Kapitel 6

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Ich wollte ja eigentlich sofort mit den Fragen starten, doch der liebe Herr vor mir beschloss, wieder einen Marathon daraus zu machen und so kam es, dass er schon am anderem Ende des Ganges angelangt ist und ich, so schnell ich konnte, zu ihm rannte. Wieso gibt es eigentlich so lange Gänge? Ist ja schon fast ne' Tageswanderung um einmal komplett durch zu laufen. Als ich schwer atmend bei Ryan ankam, stützte ich mich bei ihm ab und versuchte meinen Puls zu beruhigen. Anstatt mich davor zu retten, dass ich hier noch sterbe, lachte er einfach. Die Jungs von Heute sind schon echte Gentlemen...

„Phuu...Kannst du mal aufhören so zu rennen? Ich hätte so einige Fragen die ich gern stellen würde, aber so weit komm ich ja nicht, weil du immer abhaust.", brachte ich außer Atem heraus. Mittlerweile konnte ich wieder alleine stehen, weshalb ich meine Hände vor der Brust verschränkte und versuchte, genervt zu schauen. Was natürlich nicht so aussah, wie es sollte. (Wahrscheinlich eher wie ein Waschbär mit Erkältung oder so...)

„Na, ist das Prinzesschen schon außer Puste? Sport würde dir schon nicht  schaden." Mit diesen Worten lies er mich verdutzt zurück. Will er damit sagen, ich bin dick!? Jetzt hat er mich wütend gemacht. Und ein wütendes Mädchen bedeutet nichts Gutes. Das kann ich ihm versichern. Meine Laune jedenfalls war im Keller. Oder noch weiter unten, wenn das geht. Wenigstens ging Ryan nun langsamer, so dass ich normal gehen konnte. Nach dem sich mein Atem wieder komplett beruhigt hatte, fing ich endlich wirklich an zu fragen.

„Wer sind die ganzen Personen auf den Bildern gewesen?" Ohne mich anzuschauen antwortete er: „Die gehören alle zu meiner Familie. Also gehörten, leben tut vielleicht noch ein Viertel von ihnen." Ah, also hatte ich Recht.

Wir waren inzwischen in einem riesigen Garten angekommen und steuerten auf die Mitte zu. Dort befand sich ein großer Baum. Genauer kann ich es nicht beschreiben. Es ist halt einfach ein Baum. Ein sehr großer. Wir ließen uns an ihm herunter gleiten und saßen schließlich im weichen Gras. Hier gefiel es mir jetzt schon, ohne den Ort genauer zu kennen. Aus irgendeinem Grund wusste ich sofort, dass es hier friedlich und sicher ist. Ich schloss für einen Moment meine Augen und ließ die Sonne auf mein Gesicht scheinen. Nach kurzer Zeit stupste Ryan mich an, sodass ich gezwungen war, meine Augen zu öffnen und ihn anzusehen.

„Wie geht's deinem Kopf? Hast du noch Schmerzen?" Wow, sein Vater war nicht der einzige, der mit so ruhiger Stimme sprechen konnte, aber bei Ryan finde ich das irgendwie gruselig. Sehr sogar. Er ist nett zu mir, das verwirrt mich. Aber es ist nicht so, dass ich es nicht schön finden würde. „Ja es geht wieder. Noch ein kleines bisschen, aber sonst wieder super." Ich lächelte, drehte mich weg und genoss weiter die Sonne.

„Wie bin ich hier hergekommen oder besser gesagt, wo bin ich überhaupt? Mit der Beschreibung 'Schloss' kann ich nicht so viel anfangen.", fragte ich in der Hoffnung, auf eine Antwort, mit der ich mehr anfangen konnte. Und die bekam ich Gott sei dank auch. „Ich hab dich hergebracht, weil das der einzige Ort ist, an dem du komplett sicher bist. Ich weiß, das klingt komisch, aber du wirst noch verstehen was ich damit meine. Du hast ja schon die Ohren bemerkt. Du bist auch so, nur noch nicht so ausgeprägt. Das kommt mit der Zeit noch, dann sieht  man die Ohren auch und alles was dazu gehört." Er stand auf und klopfte den Dreck von seiner Hose. Er hielt mir die Hand hin und sagte grinsend: „Jetzt solltest du aber besser wieder zurück, nicht dass noch nach dir gesucht wird."

Ich war überrascht und ergriff seine Hand um mich an ihr hoch zuziehen. „Stimmt's, dass ich in einer Traumwelt bin?" Er nickte und machte sich auf den Weg zurück zum Eingang. Ich ging ihm hinterher und dachte nach. Traumwelten? So etwas gibt es doch nicht. Oder doch? Ich war so in Gedanken, dass ich erst merkte, dass Ryan stehen geblieben ist, als ich gegen etwas hartes lief. Es stellte sich heraus, dass es sich um seinen Rücken handelte, als ich verwirrt hoch blickte.

Er schüttelte nur lachend den Kopf und öffnete die Tür mir dem weichem Bett. „Ja, aber wie komm ich jetzt nach Hause, wenn das hier eine andere Welt ist?" Immer noch verwirrt ging ich durch die Tür und schaute zu Ryan auf. Er lehnte sich an dem Türrahmen und grinste. „In dem du schläfst, Prinzessin." Mit diesen Worten stieß er sich ab und schloss die Tür.

MitternachtstraumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt