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Jeden Abend spielte ich in dem Hotel, das mein Zuhause geworden war. Ich verdiente genug Geld und begann langsam wieder richtig glücklich zu werden.
Das einzige, was mir noch ein wenig Sorgen machte, war Eleanor's Mum. Sie saß jeden Abend auf demselben Sofa in derselben Ecke und beobachtete mich still.
Nach meinem heutigen Auftritt, beschloss ich, mich mal mit ihr zu unterhalten. Man konnte ja nie wissen, wen man hier noch alles kennenlernte.
Lächelnd ging ich auf sie zu, doch sie blickte mich nur starr an, ohne eine Reaktion zu zeigen.
„Harry!" Ich blieb stehen und drehte mich um. „Komm, ich lade dich auf einen Drink ein!"
„Ja, ich komme gl..."
„Jetzt, ich muss heute früher nach Hause."
Mit einem letzten Blick zu der Frau, die mich immer noch anstarrte, als wäre ich ein Marsmännchen, folgte ich Eleanor zur Bar.
„Sag mal, wieso sitzt deine Mutter eigentlich jeden Abend hier?", fragte ich, als wir uns setzten und Eleanor uns zwei Sherry Woods bestellte.
„Sie ist nun mal gern hier und hört dir zu."
„Kann ich mich mal mit ihr unterhalten?"
„Was willst du denn sagen?"
„Keine Ahnung. Wieso ist das wichtig?"
„Sie wird nicht mit dir reden wollen."
Ich starrte immer noch auf mein Getränk, das noch genauso voll war wie vorher. „Warum?"
„Weil ihr Sohn sie vor fünf Jahren verlassen hat."
Ich blickte auf und sah Eleanor an. Wenn hier gerade das passierte, was ich dachte, wäre ich am liebsten niemals zurückgekommen.
In diesem Moment setzte sich jemand neben mich. Ich drehte mich um und sah direkt in die Augen meiner Mutter, die Eleanor's so ähnlich sahen. Oder sollte ich eher sagen Lucia?
„Warum hast du mir nicht gleich gesagt, dass ihr mich gefunden habt?", fragte ich an meine Schwester gewandt.
Doch sie zuckte nur unbeeindruckt mit den Schultern. „Vielleicht wärst du ja gleich wieder abgehauen."
Ja, da hatte sie Recht.
„Kommst du wieder nach Hause?", fragte meine Mutter nach einer Weile.
„Bestimmt kommt er wieder nach Hause."
Ich drehte mich um und sah, wie Richard einen Arm um meine Mutter legte. „Dad?"
„Mein Sohn."
Völlig perplex starrte ich auf das immer noch volle Glas vor mir. Bitte, mein lieber Freund, hilf mir. Einem Sherry Wood konnte so etwas nicht passieren, oder?
„Weißt du eigentlich wie viele Sorgen wir uns gemacht haben?" Ich sah zu Eleanor. „Wir haben sogar Dad angerufen."
„Zum Glück. Sonst hätte ich nie zu meiner Frau zurück gefunden", meinte Dad grinsend.
„Hast du uns nicht verlassen?"
„Doch, aber damals wusste ich noch nicht, dass das ein riesen Fehler war."

Ihr fragt euch jetzt bestimmt, wie ich es geschafft habe, einfach von zu Hause abzuhauen. Das weiß ich ehrlich gesagt selbst nicht so genau. Ich wollte nicht mehr zur Schule, meine Eltern warn den ganzen Tag arbeiten und auf die Hilfe meiner Schwester hätte ich mich sowieso nicht verlassen können. Doch jetzt, nach ganzen fünf Jahren, merke ich, wie sehr sich doch Menschen verändern können. Wie sehr sie sich zum Guten wandeln können und wie wichtig ich ihnen eigentlich war. Auch, wenn mir das diese Menschen nie gezeigt haben. Sogar bei meiner Beerdigung waren sie alle da. Meine ganze Familie. Hätte ich doch nicht zurückkommen sollen? Vielleicht wäre ich dann wo anders von einem Truck überrollt worden? Ich weiß es nicht. Und ich will es auch gar nicht wissen. Denn ich bin glücklich gestorben.

Harold Dempsey

28.02.1957 – 31.10.1978

Harold DempseyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt