DREIZEHN

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DREIZEHN

„Sie können gleich zu Ihrer Tochter. Allerdings müssen Sie weiterhin die Schutzmaßnahmen einhalten", erklärt mir eine der Pflegekräfte. Heute ist der große Tag. Lina bekommt die Bluttransfusion. Gestern wurde die Stammzellentnahme bei Niklas durchgeführt. Für sie ist das sehr aufregend. Die einzigen Personen die neben dem Pflegepersonal zu ihr dürfen sind Niklas und ich. In der Klinik gehen mittlerweile schon diverse Gerüchte umher. Viele verstehen nicht, wieso Niklas so einfach einem wildfremden Mädchen hilft. Außerdem mache ich mir große Gedanken um seine Verlobte. Als ich gestern Abend nach Hause gekommen bin, habe ich sofort im Netz nach dieser Fee gesucht. Zum Glück hat mir Sebastian ihren Nachnamen verraten. Na ja, eigentlich brauchte ich gar nicht großartig fragen. Er war sehr in Redelaune. Fee Lindholm. Ein Münchner Model mit schwedischen Wurzeln. Laut mehreren Artikeln, sind sie und Niklas seit gut zwei Jahren ein Paar. Beide kommen aus gutem Hause. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass Niklas Eltern so begeistert von ihrer zukünftigen Schwiegertochter sein werden. Damals haben sie schon sehr viel wert auf Natürlichkeit gelegt. Dies kann man von dieser Fee nicht wirklich behaupten. 

„Ist gut. Wann wird sie die Transfusion bekommen?", erkundige ich mich und ziehe mir schon einmal einen dieser schönen grünen Kittel an. 

„Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Der Arzt wird aber bestimmt in wenigen Minuten bei Ihnen sein. Sie können dennoch schon einmal zu Lina gehen. Ich bin sicher sie freut sich auf Sie."

Ich nicke lächelnd und ziehe mich weiter an. 

Zehn Minuten nach mir kommt Niklas, mit einem befüllten Beutel zu uns. 

„Wie geht's dir?", fragt er Lina ohne mich zu beachten.

„Soweit eigentlich ganz gut. Ich bin nur etwas nervös, tut mir das weh?", fragt meine Tochter und sieht ihren Papa etwas ängstlich an.

„Nein, keine Sorge. Du wirst das gar nicht merken. Ich hänge diesen Beutel gleich hier auf. Dein neues Blut läuft dann durch diesen dünnen Schlauch, wir nennen das Venenkatheter in deinen Körper", erklärt er ihr sehr ausführlich.

„Dann kann ich ja nachher bestimmt auf ein normales Zimmer, oder?" Lina sieht Niklas hoffnungsvoll an.

„So einfach ist das leider nicht. Wir haben dir ja erklärt, dass wir dein Immunsystem komplett löschen mussten, damit die Krankheit verschwindet. Durch dein neues Blut, muss sich dein Körper praktisch neu entwickeln."

„Und wie lange dauert so etwas?", unterbreche ich ihn mit großen Augen. Ich weiß, er hat mir das alles schon einmal erklärt, dennoch fühle ich mich so hilflos.

Man merkt ihm sofort an, dass er genervt ist. Ich merke es.

„In der Regel geht man davon aus, dass es ungefähr 10 Tage braucht bis das Knochenmark beginnt neue Blutzellen zu produzieren. Bis dahin und auch noch eine Zeit danach, wird sie weiterhin stark anfällig sein für Infektionen. Daher muss du, Lina, noch etwas hier bleiben. Das Immunsystem ist nach der Transfusion, ja auf dem Level eines Säuglings." Ich nicke lediglich und drücke die Hand meiner Tochter. 

„Wenn alles gut geht, darfst du in drei Wochen die Klinik verlassen. Als gesundes Mädchen", meint Niklas und lächelt Lina an. Diese strahlt nur zurück. 

Eine Stunde später läuft die Transfusion noch immer durch. Für mich ist das gar nichts- wo ich doch kein Blut sehen kann.

„Mama? Du kannst ruhig herausgehen. Ich hab ja hier mein Buch. Ich weiß doch wie das bei dir ist", meint sie kichernd.

Als ich wenige Minuten auf dem Flur der „normalen" Station stehe, muss ich erst einmal ruhig atmen. Mir ist schrecklich schwindelig. 

„Klara, setz dich bitte hin", höre ich Niklas rufen, ehe ich nichts mehr mitbekomme.

Das erste was ich erst wieder mitbekomme ist, das Niklas mir ins Auge leuchtet. 

„Da bist du ja wieder."

„Was ist passiert?" frage ich und will aufstehen. Scheinbar wurde ich auf eine Untersuchungsliege gepackt. 

„Du bleibst schön liegen. Du bist in Ohnmacht gefallen. Hast du noch immer so Probleme wenn du Blut siehst?"

„Mach dich ruhig lustig. Es war alles etwas viel in letzter Zeit", rede ich mich heraus und fasse mir an den Kopf.

„Das würde ich doch nie wagen. Geht es wieder? Dann versuche dich bitte langsam hinzusetzen. Hier trink etwas", meint er und reicht mir ein Glas Wasser. 

„Meinst du mit Lina wird alles gut gehen?", frage ich nachdem ich ihm das Glas zurück gegeben habe.

„Wenn alles so weiter verläuft, dann bin ich ganz sicher, dass sie gesund bleibt. Meiner Mutter ging es nach ihrer Stammzellspende auch so gut wie nie zuvor."

Ich sehe ihn mit großen Augen an. Ich wusste nicht, dass seine Mutter das gleiche hatte. In meinen Augen war Tina immer gesund.

„Jap... Sie hatte das in Linas Alter. Ich habe es auch erst vor ein paar Jahren erfahren", antwortet er auf meine unausgesprochene Frage. 

Als ich am Abend im Bett liege, kann ich nicht einschlafen. Meine Gedanken kreisen nicht mal so sehr um Lina. Eher um Niklas. Ich fand es furchtbar niedlich wie er heute Mittag mit Lina gesprochen und sie beruhigt hat. Morgen beginnt für mich wieder die Arbeit. Niklas war so freundlich mir die letzten Tage frei zu geben. Der Tag wird auch super beginnen. Ich habe einen Termin mit ihm um die endgültige Auswahl des neuen Arztes zu treffen. 

Außerdem kommen meine Eltern morgen von ihrer Weltreise zurück. Beide waren sehr schockiert als sie von Lina gehört haben. Hoffentlich wollen sie nicht sofort Lina sehen. Wer weiß welche Erreger sie so mitbringen. Ich weiß ja das sie es nur gut meinen, aber Linas Gesundheit geht nun mal vor.

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