Die nächsten Nächte waren beunruhigend traumlos, nicht mal seine vertraue Stimme konnte sie sich ins Gedächtnis rufen.
Inzwischen war Melina so verzweifelt, dass sie den Umschlag unter ihrem Kopfkissen hervor zog und ihn hastig öffnete. In geschwungener Schrift war ein kurzer Text geschrieben:
,,Melina,
es tut mir leid, ich kann dich hier nicht mehr besuchen.
Aber ich will dich unbedingt wiedersehen.
Die Wahrheit wird dich hart treffen, aber ich möchte das Risiko eingehen, du verdienst es, alles
zu wissen.
Bitte komm zu mir. Ich liebe dich."
Etwas zögerlich wirkend, in kleineren, zittrigen Buchstaben war eine Adresse beigefügt. Sie musste dort hin, sie musste ihn wieder treffen. Jedoch war die angegeben Adresse zu weit entfernt, um mit dem Fahrrad zu fahren. Zugtickets waren ziemlich teuer, zu teuer für sie, aber ihre einzige Chance.
Glücklicherweise konnte Carolin ihr einen Aushilfsjob im Café ihrer Tante besorgen. So jobbte Melina tagein tagaus bis ans Ende des Sommers. Als sich die Blätter orange-gelb verfärbten und die Sonne ihre letzten warmen Strahlen aussandte hatte sie das Geld für die Hin- und Rückfahrt gespart.
An einem Tag, der so war wie der Tag an dem sie den ersten Kuss spürte, machte sie sich auf den Weg. Sie hatte so viele Fragen.
Angekommen stelle sich schnell Ernüchterung ein. Melina stand vor den Toren eines Friedhofs, kein Haus weit und breit. Hatte der mysteriöse Junge sie umsonst hergelockt? Wutentbrannt zog sie den Brief aus der Tasche. Da fiel ihr ein weiteres Detail auf. In winzigen Buchstaben stand auf der Rückseite ,,Bis dass das Leben uns scheidet". Für Melina klang das nach einer Grabgravur, vielleicht wollte er sie dort treffen. Sie suchte weit und breit und wollte schon aufgeben, als ihr ein Foto auf einem Grab ins Auge fiel. Darauf war ein Junge zu sehen, der warmherzig in die Kamera lächelte. Ihr Herz schlug schneller, sie erkannte ihn. Bei genauerem Blick sah sie eine Gravur auf dem flachen Grabstein. ,,Bis dass das Leben uns scheidet". Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie vor dem Foto auf die Knie fiel.
Sie berührte erst das Foto, dann Namen auf dem Grab. Leo. Sie spürte seine tröstende Präsenz und die Sonne sendete ihre wärmsten Herbststrahlen. Auf Melinas Gesicht bildete sich ein warmherziges Lächeln. ,,Ich liebe dich auch".
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Bis dass das Leben uns scheidet
Storie breviEin geheimnisvoller Junge stellt Melinas Gedanken auf den Kopf. Das Problem? Sie ist die einzige die von ihm weiß.