Als Farah erwachte war die Höhle leer. Vor ihr stand ein Teller mit ein paar welken Waldkräutern, die sie mit trockener Kehle hinunter würgte. Das war auf jeden Fall nicht das beste Frühstück ihres Lebens gewesen. Ihr lief noch immer das Wasser im Mund zusammen, wenn sie an die herrlichen Früchte vom Vortag dachte.
Nach ihrem Frühstück hievte sie sich auf die Beine, legte ihren Mantel ab und trottete dann durch die enge Höhle bis zum Eingang. Sie steckte den Kopf hinaus und wurde vom Gesang der Vögel begrüßt. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als Farah eine Nachtigall entdeckte, die über ihrem Kopf sang.
Doch weit und breit war keine Spur von dem Räuber zu entdecken. Sollte sie es doch wagen und einen Fluchtversuch veranstalten? Farah zitterte bei dem bloßen Gedanken daran. Sie traute diesem Kerl alles zu.
Zwei weitere Schritte trat sie nach vorne und musterte interessiert das Laub am Boden. Eichenblätter. Eichen gab es nur im Osten zwischen Folksmorth und Kilgrim. Das hatte ihr Grindor in der Reichskunde beigebracht. Sie wusste nun also in etwa, wo Erren sie hingebracht hatte.
Plötzlich verstummte der Gesang der Vögel und Farah riss den Kopf herum. Über ihr auf der Klippe, in der Errens Höhle lag, stand der Räuber und beobachtete sie.
»Was macht Ihr denn? Ihr habt mich beinahe zu Tode erschreckt.«
»Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!«, knurrte Erren und kraxelte den steilen Abhang zu ihr herab. Er blieb direkt vor ihr stehen und musterte sie skeptisch.
»Wie eine Prinzessin siehst du nicht aus.«
»Und Ihr seht nicht aus, wie ein König!«, entgegnete Farah spitz, woraufhin Erren nur die Augen zusammen kniff und die Lippen aufeinander presste. Wortlos wandte er sich ab und trottete in die Höhle.
Ganz alleine ließ er die junge Stute draußen vor der Höhle zurück, was ihr nach kurzer Zeit ziemlich unangenehm wurde. Mit angelegten Ohren stolperte sie zurück in das Versteck und beobachtete, wie Erren Feuer machte.
»Wie funktioniert das?«, fragte sie neugierig und kam einen Schritt näher. Erren beachtete sie nicht und schlug mit voller Wucht zwei Steine aufeinander, bis ihnen ein Funke entsprang, der in ein Nest aus trockenen Gräsern hüpfte. Erren legte daraufhin die Steine zur Seite und begann vorsichtig Luft in das Grasbüschel zu pusten. Der Funke wurde zur Glut und aus der Glut schoss nach kurzer Zeit ein winziges Flämmchen hervor.
»Ich habe so etwas noch nie gesehen!«, hauchte Farah begeistert, »Es ist wirklich ein Wunder, wie man aus dem Nichts ein schützendes Feuer errichten kann.«
»Du redest ziemlich gerne, was?«, schnaubte Erren kühl, wandte sich ab und holte einen Topf aus einem Seitengang der Höhle, in den er ein paar alte, verbogene Pfeilspitzen warf. Er stellte den Topf ins Feuer und wartete.
»Was wird das?«, fragte Farah, doch wieder einmal erhielt sie keine Antwort.
Eigentlich meinte Farah, dass sie sich an die kratzborstige Art des Räubers gewöhnen würde, doch selbst drei Tage nach ihrer Gefangennahme hatte sich rein gar nichts an seinem Auftreten geändert.
Er behandelte sie nicht schlecht, doch er zeigte ihr mit aller Kraft, dass er sich auf kein freundliches Gespräch einlassen wollte.
Farahs Hoffnung begann langsam zu schwinden, doch sie wollte noch ein einziges Mal versuchen, sich mit dem Räuber gut zu stimmen. Mit einem frechen Grinsen blickte Farah zu ihrer Tasche, in der noch immer einer von Errens scharfen Pfeilen steckte, holte ihn hervor und begann mit der scharfen Spitze an ihren Fesseln zu sägen.
Eirik schritt im Thronsaal auf und ab, als Sir Brander, sein treuester Ritter den Raum betrat. Der pröchtige, alte Schimmelhengst trabte ihm erwartungsvoll entgegen, doch Sir Brander schüttelte nur mit dem Kopf.
»Nichts, Sire. Wir haben die umliegenden Wälder dreifach durchkämmt und die Katakomben durchforstet. Doch sie war nirgendwo aufzufinden.«
Eirik schnaubte erbost, warf sich auf der Hinterhand herum und trabte zum Fenster, um auf sein Dörfchen herab zu blicken.
»Diese Rotzgöre war sowieso nur zweite Wahl, doch wenn sie in meinem Königreich verschwindet, kann das enorme Probleme mit Malik von Keldor auslösen«, er wandte seinem Ritter über die Schulter hinweg den Kopf zu. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen!«
»Ich könnte Malik sagen, dass seine Tochter ein paar Tage Ruhe wünscht und wir die Hochzeit zu ihren Gunsten um eine Woche verschoben haben.«
»Dann schicke ich ihn nach Hause und in der Zwischenzeit weiten wir unsere Suchtrupps bis zu den Grenzen der anderen Königreiche aus. Bis er zu den Festlichkeiten zurückkehrt, werden wir sie bereits gefunden haben! Sir Brander, das ist genial!«
Der Ritter neigte unterwürfig den Kopf, als Eirik an ihm vorbei schritt. Der König öffnete ihm die Tür und bedeutete ihm damit, Malik die Botschaft sofort zu überbringen.
»Was sage ich Malik, wenn er seine Tochter zu sehen wünscht, Sire?«
»Sagt ihm, sie hat sich in ihr Zimmer eingeschlossen und verweigert jeglichen Kontakt zur Außenwelt!«
Sir Brander nickte und eilte dann davon. Eirik jedoch hatte bereits so ein Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Schlinge der Volksrevolte lag eng genug um ihn herum, warum musste diese Göre ihm ausgerechnet jetzt auch noch Ärger bereiten.
Eirik fühlte es in seinen Knochen. Erren hatte seine Hufe im Spiel und wenn er die werdende Königin in seinen Fängen hatte, dann war das sein sicheres Todesurteil. Eirik würde ihn finden und er würde ihm die schlimmsten Dinge antun, die sich ein Pferd nur vorstellen konnte, bevor er ihm den Kopf mit dem stumpfesten Schwert abhackte, das er nur finden konnte.
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Erren - König der Räuber (8 Kapitel Leseprobe)
FantasiACHTUNG: Diese Geschichte ist verfasst als eine Art Fabel, in der alle Hauptcharaktere als Pferde dargestellt sind.Ihr Verhalten ist jedoch soweit vermenschlicht, dass die Story jederzeit auf Menschen umgeschrieben werden kann. Prinzessin Farah von...