Die Geräusche, die vom Flur in ihr Zimmer schallten, wurden lauter. 6.15 Uhr. Die Nachtschicht wurde abgelöst. Beckett war schon so lange hier, dass sie anhand der Geräusche um sie herum, genau wusste wie spät es war, ohne dafür auf die Uhr schauen zu müssen.
Beckett hatte ja schon öfter im Krankenhaus gelegen, aber noch nie so lange. Deshalb hatte sie auch erst jetzt realisiert, dass ein Krankenhaus Routine pur war. Obwohl sie Privatpatientin war, dafür hatte Castle gesorgt, kam zum Beispiel ihr Frühstück immer um 6:40 Uhr. Egal wie es ihr ging. Und egal, ob sie das Essen verspeist hatte oder nicht, das Tablett wurde genau eine halbe Stunde später wieder abgeholt. Kate hatte sich schon oft gefragt, was mit dem ganzen Essen passierte, das sie zurückgehen ließ.
Eigentlich aß Kate gerne und mochte auch fast alles, aber die Umstände brachten es mit sich, dass ihr oft morgens so übel war, dass sie ihr Frühstück unberührt ließ. Allerdings musste sie nicht hungern, wenn sie dann doch im Laufe des Vormittages Appetit bekam, denn sämtliche ihrer Besucher, ob Familie, Freunde oder Kollegen, wussten um ihre Situation und brachten Kate Snacks aller Art mit.
Kate drehte sich auf die Seite und kuschelte sich in die Decke. Es war noch Zeit bis zum Frühstück und noch mehr Zeit bis zum alles entscheidenden Termin. Sie schloss die Augen und ihre Gedanken wanderten zum gefühlten tausendsten Mal zu dem Tag zurück, an dem Caleb Brown ins Loft eingedrungen war und auf Rick und sie geschossen hatte...
Gerade hatte sie noch mit Castle über den Fall gesprochen und im nächsten Moment hörte sie den Schuss und Browns Stimme. Instinktiv griff sie zu ihrer Waffe und stürmte vom Schlafzimmer zurück in die Küche, was sich im Nachhinein als Fehler herausstellte. Aber Castle war in Gefahr, da konnte und wollte sie sich nicht zurückhalten.
Caleb und Kate schossen nahezu gleichzeitig aufeinander. Zweimal. Die erste Kugel traf Beckett in die rechte obere Brust und verfehlte nur knapp ihre Lunge. Der zweite Schuss schlug in ihren Oberbauch ein und verletzte ihre Leber. Aber die Polizistin ging nicht zu Boden, anders als der Angreifer. Caleb schaute sie verdutzt an, während er an der Wand entlang zu Boden rutschte und für immer die Augen schloss.
Erst als Beckett sich sicher war, dass sie Brown wirklich getötet hatte, ließ sie die Schmerzen zu. Sie spürte, wie ihr Blut aus den Wunden pulsierte und ihre Beine unter ihr nachgaben. Castle, der ebenfalls blutend am Boden lag, rief fragend ihren Namen und sah sich suchend nach ihr um. Sie nahm alle ihre verbleibenden Kräfte zusammen und schob sich mühsam über den Holzboden zu ihrem Geliebten.
Wenn sie schon sterben musste, dann wollte sie sich wenigstens von ihm verabschieden. Aber das war leichter gedacht als getan. Sie konnte Rick nicht sagen, wie sehr sie ihn liebte, wie viel sie ihm verdankte und wie gern sie mit ihm alt geworden wäre. Das Einzige, wozu ihre Kraft noch reichte, war seine Hand zu halten und diese so fest wie möglich zu drücken. Sie hoffte, dass er dadurch spürte, was er ihr bedeutete. Castle erwiderte ihren Händedruck, bevor Kates Hand erschlaffte und es schwarz um sie wurde.
Kate schüttelte den Kopf und richtete sich ruckartig im Bett auf. Schluss mit den dunklen Gedanken. Sie musste dem heutigen Tag optimistisch entgegensehen, ansonsten könnte sie auch gleich aufgeben.
Ein paar Minuten später ging die Tür auf und Betty, eine der netteren Krankenschwestern, kam mit ihrem Frühstück ins Zimmer. „Guten Morgen, Kate, wie geht es Ihnen heute?"
