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4 - Die Flucht

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„IDA!"

Ich wünschte, ich wäre Dornröschen und könnte für hundert Jahre die Augen geschlossen halten. Mein Körper war schlaff wie ein Regenwurm. Selbst meine Augenlider schafften es nicht, meinen Pupillen eine freie Sicht zu geben.

„IDA!"

Ein brennender Schmerz breitete sich auf meiner Wange aus.

„Bist du bescheuert?", fand ich meine Sprache wieder und richtete mich schlagartig auf. Meine Muskeln erinnerten sich wieder an ihre Aufgaben. „Hast du mir gerade eine geknallt?"

Noch nie hatte ich in Sophias Gesicht so etwas wie Blässe erkennen können – dazu war ihr natürlicher Teint einfach zu dunkel – doch nun war ihre Haut erschreckend blass. Ihr Blick war musternd auf mich gerichtet. Für eine Weile sahen wir uns still an. Während ich meine Hand kühlend auf meine Wange legte, versuchte mein Gehirn einen sinnvollen Bezug aus den Ereignissen zu erstellen.

„WO WARST DU?", durchbrach Sophia unerwartet die Stille und sah dabei aus, als wäre sie von einem Dämon besessen.

Konnte sie sich vielleicht mal einen Stressball besorgen, anstatt mich als solchen zu missbrauchen?

„Schrei nicht so!"

Sie atmete einmal tief ein und wieder aus um sich offenbar zu sammeln.

„Wo warst du?", wiederholte sie es in einem deutlich ruhigeren Ton und schien um Selbstkontrolle bemüht.

Ich runzelte nachdenklich meine Stirn.

„Ich–", begann ich, stockte dann aber.

Wo war ich denn gewesen?

„Du warst einfach weg", flüsterte Sophia und Tränen standen ihr in den Augen. So ganz begriff ich die Situation noch immer nicht. „Du hast die Taschenuhr in der Hand gehabt und irgendetwas gedrückt und dann warst du plötzlich weg. Es war verrückt. Ich meine, du bist doch nicht wirklich in der Zeit gereist, oder? So etwas geht doch gar nicht! Aber man kann auch nicht einfach so verschwinden. Also sag mir bitte, was los war? Ich bin hier in den letzten Minuten nämlich durchgedreht."

Sophia ließ sich auf den Boden sinken und lehnte sich gegen die Regale. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie mit dem Nerven am Ende war. Selbst ihre Haare waren vollkommen außer Kontrolle geraten und standen in alle Richtungen.

Ich starrte derweil ins Leere, während vor meinem inneren Auge ein blonder gutaussehender Junge erschien.

„Ich war im Krieg", kam es über meine Lippen, ohne dass ich darüber nachgedacht hatte.

Erinnerungen kamen zurück.

„Krieg? Was für ein Krieg?", stotterte Sophia.

Nur langsam begriff ich, dass ich offenbar wirklich in der Zeit gereist war. Die Begegnung mit Adam wirkte zu real, um nur ein Traum gewesen zu sein. Ich war tatsächlich dort gewesen. Ich war in der Zeit gereist. Das war keine Illusion. Dieser Fall ins Schwarze, das Gefühl zusammengedrückt zu werden: Das war alles Teil einer Zeitreise gewesen. Georg Freimann von Hissenburg war offenbar der erste Mensch auf dieser Welt, der es geschafft hatte eine Methode zu entwickeln, mit der man in die Zeit reisen konnte.

„Der Zweite Weltkrieg", antwortete ich mit einem Kloß im Hals. „Ich war dort."

„Um Gottes Willen! Ein Glück, dass du noch lebst!"

Ich nickte.

Ja, ich lebte, aber was war mit Adam? Sein Gesicht ging mir nicht aus dem Kopf. Er hatte so ein vertrautes Gesicht gehabt.

Vor meiner ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt