Sechs

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Am nächsten Morgen zog ich mich an und schminkte mich. Gleiche Prozedur wie gestern. Heute machte ich mir ein Brötchen mit Käse. Meine Tante gab mir mein Frühstück, wieder eine große Box. Dann ging ich raus, zum Auto. Ich sah auf mein weißes Sony Xperia Z1 und merkte, dass ich noch viel zu früh dran war. Langsam stieg ich ein und fuhr los. Ich fuhr nicht direkt zur Schule, sondern einen großen Umweg. Dabei fuhr ich am Strand vorbei. Mir fiel auf, dass ich noch nie am Strand gewesen war, in den ganzen drei Jahren. Ich nahm mir vor es demnächst zu tun. Es wurde langsam Zeit und ich fuhr in Richtung Schule. Es war wiedereinmal super Wetter. Als ich angekommen war,  waren nur wenige Schüler auf dem Parkplatz. Darunter, wer hätte es geahnt, Lloyd. Ich hatte jetzt wirklich keine Lust auf ihn, eigentlich nie. Ich suchte wieder einen schattigen Parkplatz und stieg aus. Lloyd stand mit einer kleinen Gruppe von Jungs direkt am Schultor. Also musste ich irgendwie an ihm vorbeikommen. Wovor hatte ich eigentlich Angst? Wenn er mir eine blöde Bemerkung zuwarf, würde ich ihn einfach ignorieren. Ich schüttelte innerlich den Kopf und ging schnell auf das Schultor zu. Ich versuchte einfach nur geradeaus zu gucken, aber ich konnte nicht anders, guckte kurz in seine Richtung. Er bemerkte mich wohl nicht. Erfolg! Das hätte ich nicht erwartet. Als ich in der Schule war, hielt ich nach den anderen Ausschau. Ich sah violette Haare aufblitzen. Cat war da. Ich ging in ihre Richtung. Sie winkte mir zu.

"Ich dachte du fährst mit dem gleichen Bus wie die anderen?", fragte ich sie.

"Heute hat meine Mutter mich gebracht, weil sie hier vorbeikam.", antwortete Cat.

"Der Bus müsste gleich hier ankommen.", fügte sie hinzu.

Drei Minuten später sahen wir durch die Glastür der Schule den Schulbus. Cat ging los und ich hinterher. Tamara, Jessica und Alice kamen uns entgegen. Wir begrüßten uns und gingen in die Schule. Erste Stunde Chemie, Experimente. Wir warteten vor dem Raum auf die Lehrerin, die für ihr Zuspätkommen bekannt war. Tamara verschwand kurz und kehrte zehn Sekunden später wieder zurück, einen Typen mit hellbraunen Haaren im Schlepptau.

"Wir müssen dir jemanden vorstellen: Chris Glen. Er ist unser Freund. Du hast ihn gestern nicht gesehen, weil er krank war.", sagte Tamara.

"Hallo, du musst Vera sein.", sagte er.

"Hi, schön dich kennenzulernen.", antwortete ich.

Dann kam die Lehrerin angerannt. Sie war unsere Klassenlehrerin, Frau Hole. Schwer atmend blieb sie vor dem Raum stehen und kramte ihren Schlüssel heraus.

"S-Stau...", sagte sie schwer atmend.

Das war die typische Ausrede für's Zuspätkommen von Lehrern. Es war nämlich gar kein Stau da gewesen. Ich war ja selber da lang gefahren. Aber ich sagte nichts, sondern ging in den Raum und setzte mich neben Tamara. Chris saß neben Jessica und Alice neben Cat.

"Guten Tag. Bevor wir mit dem Unterricht beginnen, muss ich etwas mit euch besprechen.", begann Frau Hole und die Klasse wurde leise.

"Es geht um die Klassenfahrt, die in drei Wochen stattfinden soll. Es gibt zwei Möglichkeiten: Skiurlaub in Kanada oder New York, in Manhattan, ein Hotel nah am Strand. Wir stimmen ab." 

Achtzig Prozent der Klasse stimmte für New York, was mir irgendwie klar war.

"Die Reisekosten betragen 956$. Ihr solltet bis nächsten Mittwoch das Geld auf das dafür angelegte Konto überwiesen haben. Ich teile jetzt einen Zettel für eure Erziehungsberechtigten aus, wegen der Reiserücktrittsversicherung, der Schwimmerlaubnis und so weiter. Wer nicht mitkommt, aus welchem Grund auch immer, muss in die Schule und kommt vorübergehend in eine andere Klasse.", sagte die Lehrerin.

Als jeder einen Zettel hatte, begann sie mit dem richtigen Unterricht. Wir experimentierten in Zweiergruppen, mit dem Sitznachbarn. Nach dieser Stunde folgten noch fünf weitere. Dann war der Schultag vorbei. Ich schaffte es wieder so unauffällig wie möglich mit dem Auto wegzufahren. Als ich zu Hause war, machte ich leise die Tür auf, denn manchmal schlief Lisee um diese Zeit. Ich hörte ihre Stimme aus dem Wohnzimmer. Die Tür war einen Spalt weit auf. Obwohl es nicht meine Art war zu lauschen, war ich zu neugierig und guckte durch den Spalt. Dort stand meine Tante in Feengestalt und sprach in eine kleine Leuchtkugel. Sie "telefonierte" mit einer anderen Fee.

"...weiß ja, dass es nicht verhindert werden kann, aber gibt es wirklich keine andere Lösung? Sie ist doch noch so jung...in Ordnung ich verstehe. Auf Wiedersehen.", sagte Lisee und "legte auf".

Ich schlich schnell wieder zur Tür und tat so, als wäre ich gerade heimgekommen.

"Hallo, ich bin wieder da!", rief ich.

Meine Tante kam durch die Tür, wieder in Menschengestalt.

"Hallo. Wie war die Schule?", fragte sie.

"In Ordnung.", antwortete ich.

Von was hatte sie eben geredet? Meinte sie mich mit zu jung? Aber es könnte ja auch etwas komplett harmloses sein. 

SoulstreamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt