3. Kapitel

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"Yu-chan!", schrie eine Stimme aus dem Nirgendwo und keine Sekunde später sprang meine Freundin Hiroko hinter einer Ecke hervor. "Willst du vielleicht mit in das Konbini mit, dass da letztens neu aufgemacht hat? Ich weiß, das ist schon ewig her, aber ich hatte nie Zeit da reinzugehen! Aber heute fällt mein Klavierunterricht aus und ich hab Zeit!" Während sie so erzählte, untermalte sie ihre Worte mit übertriebenen Handbewegungen. "Ja, ...klar können wir machen!" Ich zwang mich zu einem freundlichen Lächeln, doch Hiroko merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. "Was ist los?", fragte sie und kam näher zu mir, sodass sie eine Hand auf meine Schulter legen kann. "Es ist nichts, wirklich. Lass uns gehn!", entgegnete ich und lief einfach schonmal in Richtung Ausgang los.

"Ganz ruhig Yukie. Sie wollte dich nicht an ihn erinnern. Sie weiß ja nicht mal, was mit ihm los ist. Alles wird gut, denk jetzt einfach nicht an ihn und hab Spaß mit deiner Freundin."

"Yuuuuuuukieeee!!", schrie nun eine neue Stimme und keine Sekunde später kam hinter der selben Ecke die nächste Person hervor. Es war Lev, Mitglied des Volleyballteams und guter Freund von Momo. "Wie geht es Yaku-san?", fragte er gleich und blieb vor mir stehen, zwang mich so dazu zu ihm hochzuschauen. Eine Antwort konnte ich nicht so wirklich geben. "Schlecht. Es geht ihm schlecht." Ich gab weder Lev noch Hiroko, die gerade angelaufen kam, Zeit um zu antworten, sondern rannte einfach an beiden vorbei.

"Verdammt, warum muss das sein?!"

Draußen angekommen setzte ich mich auf eine Bank, die dort alleine stand. "Man, warum können sie es nicht einfach dabei lassen? Ich bin so eine Idiotin!" Mit Mühe atmete ich tief ein, um nicht loszuheulen. Das hätte mir grade noch gefehlt.

"Yukie, was ist los mit dir?", hörte ich jetzt die Stimme des Jungen, gefolgt von Schritten. Es hörte sich an, als wären es zwei Personen gewesen. Kaum dass ich zum Eingang schaute, kamen die beiden auch schon rausgestürmt. Lev ließ sich neben mich auf die Bank knallen und Hiroko kniete vor mir um mir von unten tief in die Augen zu schauen. "Was ist mit dir los?", fragte Lev nochmal, legte dabei eine Hand auf meine Schulter. "Nichts... Es ist wirklich nichts...", antwortete ich, doch das reichte den beiden wohl nicht.

"Ist etwas mit Yaku-san passiert?" Bei dem Klang seines Namen verkrampfte ich wieder meine Finger ineinander und schüttelte den Kopf. "Alles in Ordnung. Ehrlich."

"Lüge. Alles Lügen!"

"Willst du zu ihm?", fragte Hiroko, wieder schüttelte ich den Kopf. "Um ehrlich zu sein, will ich jetzt nicht an ihn erinnert werden." Langsam spürte ich, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten.

"Ich kann ihn einfach nicht verlieren. Das wäre, als würde ich mir mein Herz ausreißen und würde fröhlich darauf rumhüpfen."

Nun konnte ich spüren, wie einzelne Tränen meine Wange herunter liefen. "Er ist mein Leben, versteht ihr? Er ist alles was ich hab!" Ein Schluchzen konnte ich mir nicht unterdrücken. Hiroko legte ihre Hände auf meinen Schoß und lächelte mich freundlich an. "Komm schon, wir sind für dich da. Und Kuroo ist ja auch da!"

Unter Tränen nickte ich. "Ach komm, das verheulte Gesicht steht dir nicht Yukie, dein Lächeln ist viel schöner!", sagte Lev. Ich musste lachen, die beiden sind einfach echt toll. "Komm, wir gehen ihn jetzt erstmal besuchen ja?" Wieder nickte ich und lächelte schon etwas selbstsicherer. "Na also, geht doch!"

Ich musste noch breiter lächeln und bekam dadurch einen leichten Schlag auf die Schulter. "Also fahren wir mit dem Bus oder was?", fragte Lev. Ich nickte. "Der Bus, den ich normaler Weise immer nehme, kommt in zehn Minuten. Wir sind dann um 17:55 Uhr dort."

Hiroko und Lev nickten immer wieder und packten mich dann, jeder jeweils einen, an meine Arme und zogen mich los. "Aber sag mal, Yu-chan, was ist denn eigentlich mit Yaku los? Sonst hast du dich darauff gefreut, in zu sehen, als wäre er der Weihnachtsmann!", fragte Hiroko, ohne meinen Arm nur ansatzweise loszulassen.

"Hast du von dem Busunglück gehört, als vor circa zwei Monaten ein Bus auf einer glatten Straße aus gerutscht und umgekippt ist?", fragte ich mit leiserer Stimme. Sie nickte nur halbherzig und erhöhte den Druck auf meinen Arm. "Er war dabei", fügte ich noch hinzu, aber ich denke, das war ihr bereits klar.

"Das... Das tut mir so unendlich leid." Es schien, als wäre sie richtig schockiert über diese Nachricht, um ehrlich zu sein, zu Recht.

Als ich die Haustür aufgemacht hatte und davor seine Eltern standen, einmal seine Mutter, weinend und mit einem Taschentuch in der Hand, und sein Vater, wie er seiner Frau den Arm um die Schulter legte. "Es tut uns so schrecklich leid, Yukie", fing er, ganz vorsichtig als würde jemand von uns bei einem zu lauten Ton zerbrechen. "Morisuke... Er ist in einen Busunglück geraten." Sichtlich schockiert von dieser Nachricht, hatte ich sogar meine Teetasse, die ich gerade in der Hand hatte, fallen gelassen, sodass sie in mehrere Einzelteile zersprang. Dadurch wurde meine Mutter auch aufmerksam und kam erschrocken die Treppen herunter gestürmt und fragte entsetzt, ob es mir gut ginge. Doch ich konnte nichts antworten. Ich wollte nichts antworten. "Ähm... Schönen Tag euch noch, gute Besserung dir." Damit machte er unsere Tür selber zu und man hörte Schritte hinter dieser, die sich langsam entfernten. "Was ist passiert?", fragte Mama erschrocken, schaute mir in mein bleiches Gesicht. "Momo... Er ist... Er ist...." Mehr brachte ich nicht mehr heraus, denn ich brach einfach in mich zusammen. Meine Beine waren zu wackelig, um mich noch eine Sekunde länger zu halten. "Was ist mit ihm? Hallo? Sag mir was!" Die Stimmen meiner Mutter hörte ich nur noch verzerrt, meine Welt um mich herum war verzerrt, ich konnte mich nicht mehr bewegen. "Er ist tot", flüsterte ich, das war das letzte, was ich sagte, bevor mir schwarz vor Augen wurde und ich spürte, wie ich zur Seite kippte.

"Hallo? Erde an Yukie!" Erschrocken schüttelte ich den Kopf und schaute zu Lev, der mir wie wild mit den Händen vor meinem Gesicht fuchtelte. "Hm, ja..alles okay...", murmelte ich vor mich hin. Ich hatte gar nicht realisiert, dass wir bereits an der Haltestelle angekommen waren.

"Ist Kuroo eigentlich auch schon auf dem Weg?", fragte ich, doch bekam nur zwei ratlose Gesichter, die sich gegenseitig an schauten. "Keine Ahnung. Aber ist jetzt auch egal. Ich will jetzt einfach zu Momo und knuddeln. So viel damals."

Ich lachte kurz auf, doch gleich begann mein Handy, zu klingeln. Ich zog mein Handy mit einer galanten Bewegung aus meiner Jackentasche und nahm den Anruf an.

"Hi, hier ist Hikari Tachibana. Ich wollte nach fragen, ob wir heute ein wenig proben können. Meine Mutter würde gerne mal das Stück hören."

"Hi, Hikari. Ja klar, können wir machen. Ist heute Abend um 20 Uhr okay?"

"Ja, das geht klar."

"Okay, dann bis heute Abend."

Ich legte auf, ohne auf eine Verabschiedung zu warten. Die hätte ich auch nicht bekommen. Hikari hatte immer so einen Tick, sie wusste nie, wie man sich verabschiedet.

Übrigens ist diese Hikari Tachibana meine Duopartnerin. Sie wird mich beim Musikwettbewerb in zwei Monaten auf dem Klavier begleiten.

Es hat ewig gedauert, bis ich jemanden gefunden hatte, der mich begleiten konnte, da ich für jeden zu schnell spielte. Bis auf sie. Sie war die erste, die mit mir mithalten konnte.

"Leute, ich muss um halb 8 wieder los, proben."


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