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"Hey, alles klar bei dir?" Er zuckte leicht zusammen und drehte sich nach rechts, zu seinem besten Freund.
"Oh, ähm, ja. Klar doch.", erwiderte er, noch etwas verwirrt, so plötzlich aus seinen Gedanken gerissen worden zu sein. Sein Freund lächelte ihn verlegen an.
"Du... hast nur gerade so komisch in die Luft gestarrt, da dachte ich mir, frag ich doch mal, was los ist."
"Achso, ja...", meinte er nur, nun ebenfalls verlegen grinsend. "Hab nur so nachgedacht."
Dann schien seinem Freund plötzlich etwas einzufallen.
"Ach übrigens, was ich dir eigentlich sagen wollte: Wir müssen bald aussteigen." Er deutete zum stetig näher rückenden Ende des Skilifts.
Dem Blick seines Freundes folgend, nickte er nur und meinte: "Ah, ja, danke."

Plötzlich fragte links von ihm jemand: "Daniel?"
Die Stimme war ihm nur allzu vertraut. Seine Schwester Meike.
"Ja, was ist?", antwortete sein bester Freund ihr.
"Können wir heute mal eine andere Piste fahren? Eine, die wir noch nicht kennen."
"Was denn für eine?"
"Na, zum Beispiel diese zweite schwarze, die hier auf der Station anfängt."
Daniel starrte sie verwirrt an.
"Hä? Und wo soll die sein?"
Meike seufzte und begann zu erklären.
"Also, bis gestern sind wir ja immer am Ende vom Sessellift hier nach rechts ausgestiegen und da sind ja dann eben diese drei Pisten, wo eine schwarz ist und die anderen beiden blau und rot. Wenn man da vorne aber nach links aussteigt, dann kommt man zu zwei roten Pisten."
"Genau!", unterbrach Daniel sie. "Zwei rote, das war's!"
"Eben nicht!", widersprach sie ihm.
"Die breitere von denen hat nach ein paar hundert Metern so 'ne komische Abzweigung in den Wald rein. Und das ist eine schwarze Piste. Die hat sogar 'ne Talabfahrt!"
Sein bester Freund zog nur die Augenbrauen hoch. Dann stieß er ihn an.
"Hey, Adrian! Was sagst du denn dazu?"

Er zuckte mit den Schultern.
"Ja, also ich hätte nichts dagegen, mal wieder eine neue Piste zu fahren. Ich meine, die anderen auf der Höhe hier kennen wir ja jetzt schon fast auswendig..."
"Wir sind gerade mal drei Tage hier, also übertreib mal nicht!", warf Meike ein.
"Jaja... Also was ist jetzt? Fahren wir die jetzt?", erwiderte er nur. Während seine Schwester nickte, zuckte Daniel nur mit den Schultern.
"Ja, okay, von mir aus. Aber wir-"
"Wir müssen raus!", rief Meike, noch bevor er seinen Satz beenden konnte. Adrian blickte auf. Und tatsächlich, keine Sekunde später erreichte die Gondel das Ende des Lifts, bremste leicht ab und fuhr dann langsam in den Ausstiegsbereich ein.

Eilig nahm Adrian seine Skistöcke in eine Hand, ordnete seine Ski parallel an und zusammen schoben sie den Bügel ihres Vierersessels nach oben.
Dann streckten sie ihre Skier nach vorne, bis diese sanft auf dem schneebedeckten Boden aufsetzten, standen gleichzeitig auf und glitten nach links zur Seite, weg vom Lift.

Adrian war schneller als die beiden anderen und während er zwischen zwei Pärchen hindurch, an einer Rentnerin vorbei, die gerade ihrem Enkelkind die Handschuhe anzog und um ein kleines Mädchen herum lenkte, warf er einen Blick auf die sich vor ihm erstreckende Piste.

Sie wirkte gar nicht einmal so steil und in einigen hundert Metern Entfernung konnte er tatsächlich eine Abzweigung erkennen, welche nach rechts in einen Wald führte.
Dann ließ er seinen Blick in die Ferne schweifen, zum Horizont hin.
Er lächelte.
Das Wetter war perfekt zum Skifahren. Die Luft war klar und frisch, man konnte in weiter Entfernung die umliegenden Berge sehen, die sich allmählich in der Ferne verloren.
Letzte Nacht hatte es viel geschneit und alle Pisten waren bedeckt mit frischem Neuschnee.
Aus einem wolkenlos blauen Himmel schien warm die Sonne herunter und ließ den Schnee glitzern.

Noch während er daran dachte, gesellten Meike und Daniel sich zu ihm.
"Hi!" Seine kleine Schwester grinste ihn an. Daniel zog sich die Skihandschuhe an.
Dann wollte er wissen: "Und wo genau geht's jetzt lang?"
Meike deutete mit dem rechten Skistock geradeaus auf die breite Piste, die sich vor ihnen erstreckte.
"Einfach da lang. Immer geradeaus, bis zur ersten Abfahrt auf der rechten Seite."
"Aha.", machte sein bester Freund nur.

Die drei Jugendlichen setzten ihre Skibrillen auf, nahmen die Stöcke in die Hand und fuhren nacheinander an, glitten zuerst langsam auf die Piste und wurden schneller.
Und wieder einmal offenbarte sich der Grund, warum ihre Eltern seiner Schwester erlaubt hatten, ihn und Daniel zu begleiten, wenn die beiden sechzehnjährigen alleine auf die Piste wollten:
Obwohl Meike ein Jahr jünger war, was sie eine wesentlich bessere Skifahrerin als Adrian und Daniel. Sie hatte einfach großes Talent dafür.

Und die Praxis hatte bisher gezeigt, dass es auch nicht nötig war, auf sie aufzupassen. Sie war sehr selbstständig und schaffte das auch alleine.

Adrian blickte auf und musste schmunzeln. Seine Schwester hatte offensichtlich beschlossen, dass sich die Strecke bis zur Abzweigung perfekt dazu eignete, eine kleine Schussfahrt hinzulegen, denn soeben zog sie mit lauten Freudenschreien an ihm vorbei.
"Hee! Na warte!", rief er ihr hinterher, während er weiter beschleunigte.
Kurzzeitig schien er sie eingeholt zu haben, doch dann wurde sie schlagartig schneller und ließ ihn zurück. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass sie nun erst wirklich schnell war.
Ein kurzer Blick über die Schulter verriet ihm, dass Daniel inzwischen ziemlich weit zurückgeblieben war. Bei einem Wettrennen zwischen Adrian und Meike hatte er keine Chance.
Adrian konzentrierte sich wieder auf die Piste und hätte beinahe die Abzweigung verpasst.
Gerade noch schaffte er es, die Skier herumzureißen und mit einer scharfen Kurve zog er nach rechts rüber.

Während er neben seiner Schwester, die angehalten hatte, um auf die Jungs zu warten, zum Stehen kam, tauchte Daniel auf und nahm ebenfalls die schwarze Piste.
"Ihr habt aber lang gebraucht!", stichelte Meike lachend.
Daniel stoppte neben Adrian.
"Wir fahren halt lieber vernünftig und genießen das ein bisschen.", entgegnete er mit einem Grinsen.
Meike zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf schief.
"Ah, ja...", meinte sie nur, skeptisch lächelnd.

Adrian verspürte langsam den Drang, weiterzufahren. Das Herumstehen wurde ihm lästig.
"Geht's weiter?", warf er dazwischen.
Die anderen beiden nickten und alle setzten sich aufs Neue in Bewegung.

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