Kaltes, dunkles Wasser umfing mich. Ich schrie, doch statt einen Ton zu erzeugen, füllte meine Luge sich mit Wasser. Panik stieg in mir hoch. Ich suchte nach meinen Eltern, tastete nach ihnen, doch ich war immer noch angeschnallt, gefesselt. Hektisch suchte ich nach der Taste, die mich befreite, mein einer Arm schmerzte höllisch, also suchte ich mit dem anderen.
Wo war diese verdammte Taste?
Langsam ging mir die Luft aus, mir war kalt. Wie lange würde ich noch unter Wasser bleiben können?
Wieso war das Auto von der Brücke abgekommen? War es wirklich so glatt gewesen? Wieso hatte die Barriere nicht standgehalten? Wieso hatte unser Auto ins Wasser stürzen müssen? Wo waren meine Eltern? Hatten sie sich befreien können? Wieso hatten sie mich zu meiner Ballettaufführung begleiten wollen? Ich hätte den Bus nehmen sollen, dann wäre das hier nicht passiert.
Endlich fand ich die Taste zum Abschnallen und drückte sie. Der Gut waberte durchs Wasser. Eilig probierte ich mich zu orientieren. Ich musste nach oben, an die Oberfläche, raus aus diesem kalten Grauen.
Das Auto hatte sich im Fall überschlagen. Das Heck zeigte nach oben, die Windschutzscheibe war zerbrochen. Hastig schwamm ich darauf zu, ignorierte meine Umgebung. Meine Lunge brannte, letzte nach Sauerstoff. Mein einer Arm schmerzte unerträglich, doch das musste ich ausblenden. Meine Bewegungen wurden schneller. Mit einem Mal blieb mein Bein irgendwo hängen. Panisch zog ich es nach, spürte einen Knacks und dann einen stechenden Schmerz, bei dem ich am liebsten geschrien hätte, wenn ich dazu in der Lage gewesne wäre. Aber auch das kaputte Bein kümmerte mich momentan nicht, weswegen ich weiter schwamm. Immer weiter auf das schwache Licht über mir zu.
Ich war so müde, mein Körper so erschöpft, Ballett machte mich immer fertig, dazu noch der Unfall. Aber ich musste an die Luft, an die frische, sauerstoffreiche Luft.
Endlich durchdrang ich die oberste Wasserschicht, meine Lunge füllte sich mit eisiger Februarluft. Mir war so kalt, ich konnte meinen Körper nicht mehr spüren. Doch ich bekam wieder Luft, dass war das Einzige das zählte.
Im Hintergrund vernahm ich laute Sirenen und Blaulicht. Polizei und Krankenwagen. Alles würde gut werden. Man würde mich retten.
Doch wo waren meine Eltern?
Schreiend saß ich kerzengerade in meinem Bett, meine Brust hob und senkte sich rasch. Panisch knipste ich meine Nachttischlampe an, probierte zu Atem zu kommen. Tränen rannen meine Wangen hinunter, mein Herz schmerzte.
»Mama ... Papa ...«, wisperte ich leise.
Dieser Unfall war nun fast ein Jahr her, trotzdem verfolgte er mich immer noch regelmäßig in meinen Albträumen. Wimmernd trocknete ich meine Wangen ab, wobei ich meinen Blick auf das gegenüberliegende Regal heftete, wo neben vielen Büchern auch meine Spitzenschuhe standen.
Zuerst hatte ich mir die Schuld an dem Ganzen gegeben. Hätten meine Eltern mich nicht zu dieser dummen Ballettvorführung begleitet, wären sie heute noch am Leben.
Aber welche Eltern begleiteten ihre Kinder nicht zu einer Aufführung? Wer hatte ahnen können, dass es im Februar noch so glatt war?
Niemand!
Deswegen war es auch nicht meine Schuld. Trotzdem hatte ich seit diesem schrecklichen Tag nie wieder auch nur einen Schritt getanzt. Zwar dehnte ich mich regelmäßig, um flexibel zu bleiben, doch das war es auch schon.
Auf einmal war ein sanftes Pochen an meiner Tür zu vernehmen, bevor sie Sekunden später schon geöffnet wurde und mein verschlafend ausschauender Bruder in mein Zimmer tappte.
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Zwangsschlampe
Romance»So jung und schon so tief abgerutscht.« Vor nur anderthalb Jahren hätte ich mir niemals vorgestellt, dass ich einmal so enden würde, dass es einmal zu meinem Alltag gehören würde mit fremden Männern zu schlafen. Konnte man es mir ansehen? Konnte ma...