„Haben Sie sich wehgetan?" Ich stehe wie angewurzelt da, und weiss nicht was ich sagen soll. Er sieht einfach umwerfend aus. Sein Anzug ist aus schwarzem Satin und am Revers sitzt eine schwarze Rose. Er sieht aus wie aus einem historischen Gemälde entsprungen. Er sieht mich mit seinen grünen Augen an, so etwas wie Bewunderung und Neugier ist darin zu erkennen.
„Kennen wir uns nicht?" Ich atme tief ein und weiss nicht was ich sagen soll, wenn ich die Wahrheit sage, dann wird er womöglich raus aus nehmen. Also schüttle ich den Kopf und schaue weiter in seine funkelnden Augen. „Nun, dann würden Sie mir die Ehre erweisen, mit mir zu tanzen?"
Er streckt mir seine Hand hin, die ich ohne zu zögern ergreife. Er führt mich auf die Tanzfläche, wo uns einige Platz machen, was ich sehr nett finde. Die Band spielt ein Lied, dass mir sehr vertraut ist und es passt verdammt gut zu dieser Situation. Taylor Swift schrieb einen Song über ein Mädchen, das sich auf einen Ball schlich um mit ihrem Schwarm zu tanzen. Und genau das passiert gerade in diesem Moment auch.
Aber ist William mein Schwarm? Nun, ich will sein Leben retten und ich finde ihn sehr attraktiv, aber macht ihn das zu meinem Schwarm? Auf diese Frage habe ich keine Antwort und sie ist auch nur nebensächlich. Denn alles was jetzt hier und in diesem Moment zählt, ist der Tanz mit William. Er legt mir sanft einen Arm um die Taille, mit der anderen hält er meine Hand. Ganz langsam beginnt er sich zu den Takten des Liedes zu bewegen. Selten hatte ich die Gelegenheit so zu tanzen, was mich etwas unsicher macht.
Doch William führt mich und lässt mich leicht wie eine Feder fühlen, es ist einfach grossartig. „Ich habe das untrügliche Gefühl, dass wir uns schon einmal gesehen haben. Vielleicht irre ich mich auch, aber ich habe eigentlich ein sehr gutes Gedächtnis." Ich blende alles um mich herum aus, alles was ich wahrnehme ist die Musik und William, der mit mir tanzt. Alles andere tritt in den Hintergrund und da soll es auch bleiben. Für eine sehr lange Zeit. „Vielleicht haben Sie mich ja schon einmal gesehen. Die Frage ist doch viel mehr- wo?"
Ich will nicht mit der Tür ins Haus fallen, ansonsten könnte ich mir vorstellen, dass er dieses Mal tatsächlich die Polizei rufen würde. „Sie sprechen in Rätseln, aber das gefällt mir." Er lächelt schüchtern, was mein Herz einen Satz machen lässt. Er dreht mich einmal um die eigene Achse und führt mich weiter über die Tanzfläche. „Ich liebe Rätsel. Schon als kleines Mädchen habe ich es geliebt die Kreuzworträtsel meines Grossvaters zu lösen. Nur hat ihm das nicht ganz so gut gefallen."
Bei der Erinnerung an meinen Grossvater muss ich augenblicklich lachen. „Er war sehr nett, manchmal etwas griesgrämig. Aber das hat ihn mir noch sympathischer gemacht." Ich senke den Blick, denn mit der Erinnerung an meinen Grossvater, kommt auch die Trauer zurück. „Was haben Sie?" Er sieht mich eindringlich und besorgt zugleich an. Ich senke den Blick und versuche meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. „Er ist vor ein paar Jahren verstorben. Krebs. Eine lange Geschichte." Er bleibt stehen und hebt mein Kinn an so, dass ich ihn ansehen muss. „Ich bin ein guter Zuhörer."
Es ist nett von ihm, dass er mir anbietet von meinem Grossvater zu erzählen, doch diese Dinge sind dann doch zu privat. Aber ich möchte ihn nicht vor den Kopf stossen, also nutze ich die Gelegenheit den Spiess um zudrehen. „Erzählen Sie mir von sich.", fordere ich ihn auf. Er lächelt überrascht und entblösst zwei strahlendweisse Zahnreihen. „Sie sind sehr direkt, auch das gefällt mir sehr." Er scheint mich zu mögen, schiesst es mir durch den Kopf. Schnell verdränge ich diesen Gedanken, denn er lässt mein Herz noch schneller schlagen. „Und, kommen Sie meiner Bitte entgegen?"
Wir setzen uns wieder in Bewegung und tanzen weiter, dabei hält er mich fest und das fühlt sich gut an. „Ich könnte einer so bezaubernden Frau keinen Wunsch abschlagen. Was wollen Sie über mich wissen?" Das ich ihm Fragen stellen darf, finde ich eine gute Lösung. Ich überlege eine Weile, dann habe ich mich für ein paar Fragen entschieden. „Was würden Sie an einem verregneten Tag tun?" Er sieht mich überrascht an, wahrscheinlich dachte er, ich würde ihn direkt über sein Leben ausquetschen. Dabei sind solche Dinge auch sehr wichtig, für mich jedenfalls. Er schüttelt kaum merklich den Kopf und scheint nachzudenken.
„Ich würde mich mit einer Tasse Tee und einem guten Buch auf die Couch legen und lesen." Ich ziehe eine Braue nach oben. „So überrascht? Was dachten Sie denn, was ich tun würde?" Er lacht und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Das Lied geht bald zu Ende und tief in mir spüre ich, dass ich am liebsten den ganzen Abend weiter tanzen würde. „Ich habe einfach das Gefühl, dass ich dieses wunderschöne Lächeln schon einmal gesehen habe."
Ich zucke innerlich zusammen, ich kann nur hoffen, dass er nicht sofort auf die Verrückte in seinem Zimmer kommt. Und was wäre dann? Na ja, ich würde die Gelegenheit verpassen etwas über ihn zu erfahren. Also lächle ich ihn an und schüttle den Kopf. „Sie sind kein Amerikaner, so viel steht fest." In seinen grünen Augen tritt ein wissender Ausdruck, wieder bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen. Dieses Mal aber, weil ich Angst habe aufgeflogen zu sein.
„Sie haben recht. Ich bin kein Amerikaner. Mein Vater war Brite und meine Mutter kommt aus Deutschland. Ich habe meine Kindheit zwar in Florida verbracht, aber die Ferien bei meinem Vater in London waren sehr prägend." Seine Lippen verziehen sich zu einer schmalen Linie, ich habe das Gefühl, dass er die Ferien bei seinem Vater nicht nur mit guten Erinnerungen verbindet. Was mir schrecklich leid tut, ich bin selbst in angespannten Familienverhältnissen aufgewachsen und weiss wie schwierig das manchmal sein kann. „Wie dem auch sei. Jetzt würde ich gerne auch etwas über Sie herausfinden. Woher kommen Sie?"
Ich erzähle ihm von meinem Geburtsort, einem sehr kleinen Vorort von London. „Jeder kannte jeden und es war nie möglich etwas für sich zu behalten. Wahrscheinlich bin ich deswegen so eine Geheimniskrämerin." Wenn ich an das kleine Dorf denke, kann ich nicht nur lächeln. Für ein heranwachsendes Mädchen, das die Welt erkunden möchte, aber von den Bekannten und Verwandten immer wieder gesagt bekommt, dass es den Grosseltern, die einem aufgezogen haben, helfen muss, dann ist das nicht gerade schön.
„Vielleicht können Sie mich in einen Teil ihrer Geheimnisse einweihen? Keine Angst, ich verrate auch nichts." Das glaube ich ihm sogar, dennoch ist das unmöglich. Denn das grösste Geheimnis das ich hüte ist sein Schicksal, nun, so geheim ist es jetzt auch nicht mehr. Ich habe es drei Personen erzählt, eine davon glaubt daran, die zwei anderen nicht. „Das ist sehr nett von Ihnen, aber Geheimnisse sollte man nicht so einfach erzählen." Er nickt und sieht so aus, als würde er es verstehen.
„Dennoch würde ich gerne mehr von Ihnen erfahren. Wieso sind Sie hier? Machen Sie hier Urlaub, oder was führt eine junge Britin hierher nach Los Angeles." Ich bin versucht es ihm zu sagen, mache sogar den Mund auf, doch im selben Moment erklingt ein furchtbares Geräusch das sich wie einen Alarm anhört. Ich höre jemand Feuer rufen und schon regnet es von der Decke. Alle schreien auf, Panik bricht auf und ich alle flüchten aus dem Raum. „Was ist denn jetzt los?", höre ich William rufen.
Wir werden auseinander gerissen, denn einige aufgebrachte Gäste rempeln in ihrer Panik andere Gäste an. Einige so fest, dass ich das Gleichgewicht verliere und unsanft auf meinem Hintern lande. „Aua.", fluche ich und sehe mich suchend um.
Von William fehlt jede Spur, es ist als wäre er vom Erdboden verschluckt worden. Ich stehe auf und versuche nicht auf dem glitschigen Fussboden auszurutschen. Ich bin alleine, kein William, keine Gäste. Keiner ist mehr hier, ausser mir. So habe ich mir das nicht vorgestellt, ganz und gar nicht. Werde ich ihn wieder finden?
oh je, was denkt ihr, wird sie ihn wieder finden?
eure Amanda
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Sieben Sekunden
RomanceEine etwas andere Liebesgeschichte. Glaubt ihr an Liebe auf den ersten Blick? Oder an Visionen? Amanda Shepard passieren genau diese Dinge. Als sie einen Bericht über William Blake, einen aufsteigenden Schauspieler, sieht, überkommt sie eine Vision...