Das intuitive Plotten

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Heute will ich über etwas schreiben, dass mir schon seit einer Weile aufgefallen ist.

Autoren werden in der Regel in zwei Gruppen aufgeteilt: Die intuitiven Schreiber, die sich voll und ganz auf ihre Kreativität verlassen und mit einer Idee im Hinterkopf einfach darauf losschreiben. Sie entwerfen eine Szene und schauen, wo ihre Charaktere sie hinführen. Sie sind wie Archäologen, die Stück für Stück ein Skelett ausgraben, ohne vorher zu wissen wie der gesamte Fund aussehen wird.
Der wohl berühmteste Vertreter dieser Methode ist Stephen King.

Die zweite Gruppe Autoren gehören zu den Plottern. Sie überlegen sich einen Handlungsplan und bauen das Gerüst, bevor sie mit der Geschichte beginnen. Sie gestalten ihre Charaktere aus, wissen, wo die Geschichte beginnt und wo sie enden wird. Sie kennen die wichtigen Plotpunkte und den roten Faden, an dem sie sich orientieren können.

Zweifellos kann man jeder Methode etwas abgewinnen. Am aller schönsten wäre es natürlich, wenn man einfach drauf losschreibt und am Ende ein (zumindest grob) in sich funktionierendes Werkt in den Händen hält!

Aber jetzt mal ernsthaft: wer von uns kann schon behaupten, so wie King schreiben zu können? Wohl gemerkt schreibt King meistens Horrorthriller – und mir kam schon häufiger der Gedanke, dass plotlos Schreiben in diesem Genre evtl. besser funktioniert als zum Beispiel in der Fantasy.
Aber zurück zum Thema: Hat es nicht schon jeder von uns versucht? Einfach drauf los schreiben und sehen, wohin uns die Story führt? Wer ist nicht nach spätestens den ersten hundert Seiten gescheitert, weil er einfach festeckte? Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, nur schwer, und es braucht sicherlich einen gewissen Erfahrungsschatz und auch ein Talent dafür, so zu schreiben.

Intuitiver Schreiber werden als planlose Schreiber abgestempelt.
Plottern wird vorgeworfen, die Geschichte zu sehr erzwingen zu wollen.

Aber was, wenn beides nicht stimmt?
Sicher gibt es diese beiden Typen von Autoren. Einmal jene Schreiberlinge, die einen absolut chaotischen Roman verfasst haben, dem mehr Planung sicherlich gutgetan hätte und einmal jene, deren Handlungsstränge im Roman einfach unnatürlich wirken.

Doch, hat schon einmal jemand vom intuitiven Plotten gehört?

Ich jedenfalls nicht.

Und dennoch scheint es, als würde ich diese Methode die ganze Zeit anwenden, sowie hunderte erfolgreiche Autoren dort draußen.

Was ich damit meine?

Ganz einfach: Was machen wir, wenn wir intuitiv schreiben? Genau, wir schreiben einfach darauf los ohne Rücksicht auf die Konsequenzen zu nehmen.
Was machen wir, wenn wir plotten? Genau, wir überlegen uns wie die Geschichte von Anfang bis Ende aussehen könnte. (Mal mehr, mal weniger genau)
Und wie machen wir das? Indem wir einfach drauflos werken. Wir haben eine Idee für die erste Szene, schreiben sie in Stichpunkten auf, dann überlegen wir, was die logische Konsequenz daraus wäre, wir überlegen, was die Charaktere tun würden und so hangeln wir uns von Szene zu Szene, von Kapitel zu Kapitel – sieht hier noch jemand die Ähnlichkeit zum intuitiven Schreiben?

Wenn wir anfangen zu plotten (zumindest Ich), dann schreiben wir erst einmal alles auf, was uns in den Sinn kommt. Wir müssen das Skelett ebenso frei legen wie der intuitive Schreiber, wir wissen vorher ebenso wenig, ob es sich am Ende um einen Homo Sapien oder Homo Erectus handelt.

Der entscheidende Unterschied ist, dass wir einen Handlungsplan haben, bevor wie anfangen zu schreiben. Wir haben den Homo Erectus bereits ausgegraben, bevor wie einen ausführlichen Bericht über unsere Arbeit – den Roman – schreiben.

Der Vorteil ist, dass wir jetzt sehen können, ob dem Homo Erectus eventuell Rippen fehlen, oder ein kleiner Zeh, wir können eine Genanalyse durchführen und stellen vielleicht fest, dass unser Skelett kein Homo Erectus ist, sondern eine Frühform des Homo Sapiens. Darauf können wir reagieren und unseren Bericht anpassen.

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