15.März
,,Hast du schon mit deinen Eltern Telefoniert, Aurora?", fragte mich Dianne. Ich schnaufte auf und schüttelte den Kopf. Ich sah, dass mich Dianne etwas enttäuschend anguckte, aber das war mir irgendwie egal. Ich hatte meine Gründe meine Eltern nicht anzurufen...ich wollte nicht mit ihnen reden, warum auch? Ich war mir sicher, dass sie auf der Couch saßen, sich die Nachrichten anschauten und gar nicht an mich dachten, so war das zumindest, als ich noch bei ihnen lebte.,,Erde an Aurora?", fragte mich plötzlich Dianne. ,,Hm? Sorry...", sagte ich leise und kratzte kurz an meiner Stirn. ,,Was ist los Aurora? Liegt dir irgendwas auf dem Herzen?", fragte sie mich und beugte sich etwas nach vorne. ,,Pff... keine Ahnung Dianne. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie plötzlich in einer Klinik landen?" ,,Hintergangen.", sagte sie kalt. ,,Genauso fühle ich mich. Ich fühle mich nicht nur Hintergangen, ich fühle auch Trauer. Ich bin traurig, da meine Eltern sich ein scheiß um mich kümmern. Sie interessieren sich einfach nicht für mich, aber damit komme ich klar.", sagte ich etwas aufgeregt, da mir wieder die Wut hoch kam. ,,Wirklich? Du bist die erste, die damit klar kommt. Die mit Trauer klar kommt.", sagte Dianne etwas skeptisch. Ich verdrehte die Augen. ,,Ich komme wirklich damit klar. Ich musste auch damit leben, als ich noch mit meinem Freund zusammen war.", sagte ich leise, da ich wieder an Jonathan dachte. ,,und außerdem...bin ich nicht die einzige, die mit ihren Eltern nicht klar kommt. Hier sind viele Leute, die das gleiche durchmachen müssen wie ich."
,,Damit tröstest du dich also? Aurora, denk nicht, dass jeder, der hier ist, die gleichen Probleme hat wie du. Deine Probleme sind DEINE Probleme. Jeder der hier ist, hat andere Gefühle oder Gedanken, bitte merk dir das.", sagte sie und guckte mir dabei tief in die Augen. ,,O-okay.", stotterte ich und fuhr mir müde durch die Haare. Warum ich müde war? Ich konnte die ersten Tage in der Klinik nicht schlafen. Ich dachte zu viel nach und wenn ich meine Augen schloss, dann musste ich einfach an ALLES denken. Ich musste an meine Vergangenheit denken und das machte mich kaputt. Ich wusste im innersten, dass es das beste für mich wäre, mich neu zu verlieben, neue Leute kennen zu lernen und wieder glücklich zu werden, weil Jonathan das vielleicht wolle... aber wie sollte ich all das schaffen, wenn ich in einer Klinik fest saß?
,,Und wie wars?", fragte mich Kelsey, als ich mit ihr draußen vor der Klinik stand. ,,Naja, wie soll ich sagen? Sie hält es anscheinend für richtig, wenn ich meine Eltern anrufen würde.", sagte ich leise. ,,Hast du deine Eltern noch nicht angerufen?", fragte mich Kelsey leise. ,,Nein." ,,Hm...ich rufe meine Eltern auch nicht oft an. 2-3 mal im Monat." ,,Wirklich? Was halten sie davon?", fragte ich und guckte in ihre große Augen. ,,Das ist mir scheiß egal, was sie darüber denken.", sagte sie und guckte auf ihre Füße. ,,Mir ist es auch egal... warum ist es so wichtig, sich mit seinen Eltern gut zu verstehen? Ich habe mich nie mit meinen Eltern gut verstanden.", sagte ich leise und nahm mir eine Zigarette raus und zündete diese an. ,,Ich hatte ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern, bis ich ein kaputter Wrack wurde.", sagte sie und lachte leise, aber man hörte wie verzweifelt sie war. Ich zeigte keine Reaktion, sondern guckte ihr nur kalt in die Augen. Ich wollte ihr kein schlechtes Gefühl geben, aber manchmal war ich einfach kalt und das hasste ich am meisten.
