sich Beckett bei einem jungen Officer nach dem Fundort der Leiche und wandte sich automatisch nach links, nachdem ihr die Garderobe neben der Bühne als Tatort genannt worden war.
Castle sah sie mit hochgezogener Augenbraue an.
„Woher wissen Sie, das wir nach links müssen?“
„Ich kenne mich hier ein wenig aus.“
„Ach? Ich wusste garnicht, das Sie so ein großer Fan der lateinamerikanischer Musik sind, das Sie hier Stammgast sind.“
„Mit dem, was sie nicht von mir wissen, könnten sie ein weiteres Buch füllen.
Aber da sie schon fragen: ich habe hier vor einigen Jahren mal kurz als Sängerin gejobbt.“
Castle riss die Augen auf und schlug sich die Hände vor den Mund.
„Sie? Oh mein Gott, ich würde die Tantiemen meines neuen Buches zahlen, um das zu sehen.“
„In Ihren Träumen, Castle, nur in Ihren Träumen.“
Mit diesen Worten betraten sie die kleine Garderobe.
Die Gerichtmedizinerin stand vor dem leblosen Körper und schrieb etwas in ein Formular auf ihrem Klemmbrett, während Becketts Partner Ryan und Esposito bei einem Mann Ende Dreißig standen und seine Aussage aufnahmen.
„Hey Lanie! Was hast du für mich?“
Lanie Parrish warf einen kurzen Blick auf ihre Freundin und deren noch feuchte Haare, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte.
„Hallo Kate. Haben sie dich bei etwas… schönem… gestört?“
„Ja, es war sehr schweißtreibend, jeder Muskel wurde beansprucht und ich bin jetzt noch atemlos, wenn ich nur daran denke.“
Nach einem kurzen Seitenblick auf Castle, dessen Augen und Ohren mit jedem Wort immer größer wurden, klärte Beckett Lanie auf:
„Ich hab trainiert.“
Lanie grinste Kate in stummer Anerkennung an, dann kam sie zum Grund des Einsatzes.
„Weiblich, 35 Jahre alt, vom Clubmanager Miguel Salvador als Beatrice Perez identifiziert.
Der Todeszeitpunkt liegt bei 22 Uhr, sie wurde kurz vor Ihrem Auftritt ermordet.
Die Todesart ist eindeutig:
sie wurde enthauptet.“
„Scheint, als hätte sie Kopf und Kragen mit diesem Auftritt riskiert und es sieht so aus, als hätte sie dadurch den Kopf verloren. “ murmelte es rechts hinter Beckett und sie warf Castle einen giftigen Blick zu.
Castle tat, als zuckte er schuldbewusst zusammen, da er aber für seinen Spruch ein kurzes Grinsen von Esposito erntete, nahm er Becketts wütenden Blick nicht allzu ernst.
Während Lanie Kate mit weiteren Informationen über die Tote versorgte, ging Castle in dem kleinen Raum auf und ab und nahm die Umgebung in Augenschein.
