Sie ist tot. Und ich? Fühle nichts.

Was fühle ich?

Das ist mein Problem. Wenn sie mir soviel bedeutet, wieso kann ich dann nicht richtig um sie weinen, wenn es alle anderen tun? Wieso kann ich immer nur stumm herum stehen und trösten, aber nicht mit ihnen trauern. Was fühle ich?

Ich fühle nichts.

Da ist dieser Kloß in meinem Hals, der sich unweigerlich höher schiebt und aus mir heraus zu brechen versucht, aber er bricht nicht. Und diese heißen Kopfschmerzen, mitten in meinem Gehirn, die mir die Konzentration nehmen. Diese Unbegreiflichkeit, dass sie nie wieder da sein wird, mich nie wieder anlächeln wird, "meine Süße" sagen wird, mich umarmen wird und mir erzählt, wie sie gegen den Brustkrebs gewonnen hat, weil meine Mutter damals mit mir schwanger war und sie brauchte, um mich aufzuziehen. Ich habe meine Oma einmal vor dem Tod gerettet. Das zweite mal hab ich es nicht geschafft. Vielleicht weil selbst meine Fähigkeiten als ungeborene besser sind als meine Fähigkeiten jetzt. Weil ich eine Versagerin bin. Und ich mich immer noch so unendlich schäme, ihre ständigen Bauchschmerzen als Allergie abzutun, sie für ihren fettigen Ess-Stil zu rügen und ihr einzureden, sie solle eine Diät machen. Dieses scheiß Monster in meiner Brust, das mir die Worte raubt, so wie die Medikamente ihr als sie noch lebte, dieses Monster frisst sich in mir fest.

Okay, ich fühle.

Und doch fühle ich nichts.

Was ist denn das auch für ein Gefühl?