,,Irgendwann wirst du sterben.", sagte plötzlich ein Junge der in meinem Alter war, aber viel kleiner war als ich. Ich zog eine Braue in die Höhe. ,,Na und?", fragte ich und zog wieder an meiner Zigarette. ,,Mach nur weiter so, aber du wirst jung sterben.", sagte er. ,,Mach dich ab, Mike!", sagte Kelsey. Mike hieß also der Junge mit den blonden Haaren. Anstatt abzuhauen, blieb er immer noch bei mir und Kelsey stehen. ,,Hast du sie nicht gehört?", fragte ich locker. Er guckte mich streng an. Seine fast schwarzen Augen machten mir irgendwie Angst. Er war komisch, sehr komisch. ,,Mike! Hör auf die Mädchen zu belästigen!", rief plötzlich eine männliche Stimme hinter uns. Ich drehte mich um und sah ein anderen Jungen der auf uns zu kam. Er war viel größer als ich und sah sportlich aus und ich fragte mich wie man in so einer Klinik noch sportlich aussehen konnte... ich war schon ein paar Tage in der Klinik und einen genauen Tagesablauf hatten die Betreuer für uns nicht. Niemand machte wirklich mit uns Sport, dass war uns überlassen...
,,Tut mir leid, hat er irgendwas dummes gesagt?", fragte der Junge mit den braunen Haaren. ,,Schaff ihn einfach weg, Greg.", sagte Kelsey herrisch.
,,Bleib am Boden." ,,Nein bleibe ich nicht. Ich habe euch zwei schon durchschaut...Greg akzeptier, dass ich nicht mit dir 'ausgehen' will.", sagte Kelsey. ,,Ah das geht hier ab...ich bin dann mal weg.", sagte ich seufzend und schmiss meine Zigarette auf den Boden und ging wieder in das warme Gebäude rein. Ich guckte mich im Flur um und fühlte mich einfach nur leer. Warum ich? Warum gerade ich, Aurora Peterson? Was habe ich gemacht um all das zu verdienen? Ich war doch ein ganz normaler Mensch. Ich wünschte jeden Menschen auf der Erde das beste, aber Gott meinte es nicht gut mit mir...wenn es diesen 'ach so tollen' Gott überhaupt gab...
,,Aurora, gehst du bitte nach oben? Hier unten sollte eigentlich keiner sein.", sagte Samantha. Ich guckte sie nur kurz an und ging die alten Treppen hinauf. Ich sah den langen Flur vor mir und schon wieder bekam ich komische Blicke von anderen Mädchen. Ich ging schnell in mein Zimmer, holte mein Skizzenbuch und ging wieder nach draußen. In dieser kleinen Fläche wo der Billardtisch war, war niemand außer zwei Jungs die Billiard spielten. Als ich mich auf die Couch setzte und mein Buch aufschlug hörte ich wie die zwei Jungs flüsterten. Ich zog meine Augenbrauen zusammen und sah auf. Beide Jungs guckten zu mir. ,,Habt ihr noch nie ein Mädchen gesehen?", fragte ich etwas launisch. Sie sahen sehr sprachlos aus und spielten weiter. Ich seufzte und fing an zu malen. Ich sah bestimmt dabei sehr konzentriert aus, da ich mich nur auf eine Sache konzentrierte und alles um mich herum vergaß.Plötzlich riss jemand mein Skizzenbuch aus meiner Hand. Ich schreckte auf und drehte mich um. ,,Gehts noch?!", zischte ich und konzentrierte mich nur auf meinen Skizzenbuch. Plötzlich blickte ich in braun-grüne Augen. Sie strahlten mich so an, sodass ich in ihnen versank. ,,Du kannst echt gut malen.", sagte eine tiefe Stimme, die aus dem großen Jungen, der vor mir stand, raus kam. ,,D-danke. Gib mir mein Buch zurück.", sagte ich und griff danach, aber er war schneller und wich ab.
