Minna war drei Tage nicht in der Schule. Dann war sie plötzlich wieder da.
Als ich hereinkam, saß sie einfach da, sah aus dem Fenster. Ich setzte mich möglichst geräuschvoll neben sie um mich bemerkbar zu machen, doch sie sah nicht zu mir.
Wie fast jeden Tag.
"Hey", sagte ich leise. "Wie geht es dir? Du warst fort in den letzten Tagen. Warst du krank?"
Zu meiner Überraschung drehte sie sich zu mir und sah mir in die Augen. Ihre Iris war so blau wie das Meer, was ich nur in meinen Alpträumen sah, wenn es mich wieder einmal verschlang.
Dennoch konnte ich nicht wegsehen.
"Mir geht es gut", sagte sie und betonte jedes einzelnde Wort, als wollte sie, dass ich mir die Worte einprägte.
Oder wollte sie sich selbst überzeugen?
Das war das erste und letzte Mal, das sie das zu mir sagte. Aber es reichte. Denke ich.
Oh Minna, warum konnte ich dein Weinen nicht hören? Warum hörte ich nicht, wie heiser deine Stimme vom Schreien war?
Noch konnte ich etwas ändern.
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Die Sinne der Minna
PoetryMinna war immer nur da. Sie saß neben mir in der Schule, ging in den selben Sport. Und doch sah ich nicht, dass meine Sinne mich betrogen. Denn Minna war nicht immer da. Sie war fern in einer Welt, die nur sie sah, schmeckte, fühlte, roch und hört...