9 - Epilog

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9. Kapitel: Epilog

Liyu fiel auf, wie still der Gang hinter ihr geworden war. Erst nun bemerkte sie, dass Kurai ihr bereits nicht mehr folgte. Sie wusste nur einen Ort, wo sie nun sein könnte. Ihre Füße trugen sie durch den langen Gang, gerade weg zum Ausgang. Liyu war in Panik, denn wer weiß, was Kurai in den Sinn gekommen sein könnte, diesen Weg genommen zu haben. Die Dielen des Bodens knarrten und bogen sich unter ihr. Sie atmete tief ein und rannte. Sie rannte immer schneller doch sie hörte ein Knacken unter ihren Füßen. Mit lauten Knacken brach der Boden. Im Fall krallten sich ihre Finger tief ins Holz und mit aller Kraft zog sie sich nach oben. Sie hätte um Hilfe rufen können, doch wäre keiner gekommen. Alle hatten sich, um sich vor den Attacken des Tieres zu schützen, in ihren Zimmern versteckt. Auch Liyu hatte keine Zeit daran zu denken, denn musste sie sich nun selbst aus ihrer Lage befreien.

Als sie es geschafft hatte sich vollständig nach oben zu ziehen und wieder auf festen Boden stand, sprintete sie weiter. Sie musste den Ausgang erreichen. Sie könnte es nicht über ihr eigen Herz bringen, würde sie noch eine Freundin verlieren. Misaki zu verlieren, gab ihr ein schweres Schuldgefühl. Nicht zuletzt, da sie sich an keinerlei Momente ihrer Kindheit erinnern konnte. Für einen Moment hielt sie inne und atmete. Sie spürte wie die Luft in ihre Lunge floss und schloss die Augen. Sie hörte, wie der Wind etwas metallisches herumblies und sie roch den Geruch von Essen aus der Küche. Sie öffnete die Augen und lief entschlossen mit schnellen Schritten weiter. Sie wollte Kurai finden und mit ihr weg zu rennen, einen sicheren Ort finden. Nicht noch einmal wollte sie ihr Herz schwerer wiegen lassen und sich mit dem Gedanken quälen, dass es wohl ihre Schuld gewesen war.

Liyu schlug die Tür zum Hof auf. Sie erblickte die Weißhaarige sehr schnell in der nächsten Nähe des Tieres. »Kurai! Hör auf! Bitte komm wieder zurück. Es wird dich verletzen. Kurai, tu uns nicht auf diese Art weh. Bitte nicht so. Lass uns heimgehen, denn dort sind wir in Sicherheit. Ich will niemanden verlieren. Ich wollte nie jemanden verlieren. Nicht dich, nicht Misaki und auch nicht meine Mutter. Du weißt nicht, wie tief die Wunden aufreißen.« Doch Kurai reagierte nicht auf Liyu's Worte. Sie ging immer näher an das knurrende Tier zu. Die Weißhaarige kniete sich zu Boden und streckte ihre Hand zu dem Tier. »Wir sind beide das selbe. Eigentlich wollten sie uns nicht. Sie wollen uns auch nicht hier. Nein, sie wollen uns tot. Wir passen nicht an diesen Ort. Sie meinen, wir bringen ihnen Schaden, doch wollen wir nur überleben. Nicht war, mein kleiner Freund? Komm her, vertrau mir.« Das Tier zeigte leichte Abneigung zuerst, doch dann kam es ihr näher. Sie strich sanft über das weiche Fell des Tieres.

Im Haus lud Ella das Gewehr. Sie konnte es einfach nicht ruhig schlafen, seitdem sie wusste, dass ein Wolf sein Unwesen in der Gegend trieb. Mit dem Gewehr, welches sie sich umhing, lief sie auf einem Weg auf den Hausdächern entlang. Als sie ein Haus mit geeigneter Sicht fand, lauerte sie dort. Schon bald erblickte sie das Tier. Sie richtete die Waffe auf es und sah zum Himmel. Die Wolken wurden dunkler. Vermutlich würde es bald regnen. Sie schüttelte den Kopf und zielte erneut auf Wolf. Ihr Finger zuckte bereits auf dem Auslöser. Sie sicherte sich noch einmal ab, dass sie es treffen würde und schoss.

Ein erster und auch letzter, lauter Schuss fiel. Große, weiße Flocken fielen vom Himmel und bedeckten schon bald den Boden. Vom Fell des Tieres tropfte Blut, welches nun letzt endlich den Schnee rotfärbte. Liyu fiel auf die Knie, verdeckte ihr Gesicht mit ihren Händen und schüttelte den Kopf. Hinter ihr traten Miss Nemoto und Valerie aus der Tür. Valerie leg Liyu eine Hand auf die Schulter und Liyu umarmte sie. Die Schneeflocken fielen in ihre Gesichter und Liyu bemerkte nun, dass die Kälte den Schmerz auch nicht lindern konnte. Alle miteinander gingen sie näher zur Quelle des Blutes. Sie schlossen ihre Augen und trauerten um jene besondere Person, die sie alle geliebt haben und nun nie vergessen werden: Kurai. 

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