Ich war auf dem Weg zur Schule. Vertieft in meinen Gedanken. Wie sonst auch immer. Mein Blick war auf den Boden gesenkt. Ich setzte ein Bein vor das andere. Es war warm. Heute war der erste Schultag nach den Sommerferien. Nach sechs einhalb Wochen der Einsamkeit und Gedankenversunkenheit war es nun wieder Zeit für's lernen.
Ich war gespannt, aber auch ängstlich. Denn heute würde sich der neue Klassenlehrer vorstellen. Mit Veränderungen habe ich Probleme. Ich kann mich schlecht von alten Dingen trennen und trauer' ihnen lange nach. Natürlich hatte das seine Gründe...Nach einiger Zeit kam ich an der Schule an. Mein Herzschlag verschnellerte sich. Mit diesem Ort hatte ich in der Vergangenheit nicht unbedingt gute Erfahrungen gemacht. Ich bin ein sehr ruhiger und zurück gezogener Mensch. Daher habe ich keine Freunde. Meine mündlichen Noten sind immer grottig, weil ich mich nie melde.
Ich atmete einmal heftig ein und aus und begab mich ins Schulgebäude. Ich war eine der letzten, die in den Klassenraum kam und setzte mich somit auf einen der letzten freien Plätze. Hinten in der Ecke. Abgeschnitten von allen anderen. Wie sonst auch immer. Aber daran war ich selbst Schuld. Die meisten aus meiner Klasse kannten nicht mal meine Stimme.
Sie plauderten alle aufgeregt mit ihren Freunden. Vermutlich über die Sommerferien und, was sie dort alles erlebt hatten. Verteilt in kleine Grüppchen saßen sie im Raum. Ich packte mein Mäppchen und einen College Block aus und starrte auf die Tür. Bald würde der neue Klassenlehrer durch diese Tür gehen und sich uns vorstellen. Mein Herz trommelte wild gegen meine Brust. Die anderen schien dieses Thema ziemlich egal zu sein. Die meisten meldeten sich oft genug und kamen bei allen Lehrern gut an. Doch jemand, wie ich... Naja... Ich denke, jeder weiß, wie jemand, wie ich ankam. Jemand, der nie redet. Jemand, der zwar gute Noten schrieb, aber sozial nicht integriert war.
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, indem sich die Tür öffnete. Ein großer Mann trat herein. Er trug ein schönes Lächeln auf seinen Lippen. Am Pult angekommen stellte er sich uns vor:„Guten Tag liebe Klasse 9b. Ich bin Herr Koro. Dieses Jahr werde ich euer Klassenlehrer sein. Ich kenne euch leider noch nicht, daher würde ich jeden von euch bitten, ein paar Sätze über euch zu sagen. Erzählt mir sowas, wie euren Namen, eure Hobbys und und und.". Er fing vorne an.
„Ich bin Lisa. Ich tanze gerne und ich freue mich auf das neue Schuljahr", sagte die erste. Das ging dann so weiter. Je näher ich kam, desto schneller raste mein Herz. Ich wusste nicht, was ich über mich erzählen sollte. Mein ganzer Körper fing an zu schwitzen. Mir war abwechselnd kalt und warm. Die Minuten zogen sich, wie Stunden. Dann war ich dran. Mein Kopf wurde ganz heiß. Die Augen meiner ganzen Klasse waren auf mich gerichtet. Ich fing stotternd an:„Ich bin Fabienne. Ähhhm... Ich zeichne gerne...". Herr Koro hatte die ganze Zeit über ein Lächeln auf den Lippen. Dann ertönte ein lauter Ruf:„Wow, sie hat was gesagt". Die Klasse brach in Gelächter aus und mir war das alles so super peinlich. „Ruhe", sagte Herr Koro mit ruhiger Stimme, aber einem bestimmenden Ton. Die Klasse war von der einen auf die andere Sekunde leise. „Danke. Wer hat das gerufen?", fragte er. Niemand schaute Herrn Koro an. Niemand meldete sich. „Gut. Die Person, die das gerufen hat, soll sich angesprochen fühlen. Alle anderen aber auch. Nur, weil Fabienne eine ruhige Person ist, muss man sich darüber nicht lustig machen. Jeder Mensch ist anders. Statt sich zu fragen, wieso sie nichts sagt, sollte man sie vielleicht mal ansprechen und in die Klasse integrieren. Wenn ich so ein unangebrachten Kommentar noch einmal höre, dann muss ich härter durchgreifen. Ich möchte eine Klasse haben, wo jeder sich mit jedem gut versteht und jeder sich in der Klasse wohl fühlt". Keiner sagte etwas. „Ihr denkt jetzt vielleicht, dass ich ein strenger Lehrer bin mit dem man keinen Spaß haben kann, aber das stimmt nicht. Ich kann auch anders, wenn das Klima dementsprechend ist. Bitte habt jetzt keinen falschen Eindruck von mir und verurteilt mich nicht". Ich mochte ihn. Das ist komisch. Ich habe schon lange keine solche Sympathie für einen Menschen empfunden. Vielleicht habe ich mir die ganzen Gedanken umsonst gemacht. Vielleicht veränderte er mein Leben ins positive. In mir breitete sich ein Gefühl aus, was ich kann lange nicht mehr verspürt hatte. Freude.
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Introvertiert
Teen FictionFabienne ist eine sehr zurück gezogene Person. Lange schloss sie sich selbst aus, doch als das neue Schuljahr begann und sie ihren neuen Klassenlehrer, Herrn Koro, kennen lernt, ändert sich ihr Leben.