„Gut. Vielleicht ein bisschen nervös", antwortete Kate ehrlich und stand auf, während Betty das Tablett auf den kleinen Tisch stellte. „Aber ich habe sogar etwas Appetit."
„Das ist gut", bestätigte die füllige Krankenschwester. „Sie brauchen die Nervennahrung." Betty nickte Kate lächelnd zu. „Ich wünsche Ihnen viel Glück für den Termin nachher."
„Danke." Beckett lächelte zurück und setzte sich an den Tisch, nachdem Betty das Zimmer verlassen hatte. Sie hatte tatsächlich Hunger. Gut, dass sie heute nicht nüchtern bleiben musste. In den letzten Tagen hatte sie aufgrund der vielen Untersuchungen nicht allzu viel zu essen bekommen. Genüsslich biss Kate in das Brötchen und aß dann auch noch den Joghurt, der zum heutigen Frühstück gehörte. Natürlich hoffte sie darauf, dass Castle ihr wieder Kaffee mitbringen würde, aber sogar der labbrige Früchtetee kam ihr jetzt einigermaßen genießbar vor.
Kate lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und hörte in sich hinein, besser gesagt in ihren Magen, aber es war nichts von irgendwelcher Übelkeit zu spüren.„Sollten wir uns endlich angefreundet haben", murmelte sie leise, während sie beide Hände auf ihren schon leicht gewölbten Bauch legte.
Als der Arzt Kate nach der Operation, in der sie die Kugeln aus ihrem Körper herausgeholt hatten, mitteilte, dass sie schwanger war, hielt sie das zunächst für einen Scherz. Sie nahm schließlich die Pille. Aber der Arzt zeigte ihr die Ergebnisse der Blutuntersuchung, die eindeutig einen erhöhten HCG-Wert anzeigten. Weitere Untersuchungen bestätigten, dass Kate ungefähr in der dritten Schwangerschaftswoche war, als Brown ihr in den Bauch schoss.
Castle war überglücklich gewesen, als er erfahren hatte, dass er noch mal Vater wurde.
Aber Kate war mehr geschockt, als freudig überrascht. Sie hatte zwei Schussverletzungen, die erhebliche Schmerzen verursachten. Aufgrund der Schwangerschaft durfte sie nur eingeschränkt Schmerzmittel nehmen, was ihre Heilung nicht wirklich voranbrachte. Dazu kam dann noch die morgendliche Übelkeit, die Kate schwer zu schaffen machte. Und angeblich harmlose Blutungen, die von Hämatomen in der Gebärmutter verursacht wurden. Das waren alles Aspekte, die Kate nicht gerade freundlich auf ihr Kind stimmten.
Das Timing war einfach nicht richtig.
Doch je mehr Zeit verging, umso besser fühlte sich Kate und umso mehr gefiel ihr dieTatsache, dass sie Mutter wurde. Deshalb hatte sie auch gedacht, dass sie nur maximal das erste Trimester ihrer Schwangerschaft im Krankenhaus verbringen musste, aber die Ärzte wollten sie zur Sicherheit noch länger dabehalten. Die Schusswunde in ihrer Brust verheilte sehr gut, aber die Bauchverletzung hatte sich immer wieder entzündet. Außerdem entwickelte sich das Kind in ihr nur unterdurchschnittlich.
Jetzt war Kate rechnerisch in der 15. Schwangerschaftswoche, das Baby war insofern etwa 13 Wochen alt. Das war alt genug, um festzustellen, ob der Fötus schwerwiegende Fehlbildungen aufwies. Die Ärzte hatten ihr aufgrund des Traumas durch die Schussverletzungen und den damit verbundenen starken Blutverlust zu nähergehenden Untersuchungen geraten.
Kate hatte das Angebot angenommen und heute war der Tag, an dem sie die Ergebnisse bekam. Allerdings war sie sich nicht sicher, was sie machen würde, wenn die Befunde positiv ausfielen.
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Tag der Entscheidung
FanfictionBeckett und Castle wurden von Caleb Brown angeschossen. Sie haben überlebt.... und nicht nur sie... // Future-Fic, die zeitlich ein paar Monate nach Folge 8x22 angesiedelt ist.