Leise wie eine Katze schlich sich Erren an den Hirsch heran. Aus den spitzen Enden seines Geweihs würde er wundervolle Messer schnitzen können. Das Leder würde seinen löchrigen Schwertgurt flicken und das getrocknete, gepökelte Fleisch würde ihn im nahenden Winter mehrere Wochen lang satt halten.
Erren legte die Armbrust an und zielte, da hob der majestätische Hirsch plötzlich den Kopf, witterte etwas und sprang davon. Mit einem wütenden Schnauben ließ Erren seine Waffe sinken und schnupperte ebenfalls. Feuer. Instinktiv wandte er den Kopf in Richtung seines Versteckes, das mehrere hundert Pferdelängen entfernt im Wald lag. Eine Rauchsäule stieg von dort zum Himmel.
Erren sprang sofort aus seiner Tarnhaltung auf und raste wie der Wind zu seinem Versteck zurück.
Als er zum Eingang seiner Höhle kam, wehten ihm dicke Rauchschwaden entgegen. Hustend bahnte er sich einen Weg in die enge Höhle hinein und deckte seine außer Kontrolle geratene Feuerstelle mit seinem Mantel ab, um sie zu löschen.
Als der Qualm sich etwas verzogen hatte, stellte Erren fest, dass seine Gefangene nicht mehr in der Höhle war und ihre Fesseln durchgewetzt am Boden lagen, wo er ihre Schlafstätte eingerichtet hatte.
Mit einem Anflug von Zorn und Panik ergriff er sein Schwert und stürmte aus der Höhle. Dort stieß er mit Farah zusammen, die mit einem Bündel Kräuter im Maul zurück gekehrt war.
»Was zur Hölle hast du angestellt?!«, entfuhr es ihm weitaus emotionaler, als er es vorgesehen hatte. Die Stute zuckte zusammen und ließ das Bündel Kräuter fallen. Dann legte sie die Ohren an und machte energisch einen großen Schritt auf ihn zu.
»Ich habe nur versucht, etwas anderes zu kochen, als der Fraß, mit dem Ihr mich täglich zu vergiften versucht!«
»Wie hast du es geschafft, deine Fesseln abzulegen?«, knurrte Erren und stieß Farah in die Höhle hinein. Sie trottete zu ihrem Schlafplatz, doch da entdeckte Erren auch schon den Pfeil, der ihr als Messer gedient haben musste.
»Wo hast du den her?«, schnaubte er zornig und hob den Pfeil auf.
»Gefunden«, schmunzelte Farah, »Und sie sind wesentlich schärfer, als ich erwartet hätte. Die Seile hatte ich damit in kürzester Zeit durch.«
Erren wandte sich ab, wunderte sich jedoch im selben Moment über diese merkwürdige Stute. War dieses Pferd wirklich die Hofdame, Farah von Keldor? Oder hatte er einen großen Fehler begangen? Aber sie musste es sein. Er hatte sie doch im Gästegemach gesehen. Sie musste es einfach sein!
»Du hast feuchtes Heu zum Anzünden verwendet«, schnaubte Erren trocken, »Wenn du das nächste Mal Feuer machen willst, dann nimm gefälligst das trockene Heu aus dem Lager!«
Erren deutete auf eine kleine Holzkiste, aus der einige trockene Halme hervor lugten. Die Stute nickte verwirrt.
»Ich bin übrigens Farah, falls ihr es nicht wissen solltet.«
»Ich habe nicht nach deinem Namen gefragt, weil es mich nicht interessiert und jetzt geh gefälligst zurück auf deinen Platz! Ich bin so kurz davor, dir mein Schwert in den Hals zu stoßen!«
»Das würdet Ihr nicht tun!«, schnaubte die Stute erschrocken, doch in diesem Moment sprang Erren mit seinem Schwert im Maul herum und richtete es auf Farah.
Er hatte jedoch nicht mit ihrer geschickten Reaktion gerechnet. Farah duckte sich, zog Erren mit einem ihrer Hufe die Vorderbeine unterm Körper weg und schnappte sich sein Schwert, als er stöhnend zu Boden ging.
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Erren - König der Räuber (8 Kapitel Leseprobe)
FantasiACHTUNG: Diese Geschichte ist verfasst als eine Art Fabel, in der alle Hauptcharaktere als Pferde dargestellt sind.Ihr Verhalten ist jedoch soweit vermenschlicht, dass die Story jederzeit auf Menschen umgeschrieben werden kann. Prinzessin Farah von...