Sie isst.
Die anderen glauben, sie hat einfach Hunger und versucht diesen zu stillen.
Doch sie weiß, dass das Essen nicht ihr Bedürfnis wiederspiegelt.
Sie weiß, dass es bloß die einfachste Lösung ist. Denn durch das viele Essen kann sie das Loch in ihrem Körper füllen, das die Einsamkeit dort verursacht hat.
Sie weiß, dass da draußen viele Menschen sind, die sie verlassen und enttäuscht haben. Die sie verletzt haben, sich nur um sich selbst gekümmert haben, ohne an die anderen - an sie - zu denken. Und dass Essen das Einzige ist, das ihr nicht das Gleiche antun kann.
Aber sie weiß auch, dass unter den vielen schlechten ein paar gute Menschen sind, die das Loch flicken könnten. Sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sie eines Tages jemanden finden wird, der eine Nähnadel und Garn bei sich trägt und damit das Loch wieder schließen kann.
Wenn sich wirklich jemand für sie interessieren würde, würden sie erkennen, dass sie die ganze Zeit zu den anderen schaut, in der Hoffnung, sie würden sie zu sich holen und sie könnte wieder ein Teil der Gemeinschaft sein.
Aber niemand sieht genau hin.
Also isst sie weiter.
DU LIEST GERADE
Sie sehen
Historia CortaSie lächelt, doch ist sie wirklich glücklich? Sie sehen, doch sehen sie wirklich? → Fortsetzung: "Sie erkennen" [#60 in Kurzgeschichten, 28.06.17]