Die nächste Zeit verging ohne besondere Zwischenfälle, alles wie gehabt. Die Mädchen verbrachten jede freie Sekunde miteinander, auch wenn sie oft stundenlang nur da saßen und schwiegen. Sie hatten ja nur sich.
Sie waren ein ungleiches Paar, nahezu lustig anzuschauen. Melina war klein, etwas pummelig, mit kurzen Nussbraunen Haaren und Steingrauen Augen. Mit Jungs hatte sie bisher nicht viel am Hut. Carolin hingegen war überdurchschnittlich groß und dürr wie ein Spargel. Ihre Haare waren strohblond und reichten bis zur Taille, die Augen braun und groß, sie strahlten eine unglaubliche Wärme und Mitgefühl aus. Sie hatte zwar einen Freund, der lebte jedoch zu weit weg, um sie zu besuchen.
Ein Klirren durchbrach die Stille, Melina hatte ihr Glas fallen lassen und blickte in Richtung des Fensters. Carolin sah sie fragend an, doch Melina presste nur ein flüchtiges ,,Sorry, habe wohl das Glas nicht richtig festgehalten" heraus, während sie die Scherben aufhob. Melina konnte ihrer besten Freundin ja schlecht erzählen, dass sie dachte, einen Jungen am Fenster gesehen zu haben. Sie waren im dritten Stock. Carolin würde sie für verrückt erklären, oder noch schlimmer, ihr nur stumm einen mitleidigen Blick zuwerfen.
Nachdem Carolin gegangen war, hörte Melina wieder ihren Namen in ihrem Kopf wiederhallen. ,,Nicht schon wieder... Was willst du?!" Ihre Stimme war erst ein flüstern, am Ende schrie sie es geradezu heraus. Sie warf sich aufs Bett, drückte ihren Kopf in das Kissen und schrie und tobte. Überrascht über ihren eigenen Wutanfall fing sie, zu allem Übel, auch noch zu weinen an. Sie wusste dass sie keine Antwort bekommen würde, sie bekam nie eine. Aber das war jetzt nicht wichtig. Sie wollte nur wissen, wem diese Stimme in ihrem Kopf gehörte. Panisch sah Melina sich um, in der naiven Erwartung, dass sie gleich jemanden in einer Ecke ihres Zimmers entdecken würde. Aber natürlich war es nicht so, ihr Zimmer war sowieso so klein, dass sie vermutlich in dem stillen Raum eine andere Person an ihrem Atem erkennen würde. Das ganze machte sie so verrückt, dass sie sich nach einigen Tagen doch dazu durch rang, Carolin davon zu berichten. Diese winkte jedoch ab und schob es auf den Stress. Es würde schon vorüber gehen. Vielleicht hatte sie recht, in den nächsten Wochen gab es keine merkwürdigen Vorkommnisse.
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Bis dass das Leben uns scheidet
Short StoryEin geheimnisvoller Junge stellt Melinas Gedanken auf den Kopf. Das Problem? Sie ist die einzige die von ihm weiß.