-18. Juni 2014-

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-18. Juni 2014-

In vier Minuten geschah es. Meine Gitarre war in meinen Armen, ich zupfte darauf rum und meine Stimme verlieh der Melodie einen besonderen Ausdruck. Ich sang eines meiner Lieblingslieder.

Meine Augen waren ohne Ausnahme die ganze Zeit geschlossen. Erst zu Ende des Stückes öffnete ich meine Augen, dann blickte ich auch schon in diese Augen.

Ich kannte sie.

Jeder kannte sie.

Es waren blaue Augen. Wundervolle, blaue Augen, in die man jede Sekunde versinken könnte. Ich verliebte mich sofort in sie.

Von der ersten Sekunde an.

So schnell hatte ich mich noch nie in jemanden verliebt, beziehungsweise in die Augen dessen. Doch hier passierte es.

Es ging einfacher als atmen; es war so natürlich.

Als ich schließlich von der Bühne runterlief, meine Gitarre abnahm, kam er her. Einfach so. Ich musste nicht erst nachdenken, was ich sagen könnte. Nein, er wusste es einfach, genauso, wie ich es wusste.

„Hey." Ich lächelte. „Hey." Auch er lächelte.

Das waren eigentlich die ersten Wörter, die wir miteinander wechselten. Und es würden auch nicht die Letzten sein.

Wir gingen miteinander aus dem Gebäude. Ich wusste nicht wieso, aber wir taten es. Wie als wäre es uns bestimmt.

Vermutlich taten wir es genau deswegen.

„Wie heißt du?", fragte er mich mit einem interessierten Blick. „Ich heiße Tianna." Ich lächelte. „Niall. Freut mich." Ein müdes Lächeln erschien. Schon wieder wusste ich, was genau zu tun war. Er fühlte sich wie ich. Müde, verloren und doch stark.

Schweigend liefen wir nebeneinander her. Was sollten wir auch groß reden?

„Tianna...", setzte Niall an, doch auch in dem selben Moment setzte ich ein mit „Niall...".

Ein Lächeln erschien auf unseren Gesichtern. Gleichzeitig. „Du zuerst." Erneut sprachen wir gleichzeitig, die gleichen Wörter. Ich deutete ihm schließlich, anzufangen.

„Weißt du, wer ich bin?" Seine Augen durchbohrten meine und ich nickte. "Ja, du bist Niall Horan. Bin ehrlich, ich mag eure Musik." Mein Blick traf den seinen. „Aber ich weiß weder, mit wem du zusammen warst, deine Größe, noch irgendetwas anders." „Vielleicht weißt du meine Größe ja bald." Er lächelte. „Vielleicht." Ich lächelte.

Zusammen liefen wir weiter. „Und wieso bist du hier in dieser Bar?" Sein Lächeln war gefroren, von einer Sekunde auf die andere und ich wusste genau, wie er sich wohl fühlen musste. „Ablenkung. Du?" Sein Blick glitt über mich. Ich lächelte, es war kein nettes Lächeln, es war ein emotionsloses. „Ablenkung."

„Wie lustig.", murmelte ich. „Der Megastar und ein armes Mädchen sind wegen der gleichen Sache in dieser alten Bar." „Bedaure ich." Er strich sich seine blonden Haare zurück und ich lachte leise. „Ich weiß; würde ja jeder bedauern. Auch ich." „Auch du."

„Wären wir jetzt noch dort drinnen, würde ich dich auf einen Shot zum Vergessen einladen, aber sorry, wir sind nicht mehr da." „Ach schade." „Ja, nicht wahr?"

„Also, was ist bei dir der Grund?" Ein fragender und interessierter Blick durchfuhr mich und ich zuckte unbeholfen mit den Schultern. „Meine Mutter ist tot und mein Vater ist pleite, ich muss Geld verdienen und ich brauche Ablenkung. Wie gesagt."

„Und was ist bei dir?" Ich wusste nun, was ich bei ihm machte. Meine fast grauen Augen durchbohrten ihn und er würde nichts anderes tun, als mir zu antworten.

