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Die Drei steuerten auf ein großes Haus zu. "Du hast dir hier ja wirklich was aufgebaut, Sawyer!", sagte Ezrah, doch es klang nicht beeindruckt. Sie traten durch die Tür und standen in einem eher kleinen Raum mit einem schlichten Tisch und Stühlen. Auf dem Tisch stand lediglich eine Kerze, deren Wachs schon zur Hälfte heruntergebrannt war. "Setzt euch!", forderte Myra. Nathan setzte sich. "Ihr versucht also ernsthaft, Max zu jagen?", fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Aus ihrem Mund klang es wie eine hoffnungslose, lächerliche Angelegenheit. "Ja", antwortete Ezrah trocken. "Du kennst ihn?", fügte er noch hinzu. "Nur aus Erzählungen!", beschwichtigte Myra. "Das ist eine Lüge!", sagte Nathan. Augenblicklich hätte er sich vor den Kopf schlagen können. Das hatte er nicht laut sagen wollen. Er hatte nur ein ganz leichtes Zucken in ihrem Gesicht gesehen, das hieß noch lange nichts. Myra lachte spöttisch, doch erneut bildete Nathan sich ein, Nervosität darin zu hören. "Wieso sollte ich euch denn bitte anlügen? Das ist lächerlich!", dementierte sie. Nathan hätte fest damit gerechnet, dass Ezrah ihn nun auch mit seinem Tigerlachen auslachen würde, doch seine Antwort fiel vollkommen anders aus.  "Nein, der kleine Leprechaun hat vollkommen recht!", sagte er. Erneut huschte kurz ein ängstlicher Ausdruck durch ihr Gesicht. Doch sie ließ ihn verschwinden und sah stattdessen Nathan herausfordernd an. "Ach ja? Dann kannst du mir sicherlich erklären, warum ich angeblich lüge!", nahm sie an. Erst zögerte er und senkte seinen Blick. Myra gehörte eine ganze Stadt, dass konnte er nicht. Doch andererseits war er jetzt ein Kopfgeldjäger, er war mutig. Also hob er seinen Blick wieder und sah ihr direkt in ihre gefährlichen Augen. Sie waren sogar noch gefährlicher als Ezrahs Augen. "Sie haben deine Stadt überfallen und weil du nur eine Person warst, konntest du sie nicht gut genug beschützen!", stellte er fest. "Warum sollte ich sie nicht beschützen können? Ich bin eine fantastische Schützin!", antwortete sie. "Ich weiß es nicht, aber sicherlich würdest du es zulassen, wenn jemand einem Einwohner deiner Stadt einen Revolver an den Kopf hält. Ich weiß, dass du Max kennst! Die Unsicherheit zuckt durch dein Gesicht!", erklärte er. Er war sich nicht sicher, woher er diesen Mut nahm, aber er war plötzlich einfach da. Myra biss sich wütend auf die Lippe. Sie schien eine schlechte Verliererin zu sein. "Tja, Ezrah, vielleicht ist dein kleiner Ire ja doch etwas mehr als nur ein Lückenfüller", gab sie zu und Stolz durchfuhr Nathans Körper. Als Ezrah es sah, hob einen seinen Mundwinkel ganz leicht zu einem Lächeln an. Dann begann er endlich über den Deal zu sprechen. "Wir brauchen dich als Unterstützung, Myra! Diese Bande ist schlimmer als alles, was du früher als Jägerin gesehen hast!". Sie überlegte. "Ezrah, ich denke nicht, dass ich euch helfen kann. Diese Stadt braucht mich, ich bin ihr Herz. Ohne mich überleben diese Leute keine Woche. Nicht während dieser Dürre!" "Aber sicherlich hast du auch schon gesehen, warum ich hinter ihnen her bin. Sie waren doch bei dir", vermutete er. Myra seufzte. "Es war erst nur eine Spekulation. Es ist also wirklich Jane?" Er nickte. Sie überlegte erneut. Nun schien sie ernsthaft hin- und hergerissen. "Du weißt, was Jane mir bedeutet hat und ich habe natürlich die Pflicht, sie zu retten, aber-", wog sie ab, doch vor dem Gegenargument unterbrach Ezrah sie. "Myra, das ist eine ganze Stadt und nicht dein Sohn! Diese Leute sind Erwachsene, die sollten ohne dich lebensfähig sein!" Sie seufzte und, doch bevor sie eine Entscheidung fällen konnte, hörte man draußen einen Schrei. "Ein Tropfen! Ein Tropfen!" Myra rannte nach draußen. "Was ist los?", fragte Nathan verwirrt. "Ich denke, ich weiß es, aber lass uns trotzdem nachschauen", antwortete Ezrah. Die beiden Kopfgeldjäger erhoben sich und gingen nach draußen. Draußen schallte ein ohrenbetäubendes Prasseln durch den langen Weg. Der Himmel hatte sich verdunkelt und Regen fiel in Strömen auf den Boden. "Nein! Ist das wirklich?", rief Nathan laut. "Und ich hatte schon fast gedacht, du hättest eine Beobachtungsgabe", sagte Ezrah sarkastisch. Vorsichtig streckte Nathan die Hand unter dem kleinen Dach hervor und ließ sie nass werden. Dann stellte er sich ganz in den Regen. Er liebte es, wie der Regen heftig auf seine Haut klatschte und seine Kleidung durchnässte. Das Wasser entfernte den ganzen Staub und Dreck. Er streckte glücklich die Arme aus und drehte sich. Freudestrahlend sah er zu Ezrah hinüber. Dieser schmunzelte zurück. Auch er wäre eigentlich gerne in den Regen gerannt, doch das überließ er seinem Leprechaun. Er war schließlich kein Junge mehr. Sein Blick fiel die Straße hinunter und er sah Myra, die hektisch und durchnässt Anweisungen erteilte. Ihr langes Haar tropfte. Ezrah wusste, jetzt da es regnete, konnte sie mit ihnen kommen. Er sah erneut zum glücklichen Nathan zurück. Eigentlich hatte er nie an Glücksbringer geglaubt, für ihn war das alles nur Aberglaube gewesen. Doch er hatte das Gefühl, dass ihm dieser kleine Kobold schon jetzt viel Glück gebracht hatte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 12, 2017 ⏰

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