Am darauffolgenden Tag habe ich kaum die Kraft aufzustehen. So tat ich es auch nicht. Am Abend schnappte ich mit ein Buch und fing an zu lesen, bis ich laute Stimmen höre.
Von unten aus der Küche höre ich einen lauten Streit mit. Es ist immer das Selbe. Mein Vater schreit meine Mutter an.
"Das kanns doch nicht sein! Ihr macht nichts! Nichts macht ihr hier! Es ist so viel was ich hier machen muss! Jetzt wollt ich heut eigentlich nochmal nach einem Auto gucken! Aber jetzt ist es schon wieder 20 Uhr! Ach was rede ich da! 21Uhr!"Daraufhin folgt eine kurze Unterbrechung. Aber ich weiß, dass es gleich weiter geht.
"MARLEN! Du musst machen! Der Spiegel vorne am Auto passt nicht! Fehler auslesen, mal auslesen! Aber das muss ja auch alles ich machen! Ich hab das Auto gebaut, 6,5 Stunden muss ich jetzt nacharbeiten! Dann hab ich Fahrzeit! 5 Stunden fahr ich ja schon. Wie soll ich das denn alles schaffen?! Wenn mein Auto kaputt wär, dann könnt ich vielleicht mit dem Radl auf die Arbeit fahren, aber das habt ihr mir ja auch versaut! Nix kommt rüber hier! Nichts schafft ihr mal allein! NICHTS! Alles bleibt an mir hängen! Ich bin doch für euch nur der muli. Nur alte Klamotten hab ich! Die Kinder bekommen da ja noch was besseres!"
Meine Mutter nimmt, wie immer, alles ohne Widerspruch entgegen. Sagt immer Ja. Wie mich das ankotzt. Immer den Schwanz einziehen, nie für seine Meinung einstehen. Letztens sollte ich am Sonntagabend um 23 Uhr noch anfangen die Küche aufzuräumen. Dabei war sie gar nicht unaufgeräumt. Aber das kann ich ihm ja schlecht sagen. Dann flippt er nur noch mehr aus und ihm das Gefühl vermitteln, dass einem das alles egal ist, hab ich auch schon versucht. Hilft nicht. Macht alles nur noch schlimmer.
"Marco, jetzt kommst du mal runter. Jetzt fängst du abends um 10 an so Unruhe zu verbreiten. Sie mzss morgen wieder in die Schule", hat sie da gesagt und er ist voll ausgerastet. Letztendlich musste ich trotzdem alles auf Hochglanz polieren. Dennoch war ihr Einsatz für mich erwähnenswert, da es solche nicht so oft gibt. Meistens werden negative Kommentare über mich einfach nur ignoriert oder selbst ausgesprochen.
Sie hat sich für mich eingesetzt. Jetzt muss ich mich für sie einsetzen.Doch als ich die Treppe runter gehe, höre ich schon wieder den nächsten Vorwurf.
"Die Kinder machen einem alles kapput! Die zerstören einem echt das Leben! Fetten nur das Geld ab und machen nicht mit! HELFEN NICHT MAL! Jetzt hör mir doch mal zu, wenn ich was sage!"
Von meiner Mutter kommt ein leises Ja.Jetzt ist es um meine Fassung geschehen. Auch wenn ich mir das schon paar mal angehört habe, zerbricht in mir immer wieder was. Er meint es ernst, so wie er immer alles ernst meint. Das ist mir schon länger bewusst.
Als ich 9 Jahre alt war, habe ich mich an der Lampe gestoßen. Nicht dass er gefragt hätte, wie es meinem Kopf geht. Er hat nur wieder seinen strengen, vorwurfsvollen Ton eingeschlagen und gemeint, ich soll auf seine Lampe aufpassen, weil diese teuer war.
Fühlt sich echt gut an für eine Tochter, dass von ihrem Vater zu hören. Gut, ich kenne ihn als Menschen eigentlich kaum. Er war immer weg. Immer arbeiten. Schon immer weiter Arbeitsweg. Als wir dann umgezogen sind, fing für mich die Hölle an.