,,Warte doch mal, hast du mehr?", fragte er sich leise und blätterte weiter. Ich verdrehte die Augen und gab es auf. Der unbekannte Junge vor mir war einfach nur unhöflich. War ja schön für ihn, wenn er dachte, dass ich gut malen konnte, trotzdem sollte er sich nicht so verhalten. ,,Verdammt du hast was drauf.", sagte er beeindruckt. ,,Toll, gib es mir zurück.", sagte ich ernst und guckte ihn ernst an. Er grinste kurz und zeigte mir damit seine strahlend weiße Zähne. ,,Hier." ,,Danke.", sagte ich leise und drehte mich wieder um und versank auf dem Sofa. Plötzlich setzte sich jemand neben mich.Ich verdrehte die Augen und guckte auf und sah wieder die braun-grünen Augen, die ununterbrochen strahlten. ,,Willst du irgendwas?", fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Nein...ich wollte mich nur vorstellen, du bist neu.", stellte er fest. ,,Schön dass es dir aufgefallen ist. Hör zu, ich bin nicht hier um irgendwelche Kontakte zu schmieden, ich will hier so schnell es geht raus.", sagte ich und richtete mich etwas auf. ,,Verstehe schon. Denkst du, dass du die einzige bist, die hier raus will?" ,,Das habe ich nicht gesagt, aber ich will keine Kontakte schmieden.", sagte ich ehrlich und guckte in die Ferne und spürte den Blick des Jungen auf mir. ,,Und warum nicht? Du kannst nicht die ganze Zeit hier alleine rum laufen.", sagte er leise. ,,Doch kann ich. Das ganze hier ist überflüssig, für mich.", sagte ich und stand auf. ,,Erfahre ich wenigstens wie du heißt?", fragte er mich plötzlich als ich gerade weg gehen wollte. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm. ,,Cher.", sagte ich und ging aus dem Aufenthaltsraum raus. Ich grinste leicht, da ich dachte, dass der Junge mir glaubte mit meinem unechten Namen. Wer dachte er wer er war? Dachte er, dass er mit seiner reinen Haut, seiner Größe und seinem Verhalten Freunde finden konnte? Also bei mir würde das nicht funktionieren. Ich merkte schon jetzt, dass dieser unbekannter Junge eine Nervensäge sein könnte. Ich kannte ihn kaum, aber das was er eben abgezogen hatte, sagte mir schon alles.
,,Ist was passiert?", fragte mich Kelsey plötzlich als ich mich auf mein Bett schmiss. ,,Pfff...irgend so ein Typ wollte mich kennen lernen.", sagte ich und starrte weiterhin die weiße Decke über mir an. ,,Weißt du wie er heißt?" ,,Nein, will ich auch nicht wissen.", sagte ich kalt. ,,Na gut.", sagte Kelsey und steckte ihre Kopfhörer wieder in ihre Ohren. Ich hatte gerade viele Gefühle in mir. Ich dachte wieder an Jonathan. Was hätte er wohl dazu gesagt, dass ich so kalt geworden bin? Was hätte er zu diesem unbekannten Jungen gesagt? Was hätte er überhaupt über diese ganze Situation gesagt? Sollte ich vielleicht doch in mein Tagebuch reinschreiben? Oder sollte ich Dianne alles erzählen? Ich hatte selber keine Ahnung was ich machen sollte. Für einen kurzen Moment wollte ich meine Mutter anrufen und sie fragen, was ich nun machen solle, aber ich hatte Stolz und wollte nicht mit meinen Eltern reden. Ich wollte, dass sie spüren, was sie mir angetan haben. Sie haben meine Aufmerksamkeit nicht verdient. Hörte sich zwar hart an, aber das war mir egal. Ich war doch kalt und emotionslos... ich hasste es, dass ich mich so verändert hatte.
Ich hasste mich. Ich hasste mein Leben.
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Hopeless
Novela JuvenilSie wollte sich nicht noch mal verlieben...sie konnte und wollte nicht und das auch noch in einer Klinik für depressive Teenager die nicht wussten wer sie sind und sich selber finden wollten und die ganze Menschheit hassten. *TRIGGER WARNING*