Kapitel 5

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Sehr früh morgens, noch bevor die Sonne voll aufgegangen ist, reisten wir ab. Wieso nur? Dachte ich mir sarkastisch. Mary kam morgens in mein Zimmer. Über das was gestern geschah redeten wir nicht. Weder mit Mary oder meiner Mutter noch mit meinen Schwestern. Als ich mich im Spiegel betrachtete, erschrak ich mich selbst vor meinem Anblick. Ich war übersät von blauen und violetten Flecken. Meine Hofdame puderte mich sehr stark ein. Was ich sonst eher selten benötigte aufgrund meiner natürlichen Blässe. Wehmütig streichelte Mary meinen Rücken, doch ich zuckte zusammen. Es war nichts Neues für mich von ihm geschlagen zu werden. Schließlich erlaubte ich mir ständig Fehltritte. Von Kindesalter an. Es ging sogar soweit, dass er bei jedem anstrengenden Tag abends vorbei kam und seine Wut grundlos an mir ausließ. Doch noch nie hatte es emotional so weh getan. Er nahm mir nicht nur meine Würde sondern auch meine geliebte Heimat Lorelay. Denn ab dem letzten Sommertage, werde ich eine Verbannte sein, eine Heimatlose.
Aufgrund der Dämmerung und der dicken Schicht Puders, sah man scheinbar nicht meine bunten Flecken. Wir verabschiedeten uns höflich bei der Königsfamilie des Hofes von Zeus. Ich dachte schon, dass Neel wieder mal fehlte, als er dann doch hinter seinem Vater hervortrat. Zunächst verabschiedeten sich meine Schwestern bei ihm. Ich wusste nicht wie ich ihm gegenüber treten sollte. Er war Schuld, dass ich meine Heimat verlor und verbannt wurde, ihm sei aber auch Dank, dass ich nun frei und nicht mehr der Folter meines Vaters ausgesetzt war. Wenn ich ehrlich bin, wusste er nichts von der dunklen Seite Leanders und somit konnte ich ihm nicht die Schuld geben. Ich reichte ihm meine Hand. "Prinz Neel." Nur kurz sah ich in seine Augen und doch war es schon zu lang. Sein Blick fesselte mich und ich vergaß alles um mich herum. Langsam beugte er sich zu meiner Hand hinunter und gab mir einen zarten Kuss auf meine Hand. "Dann sehen wir uns Ende des Sommers wieder Prinzessin Caty." Er verweilte etwas zu lang und sah mich dabei an. Grinsend wollte er sich von mir lösen, doch dann sah er mein blaues Handgelenk und drückte mit der anderen Hand meinen Trompetenärmel weg. Dabei entblößte Neel meinen massakrierten Unterarm. Seine Augen weiteten sich und richteten sich fragend auf mich. Ich löste mich aus meiner Starre und entzog ihm meinen Arm. Räuspernd machte ich einen Knicks und begab mich winkend Richtung Steg. Ich blickte vorm Steg zurück und bemerkte wie Neel sich demonstrativ nicht von Leander verabschiedete. Er wusste Bescheid. Und er war mutig, dass musste ich ihm lassen. Langsam ging ich über den Steg an Bord und hatte so meinen letzten offiziellen Auftritt als Prinzessin des Hofes Persephone. Ich verabschiedete mich von meinem alten Leben, nahm meinen restlichen Stolz und meinen neugefassten Mut und trat dem Neuen entgegen.

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Ein Monat später

Mit meinen gepackten Koffern stand ich oben am Absatz der Treppe und sah runter in unsere riesige Empfangshalle. Die ganzen Angestellten der Burg, die ich seit Kindesalter kannte, standen in einer Reihe. Gestern wurde bekannt gegeben, dass ich mein Heimatland verraten hätte und deshalb die Königsfamilie, als auch unser Land verlassen müsste. Jeder der hier Anwesenden wusste, dass das nicht stimmte. Und auch wenn sie mir wehleidige Blicke zuwarfen, wagten sie sich nicht dem König zu widersetzen. Aber ich nahm es ihnen nicht übel, ich verstand es. Leander konnte gut strategische Entscheidungen treffen, aber machte ihn das direkt zu einem guten Herrscher? Ich bezweifelte es. Viele sahen das auch so. Als ich zu meinen Trainingseinheiten ins Dorf ging, wurde ich immer mit offenen Armen empfangen, ich schätze weil ich das komplette Gegenteil von ihm war. Aufstände gab es oft. Die Menschen hungerten und die Steuern waren zu hoch. Doch ihn kümmerte es nicht. "Sieh was du dir selbst genommen hast." Vor mir stand Leander in seiner königlichen Robe. "Ich nahm mir den Schleier von den Augen und entdeckte, dass ich keine Prinzessin sondern eine Gefangene war." Mein Hass gegen ihn ließ sich nicht mehr verbergen. Er bückte sich zu mir."Jetzt hast du aber nichts mehr." Mit einem kalten Lächeln lehnte er sich zurück und sah sich siegessicher um. Dann fing auch ich an zu Lächeln. "Doch, meine Freiheit." Ich drehte mich um und ging auf den Eingang zu. Bewusst beachtete ich meine Familie nicht, ich wollte den Abschied nicht schwerer machen, als er schon war. "Catherine, " ich verharrte in meiner Bewegung, es ekelte mich an, dass er meinen Namen verwendete. "Wenn du je wieder einen Fuß auf mein Land machst, lasse ich dich umbringen." Einige Sekunden blieb ich noch stehen und trat dann ohne eine weitere Reaktion aus dem Schloss hinaus. Die Kutsche, die mich zur Fähre führte, wartete schon. Mary meine Hofdame trat hinter der Kutsche hervor. Wir standen uns erst schweigend gegenüber, bis sie sich dann in meine Arme warf und weinte. "Miss Catherine passen Sie auf sich auf. Ich werde mich um Sie sorgen und vermissen. Sie waren wie mein eigenes Kind. Von Kindesalter an habe ich mich um Sie gekümmert. Sie sind besonders und gutmütig. Unser Land braucht Sie." Traurig legte sie mir eine Hand auf meine Wange. Meine Tränen wischte sie weg, so gerührt war ich von ihren Worten. Langsam legte ich meine Hand auf ihre. "Wir werden uns eines Tages wieder sehen. Pass auf dich auf Mary." Kurz umarmte ich sie und stieg in die Kutsche ein. Es gab kein zurück mehr.

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