*39 schlechter

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Abends an demselben Tag ging es mir wieder schlechter. Schon nachdem die Welpen gegen halb drei abgeholt wurden, sank ich erschöpft in einen Sessel. Obwohl er gar nicht anwesend war, wurde Will aufmerksam.

Alles in Ordnung bei dir?

Ich lächelte leicht und rieb mir meine Stirn. Ein dumpfes Pochen verhinderte, dass ich antworten konnte. Es war, als blockierten meine Kopfschmerzen meinen Link. Ich hustete und hievte mich wieder hoch. Ich musste in den Wald. Ohne noch lange zu zögern eilte ich zur Glasfront und öffnete deren Tür. "Five! Wo willst du hin?", fragte Jay verwundert nach. Ich atmete schwerer und musste noch einmal husten. "Ich... in den Wald. Bin bald zurück.", antwortete ich knapp und rannte raus. Schon nach wenigen Schritten riss es mich in meine andere Gestalt und ich raste auf vier Beinen weiter. Es war heller Nachmittag, und trotzdem fror ich. Ich trieb mich weit in den Wald hinein, vergaß meinen Weg zwischen Laub und Holz, rannte weiter und weiter. Als ich die Nordgrenze erreichte, machte ich atemlos Halt und kippte auf den Boden. Die ganze Entfernung schien mir nicht weit genug zu sein. Ich musste weg davon und wusste nicht mal wieso. Der Waldboden unter mir war feucht und kalt. Ich öffnete meine roten Augen wieder und sah mich um. Langsam beruhigte sich mein innerer Wolf wieder. Nun erkannte ich die Panik, die mich überkommen hatte. Ich darf mich nicht so beeinflussen lassen!, schärfte ich mir ein. Wieder hustete ich und begann zu frösteln. Meine Umgebung schien so märchenhaft mit dem goldenen Laub und den einzeln sichtbaren Sonnenstrahlen. Ich versuchte, mir jedes Detail einzuprägen. Vielleicht war das dumm oder sinnlos, aber in diesem Moment schien es als das einzig Richtige. Der Wald schenkte mir Energie, Energie, die ich zum Wechseln zurück in die menschliche Gestalt nutzte. Mein Körper fühlte sich elend an, aber mein innerer Wolf war beruhigt und zufrieden. Im Wald fühlte ich mich besonders wohl, da ich als Wächter eng mit dem Wald verbunden war. Ich schluckte schwer, als ich bemerkte, dass die Verbindung, die ich zum Wald spürte, nicht mal mehr halb so stark war, wie früher. Aber immerhin war sie noch vorhanden.

Ein Geruch stieg in meine Nase, der mir so bekannt war, wie mein eigener. "Five! Gehts dir gut?", fragte Will, nachdem er in seine menschliche Form gewechselt hatte und auf mich zu rannte. Ich sah an ihm vorbei, als wäre mein Blick festgefroren, mein Mund war versiegelt. "Five!" Will fiel vor mir auf die Knie. Ich schüttelte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf, um mich aus meiner Starre zu befreien und lächelte dann. "Ja, alles- alles okay." Will zog mich auf meine Knie, wofür ich ihm unendlich dankbar war. "Das kannst du sonst wem erzählen! Ich spüre doch, wie es dir geht..." Er strich über meine Wange und zog dann meinen Pullover- Ausschnitt nach unten, bis mein Wächterkristall zum Vorschein kam. Er flackerte. Besorgt sah Will mir wieder in die Augen. Ich sah ertappt auf den Boden und antwortete leise: "Irgendwas muss passiert sein... Es ist auf ein Mal schlimmer geworden." Will küsste mich kurz aber liebevoll. "Was machst du überhaupt hier?", fragte ich dann und erinnerte mich erschrocken daran, wo Will im Moment sein hätte müssen. "Du hast doch diese Ratssitzung!" Will zuckte mit den Schultern. "Und wenn schon. "Der Rat" besteht sowieso nur aus den Betas, den Gammas und einem Vertreter der Deltas." Ich boxte ihm leicht gegen die Schulter. "He, das ist wichtig! Du solltest nicht hier sein!" Will stand auf und zog mich an den Schultern mit hoch. "Ich dachte, das hätten wir schon geklärt: Ich lasse dich nicht allein. Ich bin immer da, wenn du mich brauchst. Und es geht dir schlecht, also werde ich mich ja wohl um dich kümmern dürfen!" Ich wurde leicht rot und nickte. Will lachte leicht und wollte gerade anfangen zu sprechen, als plötzlich ein starker warmer Wind aufkam. Trotzdem fröstelte ich und als ich meine vor Schreck zusammengekniffenen Augen öffnete, bemerkte ich, wie sie rot leuchteten. Sofort wurde alle Luft aus mir raus gepresst und ich sah wieder das Tor zum Jenseits vor mir. Ein grüner Zauber hielt es offen und tote Seelen wurden von ihm wieder zurück ins Diesseits gezogen. "Nein...", brachte ich gerade so heraus, als um uns herum schon die ersten toten Seelen auftauchten, unter anderem...

