Ich warte bis die Dämmerung einbricht bevor ich meine Augen endgültig öffne. Ich habe den Tag über nicht wirklich geschlafen, nur ein bisschen gedöst. Gähnend schwinge ich mich aus dem Bett. Fuck. Ich muss vollkommen wach sein wenn diese Mission etwas werden soll. Erhöhter Schwierigkeitsgrad. Wegen Chessie, Zombeys Freundin. Ich fahre mir durch die zerzausten Haare und greife mit der linken Hand nach einem angefangenen Energydrink vom Schreibtisch. Die Tücher, die vom Handgelenk bis zu den Fingerknöcheln lose um meine Hände gewickelt sind, werden vom Kondenswasser der kalten Dose feucht. Ich wische mir über den Mund und werfe die leere Dose zerdrückt in den Mülleimer. Immer noch verplant ziehe ich meine schwarzen Laufschuhe an. Die Söldner bevorzugen bei unseren Einsätzen die Kampfstiefel, die uns extra zur Verfügung gestellt werden. Aber die sind ziemlich klobig und ich bin nicht der Meinung das man sich noch zusätzliches Gewicht aufbürden muss, vor allem nicht wenn man eventuell schnell fliehen muss. Auch wenn ich das nicht vorhabe. Weglaufen ist was für Weicheier. Ich fahre kurz mit den Fingern durch meine roten Rastas und binde sie zu einem Zopf zusammen. Als letztes nehme ich noch meine Jacke vom Haken und stoße dann die Tür mit dem Fuß auf. Der Gang ist ruhig, die Söldner müssen sich schon unten versammeln. Entgegen meinem eigentlichen Plan schlage ich nochmal den Weg zur Krankenzelle ein. Paluten schläft. Erst will ich wieder gehen, dann bemerke ich seine knallroten Wangen und seine schweißnassen Klamotten. Hat er wieder Fieber? Nervös sehe ich mich um. Keine Wachen. Die Zelle ist sowieso gesichert genug. Eigentlich sollte ich gehen, ich habe schon genug seltsame Dinge in den letzten 24 Stunden getan. Andererseits fällt eine weitere seltsame Sache da auch nicht mehr auf. Oder? Genervt seufzend schließe ich die Zelle auf, schlüpfe hinein und verschließe sie schnell wieder. Ich knie mich leise neben ihn und fühle seine kochend heiße Stirn. Er bewegt sich unruhig im Schlaf. Ich erhebe mich und fülle einen kleinen Becher mit Wasser aus dem Eimer in der Ecke. Mit Schwung schütte ich im den Eimer über den Kopf. Er schreckt hoch und will schreien aber meine Hand legt sich blitzschnell über seinen Mund. Er braucht einige Sekunden bis er mich erkennt. Ich nehme meine Hand weg. "Was...?", fängt er an aber ich lege einen Finger über meine Lippen und mache "Psht". "Selber Psht", murmelt er und ich weiß im ersten Moment nicht was ich bei solcher Dreistigkeit erwiedern soll. Schließlich entscheide ich mich den Kommentar zu ignorieren. Nett von mir.
Er sieht mich etwas verwirrt an und ich flüstere ihm zu: "Du hast Fieber. Soll ich nen Arzt holen oder kommst du zurecht wenn ich dir ne Tablette gebe?" Keine Ahnung warum ich ihm die Wahl lasse. Eigentlich könnte ich ihn auch verrecken lassen. Aber wenn er für den Maskenmann so wichtig ist... "Tablette reicht. Keinen Arzt!", antwortet er hastig und ich ziehe eine Augenbraue hoch. Er wendet den Blick ab. Ich belasse es ausnahmsweise dabei und öffne die Zellentür. Er beobachtet mich vom Boden aus dabei und ich zische ihm zu: "Keinen Mist machen". Dann verschwinde ich auf dem Gang, die Tür lasse ich offen. Der Medikamekasten hängt um die Ecke, rechts neben dem Verbandskasten. Ich streiche mit dem Finger über die Etiketten bis ich das richtige Mittel gegen Fieber und Schmerzen finde. Es ist nicht so stark wie das erste, er wird nicht einschlafen nur ein bisschen müde sein. Vorrausgesetzt er hat keine Mist gebaut und ist abgehauen. Aber als ich zurück in die Zelle schlüpfe sitzt er immer noch da auf dem Boden. Braver Junge. "Hier", sage ich und werfe ihm die Tablette zu. Er ist zu langsam und sie fällt ihm in den Schoß. Mit verärgert gerunzelter Stirn hebt er sie auf und befreit sie aus der Verpackung, während ich ihm den Becher mit Wasser fülle. Ich strecke ihm die Hand mit dem Becher hin und er zögert nur ganz kurz, bevor er ihn an sich nimmt. Er nimmt die Tablette in den Mund und spült sie mit dem Wasser runter. Den Rest lässt er auf seine Hand tropfen und fährt sich damit durchs Gesicht. Als er bemerkt, dass ich ihm dabei zusehe stellt er den Becher ab. "Noch was?", fragt er und ist dabei wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, bei dem das nicht unfreundlich klingt. "Nein das wars. Ruh dich lieber aus bevor die nächsten kommen, dann hast du vielleicht keine Zeit mehr dazu". Ich lasse es wie eine Drohung klingen und die Wirkung zeigt sich sofort: Er wird noch blasser und rutscht etwas von mir weg, wobei er schmerzerfüllt aufstöhnt. Ich runzle erneut die Stirn und gehe neben ihm in die Hocke. Ich bin so schnell, das er keine Chance hat wegzurutschen, bevor ich sein Shirt hochziehe. Die Naht hat sich nicht entzündet, die Rötung nur noch leicht zu sehen. Das kann es nicht sein. Ich blicke ihm auffordernd in die Augen. Er beißt sich auf die Wange und ich sehe genau wie ungern er mir zeigen will, was ihm Schmerzen bereitet. Dann dreht er sich um und zieht sein T-Shirt über den Kopf. Sein Rücken ist mit roten Kratzern und blauen Flecken übersäht. Ich streiche darüber und er zuckt zusammen. Einige von den Kratzern sehen frischer aus als die anderen. Jetzt verstehe ich auch warum er keinen Arzt wollte. Höchstwahrscheinlich hat er hier schlechte Erfahrungen damit gemacht. Ich seufze. Immer muss ich mich um solchen Mist kümmern. Das ist doch lächerlich. Wenn der Maskenmann Befehl gibt die Gefangenen weder zu töten noch zu stark zu verletzen, kann man ja wohl annehmen das zumindest die Ärzte sich daran halten. Aber nein, heutzutage ist ja auf niemanden mehr Verlass. "Und?" Palutens zittrige Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. "Nur ein paar Kratzer", gebe ich mürrisch von mir. "Hat er gesagt wie er heißt?", frage ich als er nach seinem Shirt greift. Ich hocke immer noch neben ihm, die Unterarme auf die Oberschenkel gestützt und auf den Zehenspitzen balancierend und sehe wahrscheinlich nicht mehr allzu beängstigend aus, oder er hat einfach entschieden sich mir anzuvertrauen, was auch immer, jedenfalls antwortet er sofort: "Nein. Ich weiß auch nicht wie er aussah, er hat mir irgendeine Mischung verpasst, durch die ich nur noch verschwommen sehen konnte. Und er hatte eine Kapuze auf". Er sieht mich bittend an: "Erzähl keinem das ich gepetzt habe, bitte, ich möchte nicht das er mich bestraft..." Ich schüttele nur den Kopf und gebe ihm mit einer Handbewegung zu verstehen, das er sich auf die Stoffmatte in der Ecke legen soll. "Pass auf", sage ich und sehe mich um, um sicherzustellen das keiner zuhört. "Ich mag dich nicht und ich würde dich hier liebend gern verrecken lassen, aber mein Boss ist anderer Meinung und im Gegensatz zu anderen Personen...", ich weise auf seinen Rücken, "...halte ich mich an seine Anweisungen. Der einzige Grund warum du noch lebst ist der, dass er irgendein Interesse an dir hat. Und ich hab keine Anung ob dir das, was er vielleicht noch mit dir vorhat, dir besser gefällt. Frag nicht", unterbreche ich ihn als er zu Sprechen ansetzt, " ich hab selber auch keine Ahnung. Es interessiert mich auch nicht. Die Söldner auch nicht. Du bist sozusagen auf dich allein gestellt. Also gebe ich dir mal einen Tipp,ja? Ich an deiner Stelle würde mich lieber ruhig verhalten und keine unsinnigen Wünsche oder Fragen äußern oder sonst irgendwie auffallen. Und mal ganz abgesehen davon, dass ich absolut keine Lust habe, dir zu helfen: Sehe ich so aus als würde ich, den Maskenmann mal ausgenommen, irgendwem überhaupt irgendwas erzählen?" "Der Maskenmann?", fragt er ohne auf meine rhetorische Frage einzugehen und ich fluche. Wenn man einmal nicht aufpasst... "Mein Boss", antworte ich widerwillig. "Und er heißt Maskenmann weil...?" "Geht dich gar nichts an!", fauche ich. Ich habe eh schon zu viel verraten. Das miese Gefühl das ich letztes Mal schon hatte, das ich den Maskenmann verrate, macht sich wieder bemerkbar und ich stehe schnell auf. "Also: Benehm dich und ich sorge zumindest dafür, dass sonst keiner mehr hier Zutritt hat. Deal?" Er nickt und ich bewege mich zur Tür. "Pass auf das du nicht stirbst", sage ich noch und ich meine es ernst. Ich drehe ihm nicht den Rücken zu.
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Prisoners
FanfictionCover by: @SilberSchokokeks Partner: @xyoutubemaedchenx #Kürbistumor #Zomdado #Kelay #Hollysaft und andere Entführt, misshandelt, weggesperrt. Immer mehr YouTuber verschwinden spurlos und die Polizei tappt im Dunkeln. Niemand ist mehr sicher. Die 16...