Im alter von 10 Jahren sollte ich unten alles aufräumen, obwohl ich krank war, während mein Bruder oben in seinem Zimmer Lego gespielt hat. Dabei ging es mir echt schlecht. Toll. Da fühlt man sich richtig gut. Außerdem ist es bei uns daheim nicht wirklich dreckig. Natürlich auch nicht blitz blank sauber. Wir leben halt und da ist nicht alles steril. Es ist normal. Wie in jeder anderen Wohnung auch.Ein paar Stufen fehlen mir noch. Die Wut und der Hass in mir steigen. Die Tränen brennen mir in den Augen. Wenn ich wieder hoch gehe, brauche ich unbedingt Zucker. Ich darf jetzt nicht weinen. Nicht vor meinem Vater, nicht vor meiner Mutter. Ich muss stark sein. Ich muss funktionieren. Ich muss beweisen, dass ich es wert bin auf der Welt zu sein, dass ich auch ein Mensch bin, dass ich auch Rechte habe. Dass ich genauso viel wert bin, wie jeder andere auch. Dass man mich auch lieben kann. Und mir selber muss ich noch einbilden, dass ich geliebt werde.
Ich mache die Küchentür auf und gehe hinein. Mein Vater steht am Küchentisch. Meine Mutter sitzt. Es zeigt sich ein Bild, wie aus frühren Zeiten. Die Machtverteilung und der Sexismus dind klar zu sehen. Kein Wunder, dass ich von meinem eigenen Vater und Bruder schon mal als Schlampe beschipft wurde oder beim Essen immer nur die Fette oder Dicke genannt werde. Dabei wiege ich keine 100 kg. Natürlich kann und muss was weg, aber den Namen habe ich trotzdem nicht verdient. Die beiden wissen gar nicht, wie sehr sie mich verletzten.
"PAPA, JETZT REICHTS! ICH HAB DIR DEIN LEBEN NICHT ZERSTÖRT! DAS SCHAFFST DU SCHON SELBER! LASS MICH DOCH EINFACH NUR IN RUHE!"
Jetzt brennen mir die Tränen so sehr in den Augen, dass ich sie kaum noch aufhalten kann. Erinnerungen kommen hoch. Schlechte Erinnerungen. Mein Vater baut sich vor mir auf.
"WER HAT DIR GESAGT, DASS DU DICH EINMISCHEN SOLLST?! SOLANGE DU IN DEM ZIMMER WOHNST UND DIE RÄUME NUTZT, DIE ICH BEZAHLE, MACHST DU GEFÄLLIGST DAS, WAS ICH DIR SAGE! HABE ICH MICH DA DEUTLICH GENUG AUSGEDRÜCKT?!"
"JA, DAS HAST DU! ABER DAS GIBT DIR NOCH LANGE NICHT DAS RECHT MICH SO ZU BEHANDELN ALS WÄRE ICH DRECK! IRGENDEIN ZUFALLSPRODUKT, DASS WEDER DIR NOCH SONST WEM WAS NÜTZ UND VON NIEMANDEM GEWOLLT IST!"
Sobald ich das aus mir raus geschrien habe, wusste ich, dass ich es übertrieben habe. Der starke Griff um meinen Oberarm bestätigte mir das.Hallo,
jetzt mal ein etwas anderes Kapitel, aber trotzdem sehr wichtig, um die Handlung der Sophie später richtig zu verstehen. Hoffe, das wird mir gelingen.
Viele Grüße
Eure Olivia
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The Secret Of Live
RomanceKeiner versteht dich und du bist am Ende? Hast keine Lust mehr so weiter zu machen wie bisher? Genau so geht es Sophie. Ihre Welt besteht aus Träumen. Doch was wird sie dagegen tun? Sophie ist mehrmals umgezogen, hat nirgends eine Heimat, ein Zuhau...