Girl talk

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Die Türklingel reisst mich aus meiner Trübsal und ich zucke erschrocken zusammen. Es ist also soweit… Schwer schluckend schlurfe ich von der Wohnzimmercouch zur Haustür und drehe den Schlüssel mit einem Klacken um. Dann öffne ich sie einen Spalt breit und strecke meine Nase nach draussen.

„Insofern es sich bei Ihnen um Cornelia aka meine selbsteingeladene Freundin handelt, können Sie das Grundstück gerne wieder verlassen“, murmle ich und höre, wie Coco auf der anderen Seite lacht. Einen Wimpernschlag später taucht ihr Gesicht an das Holz der Tür gepresst in meinem Sichtfeld auf und sie grinst breit.

„Nein, Kindchen, da irrst du dich. Ich bin es doch, deine Grossmutter“, entgegnet sie augenverdrehend und stellt dann ihren Schuh zwischen Fussmatte und Türschwelle. „Und jetzt lass mich rein, El.“ Mit einem theatralischen Seufzen trete ich aus dem Weg und Coco kommt mitsamt einem Schwall abendlicher Sommerluft ins Haus. Natürlich ist es längst nicht so warm wie… dort, aber es reicht, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen.

„Guten Abend, Familie von Ella!“, ruft Coco schlussendlich in einer Lautstärke und erntet ebenfalls Begrüssungen von meiner Mutter und meinem Vater. Die Geschwister tümpeln wahrscheinlich irgendwo in ihren Zimmern herum und versuchen, die psychopathische Freundin der grossen Schwester zu ignorieren. Soll mir nur recht sein.

„Du gehörst doch da mittlerweile auch dazu“, lacht meine Mutter aus dem Wohnzimmer und ihre Stimme klingt heiter. Ma und Pa mögen Cornelia zum Glück, ich meine… Stellt euch einfach mal vor, eure Eltern mögen eure beste Freundin nicht.

„Schön, dass du vorbei kommst, Halbkind“, grinst auch mein Vater. Ich jedoch lege Coco eine Hand auf die Schulter und schiebe sie in Richtung Treppe.

„Beweg deinen Hintern, Co“, brumme ich, weil ich heute einfach nicht für die ganze Herumalberei aufgelegt bin. Erfreulicherweise lässt sich die Brünette recht leicht in mein Zimmer bewegen, sie protestiert nur einmal, bevor wir endlich mein Bett erreichen und uns darauf fallen lassen.  Beim vorbei gehen wische ich unauffällig das Zigarettenpäckchen und das quietschgrüne Feuerzeug unter ein T-Shirt, dass glücklicherweise auf dem Schreibtisch liegt. Erst danach bemerke ich die Plastiktüte in Cocos Hand. Noch bevor ich danach fragen kann, beginnt sie auszupacken.

„Eis, wie versprochen Schokolade: Check. Liebesschnulze: Check. Fanta: Check. Taschentücher: Check“, zählt sie auf und legt den jeweiligen Gegenstand auf meine Decke. Am liebsten würde ich lachen, aber ich schaffe nur ein sanftes Lächeln.

„Du kennst die wichtigsten Begleiter für einen Mädchenabend“, sage ich lächelnd und schüttle leicht den Kopf.

„Natürlich, für wen hältst du mich denn?“, meint sie in gespielt empörtem Tonfall und boxt mich in den Oberschenkel. Dann greift sie nach der Eispackung und zaubert wie aus dem Nichts (eigentlich aus der Plastiktüte, aber Co tut gerne so, als könne sie zaubern) zwei Löffel hervor. „So, und jetzt essen wir das Baby hier, bevor sie uns noch wegschmilzt“, grinst meine Freundin und stellt die Packung zwischen uns. Mit einem halbherzig erwiderten Grinsen hebe ich den Deckel davon ab und beobachte, wie Coco durch mein Zimmer stiefelt und sich an meinem Laptop zu schaffen macht, als wäre es ihr eigener. Zwischendurch stecke ich mir einen Löffel Eiscreme in den Mund.

Und ehe ich es richtig begreife sitzen wir zusammen mit dem Computer auf dem Bett, schauen auf das Display wo irgendein Liebesfilm läuft und essen Eis. Soweit ich es erkennen kann ist meine Lieblingsidiotin vollkommen gebannt vom Drama, während ich daneben sitze und noch nicht einmal das Thema des Films mitbekommen habe, so abgelenkt bin ich. (Es kostet mich trotzdem eine Menge Überwindung nicht zu heulen, jedes Mal wenn traurige Romanzenmusik eingespielt wird und sich das Paar auf dem Bildschirm leidenschaftlich küsst...)

On Repeat: Track Nr. 13 || n.h.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt