SING!

10.

Da Gwen, Cassandra und Amelie mich dazu gedrängt hatten und Cassandra sich schon zum zweiten Mal mit Benedikt getroffen hatte, beschloss ich nun endlich Henry nach einem Date zu fragen. Ich lief gerade über den Hof der Musikschule, als ich ihn sah. Er stand mit dem Rücken zu mir und unterhielt sich mit Emy. "Was will diese Bitch denn von ihm?", dachte ich und in diesem Moment blickte Emy mich für einen Augenblich an. Ein seltsames Lächeln huschte über ihr Gesicht. Ich glaubte meinen Augen kaum. Sie verschränkte ihre Hände hinter Henrys Kopf, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Es sah nicht aus, wie ein erster Kuss. Ich riss die Augen weit auf. Es fühlte sich an, als ob mir jemand ein Messer ins Herz gerammt hätte. Dann drehte ich mich langsam um und ging davon. Ich weinte nicht.
                      ****
Was für ein Glück ich doch hatte, Freundinnen zu haben. Der Tag, an dem ich Henry und Emy zusammen gesehen hatte, war ein Freitag gewesen. Jetzt war es Sonntag und ich saß zusammen mit Amelie, Cassandra und Gwen in meinen Zimmer. Ich weinte in Amelies Pullover, während Gwen die ganze Zeit davon redete, was für ein scheiß Kerl Henry doch sei. Cassandra saß stumm daneben. Meine Mutter hatte zwar ein paar mal gefragt, was los sei und auch mein Vater hatte versucht, etwas aus mir heraus zu bekommen, doch ich blieb stumm wie ein Fisch. Irgentwann kapierten sie, dass ich einfach nur meine Freundinnen brauchte und ließen mich in Ruhe mit meinem Liebeskummer. Ich grübelte die ganze Nacht darüber, wie ich Henry am nächsten Tag begegnen sollte, kam aber auf keine gute Lösung. Ich würde ihm wohl einfach aus dem Weg gehen, so gut es eben ging. "Hoffentlich bekomme ich das hin", war mein letzter Gedanke bevor ich in einen sehr unruhigen Schlaf fiel. Ich träumte von den vielen Momenten mit Henry, von unserer ersten Begegnung, den vielen kleinen Gesprächen auf den Fluren der Musikschule, der stumme Blickkontakt während den Stunden und schließlich von unserem Duett.