"Noah!", rief Will erschrocken. Der junge Geist schwebte einige Meter von uns weg, ließ Kopf und Glieder hängen und hatte die Augen geschlossen. An ihrem Hals klaffte die Wunde, die sie damals getötet hatte. Immer mehr Geister tauchten auf, es fühlte sich an, als würden sie alle gewaltsam aus mir heraus gerissen. Bald war Noah nur eine unter Hundert Seelen, die leblos wirkend in der Luft schwebten und an denen man deutlich sehen konnte, woran sie gestorben waren. Ich klammerte mich an Will. Mein innerer Wolf wurde nun wieder unruhig, meine Kopfschmerzen hämmerten heftig gegen meinen Schädel. Aber fast noch schlimmer war mein Herz, das allein durch den Anblick meiner kleinen Schwester in tausend Teile zersprang. Die Seelen hoben mit einem Mal den Kopf und verzogen den Mund zu einem schiefen, bösen Grinsen. "Diese Welt gehört dem Meister!", sagten sie alle mit dunkler Stimme. "Gebt euch geschlagen!" Mit diesen Worten fielen die Seelen auf den Boden und die Werwölfe verwandelten sich. Es waren weitaus weniger Werwölfe als Menschen, allerdings genug, um Will und mich leicht zu überwältigen. Tränen traten in meine Augen. Dann begann ich, zu kämpfen. Und zwar gegen den Zauber. Ich drückte mit all meiner Kraft gegen das Tor und versuchte, es zu schließen. Gleichzeitig begann Will, langsam und vorsichtig rückwärts zu gehen und mich mitzuziehen. Bedrohlich knurrend kamen die untoten Wölfe näher und fletschten ihre Zähne. Ich bekam wenig von meiner Umwelt mit und versank in dem Kampf, den der grüne Zauber und ich führten. Ich lehnte mich immer stärker dagegen auf, nahm Kraft zusammen, die ich nicht mal besaß. Ja, das klingt unlogisch. Tja. Ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Kopf, als das dumpfe Dröhnen plötzlich verschwand und einem klaren Schmerz Platz machte. Die Luft blieb mir weg, ich verkrümmte mich schmerzerfüllt, konnte aber im selben Moment den Zauber zurückdrängen. Ich schnappte erschrocken nach Luft und fiel vorneüber, Will hielt mich gerade so davon ab, auf den Boden zu fallen. Die meisten toten Seelen verschwanden sofort, ich schickte sie zurück und versiegelte das Tor so gut ich konnte. Dann gab meine menschliche Gestalt auf, mein innerer Wolf schützte sie, indem er die Überhand gewann und ich lag hechelnd und fiepend auf dem Waldboden. Immer wieder zuckten meine Beine hin und her, ich wollte weg, weg von diesem Ort. Mit tierischer Kindlichkeit dachte ich nur daran, wie böse diese Stelle war, und dass ich weg musste. Aber ich konnte nicht. Irgendetwas verbreitete den Schmerz in meinen ganzen Körper, legte mich lahm und schnürte meine Lungen gefährlich eng zusammen. Will sah sich erst irritiert um, bekam dann aber bei meinem Anblick Panik und fiel neben mir ins Moos. Beruhigend strich er durch mein schwarzes Fell, strich sich Tränen aus den Augen und sagte: "Keine Angst, ich habe Hilfe geholt! Halte durch!" Ich biss fest meine großen Kiefer aufeinander und fiepte leidend.

Was ich nicht mitbekam war, wie ein kleiner Geist neben uns übrig blieb, zusammensackte und immer wieder unsere Namen murmelte.

~~

Zu spät, unkontrolliert, dramatisch.

Yay ^^

Das Charakter-Ask kommt vermutlich noch diese Woche :)

A

O

F

^^

Five (Werwolf boyxboy) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt