Es war ein langer und anstrengender Ritt. Sie wollte schnell Distanz zu ihrem Bruder gewinnen, also ritt sie die ganze Nacht durch, ohne Pause. Sie kannte den Weg in und auswendig, schließlich hatte sie Gwaine in Camelot früher öfter besucht. Und in ihrer Kindheit hatte sie dort oft bei Morgana reingeschaut, bis diese ihre Heimat verlassen hatte.
Sie wusste genau, an welchem Bach sie Rast machen und durch welchen Wald sie reiten konnte. Sie machte nur kurze Pausen, schlief fast gar nicht.
Nach zwei Tagen überquerte sie die Grenze von Arthurs Königreich. Von hier aus konnte es nicht mehr weit zum Schloss sein. Sie sah schon am Horizont seine Türme.
Plötzlich raschelte es neben ihr. Nur ein Vogel, dachte sie, ritt jedoch etwas schneller. In der Ferne tauchten drei Männer auf. Zerlumpte Kleidung, dreckiges Grinsen.
„Sieh mal einer an", rief der Linke „was für einen heißen Fang wir gemacht haben."
Ihr wurde schlecht. Sie wollte gar nicht wissen, was die Kerle mit ihr vorhatten. Sie ritt einfach stur weiter auf die drei zu, ignorierte sie in der Hoffnung, sie würden beiseite laufen. Hauptsache, sie in Ruhe lassen.
Doch so kam es nicht. Als Brianna nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt war und langsam ernsthaft in Erwägung zog, einen Schlenker zu reiten, damit niemand verletzt wurde - denn die Herren machten keine Anstalten, zur Seite zu weichen - da zog der Mittlere ruckartig sein Schwert aus der Scheide und hielt es in ihre Richtung. Von der schnellen Bewegung erschrocken, bäumte sich ihr Pferd auf und sie fiel auf den harten Waldboden. Einen Moment lang wurde alles schwarz, doch dann sah Brianna die drei Männer sich über sie beugen. Je mehr sie gröhlten, desto panischer wurde sie. Immer wieder fassten sie sie an. Brianna trat und schlug um sich, doch sie hatte keine Chance. „Wie ist dein Name, Süße?", fragte der Linke und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Ich wüsste nicht, was Euch das angeht", versuchte sie möglichst schlagfertig zu antworten.
„Hey, die Kleine hat Feuer unter'm Hintern!"
Seine Freunde lachten zustimmend.
„Komm! Jetzt hab dich doch nicht so." Langsam kam er näher und sein strenger Geruch verschlug ihr den Atem. Als er sich zu ihr runterbeugte und anfing, ihr Kleid aufzumachen, fiel er plötzlich mit rollenden Augen neben Brianna auf den Boden. Genau wie seine zwei Freunde.
Sie gaben den Blick auf einen schlaksigen jungen Mann mit schwarzen Haaren frei, der mit einem dicken Ast dastand. Er warf ihn weg und hielt ihr jetzt, freundlich blickend seine Hand hin. Sie zögerte kurz, doch dann nahm sie sie lächelnd an und sagte: „Danke. Ich heiße Brianna."
„Ich bin Merlin."
Hastig und mit rotem Gesicht knöpfte sie ihr Kleid wieder zu.
Sie fingen das Pferd ein und gingen dann nebeneinander her, Richtung Camelot. Brianna zeigte mit der Hand auf das Schloss und fragte: „Wohnst du dort?"
Merlin schmunzelte und erwiderte: „Ja. Ich bin der Diener des Königs."
„Keine leichte Aufgabe, oder?"
„Nein, das ist es wirklich nicht. Und du? Was führt dich hierher?"
Es war merkwürdig, aber Brianna hatte das Gefühl, dass sie ihm vertrauen und alles erzählen konnte. Sie wollte gerade anfangen, da ertönte eine Stimme: „Merlin! Wo bleibst du denn so lange?"
„Arthur", sagte Merlin entschuldigend. „Ich muss jetzt los. Sehen wir uns mal?"
„Bestimmt", rief sie ihm hinterher, während er zwischen den Bäumen verschwand. Sie lächelte verträumt. Für einen ganz kurzen Moment hatte Merlin ihr die Trauer genommen, die auf ihr lag wie ein schweres Tuch.
DU LIEST GERADE
Merlin und das verfluchte Kind
FantasyDer Sohn von Gwaines Schwester wird verflucht und nur einer kann ihr helfen: Emrys. Mit der Hilfe ihres Bruders macht Brianna sich auf die Suche nach ihm und ahnt nicht, welcher Gefahr sie sich dabei aussetzt. Wem kann sie vertrauen und wer spielt e...