Kapitel 5 - Kopfgeldjäger

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Erren hielt ein Stück Fleisch über die winzige Flamme seines Feuers, als der Tag sich dem Ende neigte. Er hatte den restlichen Tag zum Schlafen genutzt und es war ihm gelungen, ein großes Wildschwein zu schießen.

Pferde aßen für gewöhnlich kein Fleisch, doch er war nicht wie die anderen Pferde. Vor allem im Winter, wenn das Futter knapp wurde, hielt er sich mit dem, war er erbeutete am Leben. Außerdem brauchte er das Leder und die Knochen, um seine Kleidung und Waffen aufzurüsten.

Er würde das gesamte Tier verwerten und damit das Leben ehren, das er genommen hatte. So, wie es bei Räubern Brauch war.

Auf dem Nachhauseweg von Kilgrim waren Erren ein paar Ausschreibungen des Königs auf die Köpfe von gesuchten Schwerverbrechern aufgefallen. Auf fast allen war sein Gesicht skizziert. Unauffällig hatte er einen von ihnen eingesteckt und mitgenommen.

»Für den Mord an mindestens ein Dutzend Dienstboten und einer ungezählten Anzahl an Rittern wird Erren, der Räuber, angeklagt. 200 Gulden erwarten denjenigen, der ihn vor den König bringt – tot oder lebendig!«

Erren schnaubte amüsiert und klebte das Flugblatt mit Baumharz an die Wand seiner Höhle, an der unzählige andere Ausschreibungen auf seinen Kopf hingen. Über die Jahre war die Summe der Entlohnung stetig gestiegen, doch zweihundert Gulden, so viel hatte Eirik noch nie auf ihn zu bieten gewagt.
Erren konnte es nicht leugnen, dass er ein wenig stolz auf darauf war.

Sein Lager lag leicht abseits des Weges zwischen Folksmorth und Kilgrim in Nähe der Alvarrsburg. Die Grenze, die im Osten der Königreiche lag, wurde von keinem weiteren Reich begrenzt. Dahinter lagen nur endlose Wälder.

Oft hatte Erren sich ausgemalt, dass er eines Tages ausziehen würde, um das unbekannte Land zu erkunden, doch er hatte noch eine Aufgabe zu erledigen, bevor er sich zur Ruhe setzen konnte.

Aber anstatt weiter in seinen Zukunftsträumen zu schwelgen, packte Erren nur seinen Trinkschlauch, sein Schwert, ein Seil und seine Armbrust zusammen, weil er sich auf den Weg zum Schloss machen wollte, um der Hofdame aufzulauern.

An dem Fluss, in den er den Boten gestoßen hatte, machte er kurz Rast, um zu trinken. Das kühle Wasser tat gut und ließ seine Erschöpfung der letzten Tage weit in die Ferne rücken.

Plötzlich jedoch, erregte ein Knacken hinter ihm seine Aufmerksamkeit. Mit einem Ruck sprang er herum und richtete die geladene Armbrust auf seinen vermeintlichen Verfolger. Doch da war niemand. Erren wich einen Schritt zurück und es knackte erneut, als ein Zweig von einem Baum in einer Entfernung von etwa zehn Pferdelängen fiel.

Verwundert blickte Erren hinauf in die Baumkrone und entdeckte ein Pony, das mit einer Armbrust auf einem dicken Ast saß und die Waffe auf ihn richtete. Ein Kopfgeldjäger. Erren erkannte diese gottlosen Bastarde auf eine Entfernung von tausend Pferdelängen. Er konnte sie förmlich riechen.

»Ich hätte nicht erwartet, dass du den Trick so schnell durchschaust, die meisten wären spätestens jetzt verängstigt davon gerannt, weil diese Idioten fürchteten, sie würden von einem Geist verfolgt werden!«, lachte das Pony in einem seltsam klingenden, harten Dialekt, ohne seine Waffe zu senken. Erren trat mehrere Schritte näher. Ein Pfeil löste sich aus der Armbrust des Angreifers und riss Erren seine eigene Armbrust aus dem Maul. Er hatte sein Druckmittel verloren. Sobald er sich nach seiner Waffe bückte oder sein Schwert zog, würde das Pony ihn sofort erschießen.

Der Kopfgeldjäger schoss einen weiteren Pfeil ab, der direkt zwischen Errens Hufen stecken blieb.

»Na komm schon! Tanz, du großer König der Räuber, sonst wird es zu einfach!«, lachte der Kopfgeldjäger hämisch und lud einen weiteren Pfeil in seine Waffe.

Erren - König der Räuber (8 Kapitel Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt