Waldgeflüster

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Nach einer zwei stündigen Fahrt mit Tiffany war ich um einiges klüger: Ich wusste nun sämtliche Inhalte von sämtlichen Kosmetikartikeln, von Wimpernkleber bis zur Bodylotion, und welche davon gut oder schlecht für Haut und Gesundheit eines Menschen sind. Nach ihrem rauf und runter Geratter von Make-Up-Fakten, musste ich zugeben, dass Tiff definitiv nicht so dumm sein kann wie sie tut. Außerdem habe ich schmerzlich lernen müssen, dass das Unterfangen den König am Telefon zu erreichen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Nahezu im sekundentackt hinterließ ich Jack, mit der Zeit immer wütender werdende, Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter bis dieser voll war und der Akku von Tiffanys Handy leer. Ich hoffte inständig, dass Jack noch kein Häufchen Asche geworden war, denn mit einer Puderdose voll Staub in einem Restaurant ein Date zu haben würde definitiv meinem Image schaden. Während ich voller Sorgen war, summte Tiff neben mir fröhlich einen Song vor sich hin, der mich verdächtig an irgendeinen Barbiefilm erinnerte. Ich hatte ihr erzählt, dass Jack und ich ein Paar waren und daraufhin hatte sie erstmal erstaunt geguckt und hatte gefragt ob das auch wirklich stimmte, denn sie könnte sich Jack niemals in einer festen Beziehung vorstellen. Als ich ihre Nachfrage bestätigte schaute sie mich einen Moment mitleidig an und zuckte danach mit den Schultern und meinte. „Tja...jedem das seine. Wenn du der Meinung bist, mit dem Jack den ich kennengelernt habe die Ewigkeit zu verbringen, will ich dich nicht weiter stören!" Nach der Unterhaltung machte ich mir noch mehr Sorgen. In meinem Kopf spukte eine fies grinsende Amber herum, die den armen, armen Jack zu trösten versuchte. Ich hatte Angst, dass Jack wirklich darauf eingehen würde. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass Jack geweint hatte. Natürlich hab ich nichts dagegen wenn man um mich weite, würde ich auch tun, aber ich kenne mich immerhin auch schon mein ganzes Leben lang. Wenn du verstehst was ich meine? Aber Jack kannte ich erst seit einem Monat: Erst haben wir uns pausenlos gestritten, bedroht (also er mich), an gezickt (ich ihn), dann haben wir uns zusammen gerauft und an einem Strang gezogen (mehr oder weniger) und jetzt? Jetzt hatte ich jedes Mal wenn ich an ihn dachte so ein verdammt wohliges Kribbeln im Bauch. Ich vermisste ihn und machte mir Sorgen....Sollte Jack wirklich sterben, würde ich weinen! Ich hatte mich tatsächlich verliebt und dass in einem Typen mit einem äußerst fragwürdigen Ruf und ohne ihn wirklich kennen gelernt zu haben, denn was ist schon 1 Monat gegen eine ganze Ewigkeit?

Mit quietschenden Reifen hielten wir mitten auf einer Straße. Rechts von uns führte eine Schotterstraße in einen Wald. Tiff wechselte den Gang und wir bogen auf die holprige Straße ein. Ich hielt mich fest, aus Angst mit dem Kopf bei jeder Bodenwelle gegen die Decke zu schlagen. Schließlich blieben wir mit dem kleinen roten Smart mitten im Wald stehen. „Ab hier zu Fuß!", sagte Tiff und stieg aus. Ich stöhnte. Ohne Schuhe konnte das ja lustig werden! In diesem Moment öffnete Tiffany den Kofferraum und warf mir ein Paar Turnschuhe zu. „Müssten circa deine Größe haben, Enni!", sagte sie grinsend und wir wanderten auf einem kleinen Pfad los. „ELLA! Und das ist aber nicht die Auffahrt zum Schloss!", sagte ich. „Ja, wir nähern uns so zusagen von hinten dem Schloss. Hier irgendwo in der Nähe müssen die Anderen ihr Lager aufgeschlagen haben!", sagte sie und verließ den Trampelpfad. Nun hieß es quer Feld ein. So langsam begann ich wieder an Tiffanys Intelligenz zu zweifeln: Wir schlugen uns hier durch dichtestes Unterholz und so wie es mir schien, waren die Wege die sie einschlug ziemlich wahllos. „Sicher, dass wir hier richtig sind?", fragte ich zögerlich, als ich zum x-ten Mal über eine Wurzel stürzte. Wie viele Schrammen konnten meine Knie aushalten bis auch die Magie, dass nicht mehr heilen konnte? Tiff kratzte sich am Kopf. „Ich dachte...genau hier müsste es eigentlich sein..." Ich schlug mir mit der Hand gegen die Stirn. Wir befanden uns irgendwo im nirgendwo im tiefsten und vermutlich schwärzesten Wald, den ich jemals gesehen habe. Hier sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht und vermutlich auch jeder der sich hier her verirrt bekommt sein letztes Schlafliedchen gesungen.

Tiff stampfte wütend auf und murmelte vor sich her: „Ich wusste doch, wir hätten am Brombeerbusch rechts lang gemusst und nicht links!" Dann ging sie an mir vorbei und wir gingen den Weg zurück den wir gekommen waren, bis zu diesem besagten Brombeerbusch. Am liebsten wäre ich heulend weggelaufen und hätte darauf gewartet wie Fuchs und Hase mich endgültig um die Ecke bringen. Und schließlich die große Überraschung...wir hörten Geräusche! Und zwar nicht die typischen Wald und Wiesen Geräusche, sondern...stöhnen. Lautes...rhythmisches stöhnen...

Einen Brombeerbusch weiter stießen wir auf eine nackte Amber und einen ebenso unbekleideten und nicht weniger verblüfften Nick (ihr wisst schon, den Kellner). Während ich mir peinlich berührt die Augen verdeckte, pfiff Tiffany anerkennend und fragte kurz nach dem Weg zu Lager. Amber umarmte mich einmal und sagte das sie sich freue mich zu sehen, bevor sie uns so schnell wie nur möglich wieder loswurde. Keine drei Minuten später standen wir zwischen lauter wild zusammengewürfelten Zelten und mehreren Kisten voll mit verschiedensten Waffen. Ich wollte gar nicht fragen woher sie die hatten. „ELLA!", brüllte Doc überrascht. Er kam auf uns zu gerannt und stürzte fast über eine der Kisten mit einem >>VORSICHT! HOCHEXPLOSIV!<<-Aufkleber . „DU LEBST!", rief er und umarmte mich. Ich lachte. „Ja, aber wenn du so weiter machst scheinst du bald nicht mehr unter uns zu weilen!" „Hach...es freut mich einfach nur endlich Jemanden zu treffen, der mich verstehen kann, wenn ich über das Dosenfutter, das sie hier haben, beklage." Ich nickte nur abwesend: „Jaja...aber wo ist Jack?" „In seinem Zelt, vermutlich! Es ist gut, dass du noch lebst. Mit ihm ist es momentan nicht auszuhalten. Seine Stimmung schwankt nur noch zwischen Trauer und Wut! Vorhin hatte er einen furchtbaren Wutanfall und hätte uns beinahe in die Luft gesprengt!"

Ich eilte zum Zelt und riss die Plane beiseite! Leer! „Doc? Hier ist er nicht!" „Dann hab ich auch keine Ahnung wo er stecken könnte...", murmelte Dr. Gruselig. „Du lebst ja immer noch...", hörte ich hinter mir eine abfällige Stimme. Als ich mich umdrehte zog Mary gerade angeekelt eine Augenbraue hoch. „Freut mich auch dich zu sehen, Mary...", sagte ich und wand mich wieder dem Zelt zu. Auf einem kleinen Tisch langen ein Haufen von Unterlagen und ein Brief in einer schrecklich krakeligen Handschrift. Ich versuchte die Hieroglyphen zu entziffern:

>>Unser Plan ist purer Mist!<<, begann der Brief. 'Ja, der ist definitiv von Jack!'

>>Mir ist außerdem aufgefallen, dass ich nicht vorhabe noch mehr Leben zu riskieren von Leuten die mir am Herzen liegen treu geblieben sind. Deshalb werde ich meinem Bruder einen Vorschlag unterbreiten: Ich werde mich ihm freiwillig stellen und dafür wird er euch in Ruhe lassen. Das ist das einzige, dass ich wirklich für euch tun kann und zu dem ich als König taug!

Jack Blackwood<<

'Dieser Vollidiot...!'


Vampire entführen keine kleinen MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt