"Hallo Yukie! Schön, dass du tatsächlich gekommen bist!", begrüßte mich Momos Mutter an der Haustür und nahm mich in den Arm. "Ja, tatsächlich", lachte ich nur und trat dann ein, nachdem sie mich los gelassen hatte. "Schatz, mach Yukie doch einen Tee!", meinte sie zu ihrem Mann, der auch schon in die Küche verschwand. "Ähm... Dürfte ich eine ganz komische Frage stellen?", fragte ich, worauf Mum nickte. "Darf ich vielleicht... In Momos Zimmer gehen?" Sie nickte wieder und zeigte die Treppen nach oben. "Ja, Frau Yaku, ich weiß schon wo sein Zimmer ist, so selten war ich hier nicht", lachte ich und begann bereits, die Treppen hochzusteigen. Direkt gegenüber der Treppe war auch die Tür seines Zimmers, an seiner Zimmertüre hing immer noch, seit ewigen Jahren, in bunt angemalten Holzbuchstaben "Morisuke". Er meinte, er wolle sie nicht abhängen, weil sie ihn an die Kindheit erinnerten. Innerlich lachte ich auf. So war Momo nun mal. Im Herzen immer noch ein Kind. Langsam drückte ich die Klinke herunter, als ob sie schon ewig nicht mehr betätigt wurde und gleich zerbröseln würde. Als ich dann in seinem Zimmer stand, kam in mir das ganze Gefühl wieder auf. Die Sehnsucht, an die vergangenen Zeiten, all die schönen Momente, all das war jetzt weg. Tatsächlich war es eine Weile her, seitdem ich hier war, inzwischen hatten sie umgestellt. Langsam, ohne einen zu lauten Ton zu erzeugen, tapste ich durch das Zimmer und blieb an seinem Schreibtisch stehen. Der Blick auf die Pinnwand darüber brachte mich vollends zum Weinen. Dort hingen etliche, mit Reisnägeln befestigte, Fotos von uns beiden. Einmal in einer Pause, in der wir Fotos zusammen gemacht haben, von unserem ersten Date, damals als wir das Schulfest hatten, es waren zu viele Erinnerungen auf einmal für mich. "Momo! Wach gefälligst auf!", flüsterte ich, während ich auf die Knie ging. Mein Weinen erfüllte den eigentlich so leeren Raum und ließ mich völlig alleine. Es war schrecklich, es war, als wäre ein Teil von mir einfach abgestorben. "Yukie, alles in Ordnung?!", rief Mum und kam ins Zimmer gestürmt, kniete sich neben mich und nahm mich in den Arm. "Ich halt das nicht mehr lange aus!", schrie ich und heulte mich an ihrer Brust aus. "Das ist so unfair!"
Ich weinte sehr lange, an die zehn Minuten, bis ich langsam wieder aufhörte. "Ist es jetzt besser?", fragte sie, worauf ich nickte. "Es geht wieder, ja." Sie lächelte auf mich herab und zog mich dann auf die Beine. "Na komm, wir gehen wieder runter." Ich nickte und lief dann mit ihr die Treppen herunter. "Alles okay mit dir?", fragte nun auch noch der Vater, worauf ich wieder nur nickte. "Alles ist prima." Wir setzten uns mit ihm an den Tisch und tranken gemeinsam Tee. Mum fragte mich die ganze Zeit, wie es denn in der Schule lief, mit meinen Freunden, mit meinem Violinenunterricht und so weiter. Ich erzählte ihr alles und leerte während dessen meine Tasse. Nachdem ich die Tasse geleert hatte, ging plötzlich das Telefon los. "Ich geh kurz", meinte Vater und ging ran. Sein Gesicht wurde während dem Telefonat immer heller, wenn man das so sagen konnte. Es schien etwas gutes zu sein. Mum und ich schauten uns verwirrt und erwartungsvoll an, während Dad das Telefon förmlich in die Ladestation schmiss. "Morisuke ist wach."
Der Satz musste sich in meinem Kopf erst noch einige Male wieder holen, bis er richtig ankam. Dann realisierte ich es.Momo war aufgewacht.
Er war wach.
Und er lebte.
"Anziehen, jetzt!", befahl ich den beiden förmlich und stand selber auf. Mit extrem zitternden Händen ergriff ich meine Jacke, zog sie mir halbherzig über, sodass sie auf dem Kopf stand, doch das war mir in diesem Moment egal. Dann zog ich meine Schuhe an und ging schonmal nach draußen. Die beiden anderen folgten mir auch gleich, worauf wir hecktisch ins Auto stiegen. Mums Fahrstil veränderte sich so drastisch ins Schnelle, dass wir innerhalb von nicht mal zehn Minuten beim Krankenhaus ankamen. Während der Fahrt versuchte ich mir Momos Gesicht auszumalen, wie es aussah, wenn er mich erstmal erblickte. Oder wie meines dann aussah. Auf dem Parkplatz angekommen stiegen wir aus dem fast noch fahrenden Auto aus und rannten ins Gebäude. Dort wurden wir auch gleich von einer Krankenpflegerin in Empfang genommen und zu Momos Zimmer gebracht. Die Zimmertür ging auf und da lag er. Die Augen stur zur Decke gerichtet, als würde er gerade über den Weltfrieden nachdenken. "MOMO", schrie ich aus Versehen laut und rannte zu ihm ans Bett. Ich nahm ihn einfach in den Arm und weinte, diesmal aus Freude. "Oh Momo, ich dachte du wachst nie wieder auf! Ich habe dich so vermisst. Ich hatte Angst!" Ich hielt ihn fest, als ob er gleich weglaufen wollte und streichelte über seinen Rücken. "Die letzten zwei Monate waren schrecklich!", flüsterte ich in sein Ohr und weinte weiter an seine Schulter. Mein Herz fühlte sich wieder federleicht an, als wäre ich neu geboren. Seine braunen Augen, wie sie so schön glänzten, seine Haare, wie fluffiges Karamell, alles war wieder da. Der verstorbene Teil in mir, war von einer Sekunde auf die andere wieder da. Ich ließ ihn erst wieder los, als er mir demonstrativ auf den Rücken klopfte. Er schien etwas sagen zu wollen, aber es war ihm nicht möglich. Ja stimmt. Da war etwas. Die Nachwirkungen. Die Nachwirkungen eines Komas. Dabei vergessen die Patienten teilweise wer sie sind, wo sie sind, sie verlernen ihre kognitiven Fähigkeiten. Das würde eine schreckliche Zeit geben. Aber schrecklicher als dieser eine Satz jetzt, könnte es gar nicht werden.
"W-W-W-Wer b-b-bi-bi-b-bist d-d-du?, fragte er, ich denke, ich muss nicht noch betonen, wie zittrig und unsicher seine Stimme war.
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Liebe um zu leben
FanfictionDas Leben von Yukie war wundervoll. Die Schule lief super, sie hatte tolle Freundinnen, sie konnte endlich ihr Duo Stück auf Violine spielen und das schönste von allem: Yaku. Morisuke Yaku. Doch alles ändert sich an dem Tag, an dem genau dieser durc...