2. Türchen

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„Das ist alles?"

Skeptisch betrachtete Hermine den Koffer, mit dem Harry gerade in ihre Wohnung getreten war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein erwachsener Mann so wenig Besitz hatte, dass es in einen Koffer passen würde.

„Naja, ich habe eben nicht so viele Bücher wie du. Und die Möbel in unserer Wohnung habe ich alle Ginny überlassen. Ich werde mir neue kaufen, sobald ich eine eigene Wohnung gefunden habe. Würde mich eh nur immer an sie erinnern, wenn ich davon was mitnehmen würde", erklärte Harry schulterzuckend, während er den Koffer abstellte. Etwas unbeholfen stand er in ihrem Wohnzimmer herum, als warte er darauf, dass sie ihm sage, wo er hin sollte.

Grinsend durchquerte sie den Raum und zeigte auf ein jetzt leeres Bücherregal: „Hier, ich habe die Bücher rausgeräumt, da kannst du deine Sachen reintun. Ich habe einen Vorhang davor gebastelt, so ist alles vor den Blicken neugieriger Gäste geschützt. Das Sofa verwandele ich dir einfach abends in ein Bett. Du kannst dich gerne am Esstisch hier ausbreiten, ich sitze eh eher am Schreibtisch in der Ecke da drüben. Alleine an einem Esstisch zu essen erschien mir irgendwie immer ... unsinnig."

„Bin ich wirklich nicht im Weg?"

Warm lächelte Hermine ihren besten Freund an: „Aber nein. Ach, Harry, wirklich nicht. Ich freue mich fast schon, für eine kurze Zeit einen Mitbewohner zu haben. Das wird lustig, glaub mir. Wir können morgens gemeinsam zur Arbeit gehen, wir kochen abends zusammen, und wenn du mal Alpträume hast, komme ich und halte deine Hand."

Bei den letzten Worten musste sie kämpfen, nicht laut loszulachen, aber als Harry ihr einen spielerischen Schlag versetzte, war es um sie geschehen. Sie brach in schallendes Gelächter aus und steckte Harry damit an. Es war befreiend und schön und beinahe so wie früher, als sie noch gemeinsam nach Hogwarts gingen und keiner an Krieg dachte.

„Weißt du was? Du packst in Ruhe aus und ich koche uns was Schönes und dann machen wir uns einfach einen ganz gemütlichen Abend, was meinst du?", schlug Hermine vor, nachdem beide wieder zu Luft gekommen waren. Harry nickte immer noch grinsend, dann wandte er sich mit einem tiefen Seufzen einem Koffer zu.

Da ihre Kochkünste beschränkt waren, entschied Hermine sich für einfache Nudeln mit Pesto, ein Gericht, für das sie immer alle Zutaten im Haus hatte, weil es schnell ging und lecker war. Es dauerte keine zehn Minuten, da trat Harry von hinten an sie heran und schaute über ihre Schulter in den Kochtopf. Eine merkwürdige Nervosität ergriff sie.

„Na, was gibt es denn?"

Sie drehte sich zu ihm um, nur um festzustellen, dass er tatsächlich direkt hinter ihr gestanden hatte. Überrascht über seine plötzliche Nähe, errötete sie leicht, ehe sie einen Schritt zur Seite trat, um den Blick auf den Herd freizugeben: „Was ganz Ausgefallenes! Nudeln!"

„Mmmh, mein Lieblingsgericht! Und das gibt es so selten! Nudeln, das ist so außergewöhnlich!", kicherte Harry.

Schmollend stemmte Hermine eine Hand in die Hüfte, während sie mit dem Holzlöffel in der anderen vor seiner Nase rumfuchtelte: „Tut mir leid, dass ich keine Molly bin! Da müssen noch ein paar Kinder aus meinen Hüfte krabbeln, ehe ich die Muße habe, den ganzen Tag nur zu kochen!"

Lachend ging Harry vor ihrem Kochlöffel in Deckung: „Oh nein, besser nicht. So viele Kinder ruinieren nur die Figur und wir wollen ja nicht, dass irgendetwas deinen perfekten Körper zerstört!"