Ein freudloses Lachen entwich ihm und in seinen Augen war ein kalter Schimmer zu sehen. „Ich wollte ein Mensch sein."

„Bist du doch." Ich schmunzelte, weil es so absurd war. Absurd, aber wahr; absurd, was er erzählte, aber trotzdem so wahr. Er wiederholte sich. „Ich wollte ein Mensch sein. Keine Puppe." Und irgendwie verstand ich ihn. Was sollte es für ein Leben sein, Tag für Tag nur wegen anderen auf der Bühne zu stehen, nichts mehr selbst entscheiden zu können?

„Als ob." Er lachte erneut, freudlos. „Das ist das erste Mal seit Monaten, dass ich ohne die Aufsicht von irgendjemandem draußen bin. Also freu dich, dass ich dieses Erlebnis mit dir teile."

„Mach ich, vielleicht."

Ich wusste nicht wie, aber irgendwann standen wir vor der Wohnung meines Vaters und mir und ich schloss auf. Im Wohnzimmer lag mein Vater, er schnarchte; in einer Hand seine Bierflasche. Mir war es egal.

„Komm mit." Ich schmunzelte leicht, wegen meinem Vater. Fast war es lustig, dass andere ihn so sahen. Also für mich. Die Blicke von den Leuten, die es das erste Mal sahen.

Aber mir war es egal. Solange er mich in Ruhe ließ und ich mein Leben leben konnte, war alles gut.

Zusammen mit Niall ging ich in meinen kleinen Raum. „Sorry, es ist etwas unaufgeräumt." Ich lachte. „Nicht, dass es mich stören würde." „Mich stört es ebenso wenig." Er grinste.

Wir lachten.

Das meiste, was wir taten, war einfach zu reden. Wir redeten, über Gott und die Welt, nicht wissend was wir sonst machen konnten. Aber es genügte.

Zusammen schliefen wir irgendwann auf meinem Bett ein und erwachten erst, als Nialls Handy laut piepste. „Ich glaube, du wirst gesucht." Meinte ich schläfrig und lachte. Auch er lachte und nickte dann. „Sieht so aus."

Wir ließen das Telefon Telefon sein und schliefen einfach weiter.

So ging das bis zum nächsten Morgen und als ich aufwachte, hinterließ ich Niall einen Zettel. Ich musste in die Schule, und ich erwartete nicht, dass er noch einmal kommen würde.

Wir hatten uns einmal gesehen und es würde dieses eine Mal bleiben.

Auf den Zettel schrieb ich:

„Niall.

Es war schön, diesen Abend mit dir zu verbringen, aber ich glaube nicht, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Frühstücke meinetwegen noch hier, wenn du aufwachst, und wir werden uns danach nicht mehr sehen. Ich gehe jetzt in die Schule. Mach es dir gemütlich hier, aber wenn ich zurück bin, bist du weg.

Solltest du irgendwann nach mir suchen, rechne nicht damit, dass ich genau hier bin.

Ich werde dann wohl weg sein, umgezogen, mit der Schule fertig.

Ich hoffe, du findest etwas oder jemanden, der dir wieder Leben einhaucht, mit dem du Spaß haben kannst. Ich wünsche es dir.

Bloß suche nicht nach mir. Es wird dir nichts nützen. Du weißt es selbst.

Sag mal deinen Bandkollegen schöne Grüße. Und wenn du irgendwann wieder an diesen Ort kommen solltest, geh in die Bar. Vielleicht erinnerst du dich an mich. Vielleicht kommt dann mein Lieblingslied. Das Lied, was ich gesungen habe, und wenn ja, dann erinnere dich an mich.

Viel Glück in deinem Leben noch, du wirst es brauchen.

Tianna."

Und damit schulterte ich meine Tasche, schnappte mir meine Gitarre und verschwand aus der Wohnung.

Und als ich dann später wieder zurückkehrte, war er verschwunden. Ich hatte es nicht anderes gewartet. Das einzige was ich tat, war, leicht zu lächeln und ihm alles Gute noch zu wünschen. Niall war einer der Guten, er verdiente Gutes.

Aber treffen würde ich ihn nicht mehr, und er mich nicht mehr.                       

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