Prolog

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Ich saß unter einer Weide im Wald. Es war Nacht. Die Blätter strichen über mein Gesicht und kitzelten. Ich lebte hier seit ich denken konnte. Um genauer zu sein seit 149 Jahren. Trotzdem war ich körperlich als auch seelisch noch 13 Jahre alt. Der Grund waren die Feen, die meinen Alterungsprozess extrem verlangsamten. Sie waren (fast) unsterblich. Ich lebte bei ihnen. Sie waren meine Familie. Meine Mutter war eine Fee und mein Vater ein Mensch. Sie waren direkt nach meiner Geburt gestorben. Das tat jeder Mensch und jede Fee, die zusammen ein Kind bekamen. Ich sah aus wie ein Menschenmädchen, bis auf die Tatsache, dass weiß leuchtende Flügel aus meinem Rücken ragten, meine Augen komplett weiß leuchteten und ich ein Tattoo unter den Schlüsselbeinen hatte.

Ein Ruf holte mich aus meinen Gedanken. Eine Fee kam auf die Lichtung. Ihr ganzer Körper war (wie bei allen) weiß mit türkisem Schimmer. Sie hatte die gleichen Flügel wie ich und ihre Augen leuchteten auch weiß.

,,Vera! Wir müssen etwas mit dir besprechen!"

Ich stand auf. Mich interessierte es brennend was sie besprechen wollten. Ich lief ihr hinterher und wir kamen auf eine Lichtung. Dort waren viele Feen versammelt. Die Feen gab es nicht ohne Grund. Sie schützten den Seelenstrom. Das ist, was wir den Fluss des Lebens nennen. Er durchfließt unsere Welt, wie Blut. Er gibt ihr, und allem was in ihr ist, Leben. Jedes Lebewesen hat seinen eigenen kleine Seele, die nach dem Tod in den großen hineinfließt, um woanders wiedergeboren zu werden.

Eine Fee, um genauer zu sein meine Tante Lisee, kam auf mich zu.

,,Du lebst jetzt schon sehr lange bei uns.", begann sie. ,,Aber deine andere Hälfte ist menschlich. Deshalb möchten wir, dass du ein paar Jahre bei ihnen verbringst."

Ich sah sie perplex an.

,,Natürlich nicht alleine.", sagte sie schnell. ,,Ich komme mit."

Ich atmete auf. Alleine würde ich es dort nicht aushalten. Die Menschen waren teilweise so zerstörungswütig und mordlustig. Ich war schon ein paar Mal mit Begleitung in der Menschenwelt gewesen. Aber nie länger als zwei Stunden. Trotzdem hatte ich im ersten und zweiten Weltkrieg so viele Tote gesehen. Es war so schlimm zu sehen, wie diese kleinen Seelen erloschen.

,,Wir haben dir schon eine Vergangenheit erschaffen.", sagte Lisee.

Ich wurde hellhörig und war gespannt wie meine imaginäre Vergangenheit lautete:

Meine imaginären Eltern waren steinreich und bei einem Autounfall gestorben. Meine Tante war meine neue Erziehungsberechtigte und wohnte mit mir in einer Villa in Daytona Beach, Florida. 61.000 Einwohner.

,,Und wie verbergen wir unsere 'Besonderheiten'?", fragte ich.

Sie begann einen kurzen, anmutigen Tanz aufzuführen und setzte damit Energie frei. Auf einmal stand eine hübsche Frau in den dreißigern vor mir. Sie hatte hellbraune Haare, die ihr auf die Schultern fielen und grau-blaue Augen. Das war meine Tante in Menschenform. Sie gab mir einen Spiegel. Ich hatte immer noch hellblonde Haare, aber meine Augen waren nicht mehr komplett weiß. Statrdessen waren sie am Rand der Iris blau und gingen zur Pupille hin zu grün über. Und meine Flügel waren weg. Das Tattoo unter meinen Schlüsselbeinen sah man nur noch ganz schwach.

Wir verabschiedeten uns von den anderen Feen, was nicht leicht war. Lisee führte mich bis zum Rand des Waldes. Wir liefen über ein Feld und kamen an eine Straße. Dort stand ein kleines, weißes Elektroauto. Wir stiegen ein und fuhren in unser neues Leben.

Rechts ein Bild von Vera------>

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