Das Lachen blieb Hermine im Halse stecken. Wenn Harry nicht gerade seine Trennung von Ginny verarbeiten würde, hätte sie glatt vermutet, dass er mit ihr flirtete. Sie wusste, sie bildete sich das nur ein, zumal er der beste Freund von Ron war, alleine deswegen war es unmöglich. Dass sie es überhaupt so interpretierte, sagte viel mehr über sie selbst aus. Ganz offensichtlich hatte sie schon so lange keinen richtigen Flirt mehr erlebt, dass sie jetzt schon das harmlose Herumalbern mit einem alten Freund missverstand.

Entschlossen, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen, deutete sie auf den Kühlschrank: „Bringst du mir das Glas mit dem roten Pesto, bitte? Wir können gleich auch schon essen."

Harry kam ihrer Aufforderung ohne weitere zweideutige Bemerkungen nach, und als sie endlich die dampfenden Nudeln mit dem Pesto mischte, sich der anregende Geruch von Paprika in ihrer kleinen Wohnung ausbreitete, da bemerkte Hermine, dass sie unendlich hungrig war. Und hungrig war sie noch nie ganz zurechnungsfähig gewesen.

Statt an den Esstisch zu gehen, ließ Hermine sich in ihr Sofa sinken. Sie bevorzugte Gemütlichkeit gegenüber korrekten Tischmanieren. Ihre Eltern waren lange genug streng mit ihr gewesen, jetzt war sie ihre eigene Frau, jetzt konnte sie entscheiden, wie sie leben wollte.

Schweigen erfüllte das Wohnzimmer, während sie beide sich ihrer Mahlzeit widmeten, doch es war nicht unangenehm. Hermine erinnerte sich daran, wie sie während ihrer Suche nach den Horkruxen eine lange Zeit mit Harry alleine gewesen war, nachdem Ron übermannt von seinen negativen Gefühlen geflohen war. Auch damals hatte Harry eine wundervolle Art gehabt, mit Stille umzugehen. Mit ihm konnte sie einfach die Ruhe genießen. Zufrieden mit sich, mit dem Essen, mit Harry und allem um sie herum, genoss sie einfach den entspannten Abend.

„Was steht morgen bei dir auf dem Programm?", unterbrach Harry schließlich das wohlige Schweigen.

Sie konnte nur mit den Augen rollen: „Ich muss zu den Malfoys. Meine Abteilung hat eine schwarzmagische Vase zurückverfolgen können. Es sieht so aus, als habe Abraxas Malfoy sie vor Ewigkeiten erstanden, sie dürfte also noch im Besitz der Familie sein."

Ein schräges Grinsen erschien auf Harrys Gesicht: „Ich sehe, du freust dich wahnsinnig."

Gespielt böse streckte sie ihm die Zunge raus: „Wenn du an meiner Stelle wärst, müsste man vermutlich eine Anstandsdame mitschicken, damit ihr euch nicht gegenseitig umbringt."

Ein lautes Lachen erklang: „Eine Anstandsdame wäre da wohl eher das letzte, was wir brauchen. Die wird eher hier gebraucht."

Immer noch sein schräges Grinsen auf den Lippen, blickte Harry zu ihr rüber und zog eine Augenbraue hoch. Wieder errötete Hermine und wieder fragte sie sich, ob Harry mit ihr flirtete oder ob sie sich das nur einbildete. Mit fester Stimme – oder zumindest hoffte sie, dass ihre Stimme so klang – erwiderte sie: „Du bist so konservativ manchmal, Harry. Als ob ein Mann und eine Frau heutzutage ernsthaft noch einen Aufpasser brauchen, nur weil sie sich einen Raum teilen."

Er lachte erneut: „Wart's nur ab, bis du in mein Bett kriechst..."

„Harry!", unterbrach Hermine ihn, inzwischen feuerrot. Er ging deutlich zu weit mit seinen Scherzen, egal ob ernst gemeint oder nicht. Hastig stand sie auf, nahm die beiden schmutzigen Teller und ging zur Küche.

Als sie sich wieder zu ihm umdrehte, zog sie ihren Stab und deutete auf die Couch: „Ich verwandle dir jetzt dein Bett. Noch eine unanständige Bemerkung, und ich geb' dir eine Matratze aus Stein!"

Harrys Grinsen wurde noch breiter, doch er blieb stumm und gab sich brav.

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