XXV

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Adan konnte seinen Blick nicht von der Szene, die sich direkt vor seinen Augen abspielte, abwenden. Da lag sie in seinen Armen und erst jetzt wurde nicht nur Adan, sondern auch Enan und Dajan bewusst, wie weit sich dieses Mädchen in ihre Herzen geschlichen hatte. Vielleicht sogar zu weit.

,,Adan'', ertönte mit einem Mal Nerons Stimme. Er hörte sich gefasst an, so, als hätte er nicht gerade noch vor einigen Sekunden seine Gefühlswelt offenbart. Gefühle für ein Mädchen, das kurz davor war, zu sterben.

Ohne auf ein weiteres Wort von seinem Freund zu warten, nickte Adan, Enan und Dajan zu, bevor die beiden nach ihren Messern griffen und die Hölle in diesem verdammten Raum ausbrach. Es hatte nicht mehr als einen Blick auf Nerons Zustand gebraucht, um zu wissen, was er wollte. Er wollte Liyana hier rausbringen und die Schweine, die es gewagt hatten sein Mädchen anzurühren, umbringen. Das war es, was er wollte.

,,Enan, hinter dir!'', hörte der Angesprochene Dajan schreien und konnte sich noch rechtzeitig ducken, bevor ihn der Typ hinter ihm mit einem Messer direkt in den Rücken getroffen hätte. Alle drei mussten zugeben, dass sich das jahrelange, tagtägliche Training durchaus gelohnt hatte. Denn nun wurden sie, obwohl sie deutlich in der Unterzahl waren, bestens mit den geschätzt zehn Männern, Miro ausgeschlossen, fertig.

Während seine Freunde die Männer ablenkten, konnte Neron sich nun voll und ganz auf Liyana und ihre Rettung konzentrieren. Er musste hier raus. Bestimmt musste sie mit einem Pferd gekommen sein. Mit diesem Gedanken erhob er sich, mit Liyana in seinen Armen und wollte gerade den Ausgang ansteuern, volles Vertrauen in das Können seiner Freunde habend. Doch daraus wurde nichts, denn kaum hatte Neron einen Schritt nach vorne gemacht, stellte sich Miro sich ihm in den Weg.

,,Du willst wirklich verschwinden? Du willst sie retten?'', fragte dieser mit zusammengekniffenen Augen und schüttelte abwertend den Kopf. Die Enttäuschung war Miro ins Gesicht geschrieben.

,,Geh mir aus dem Weg, Miro.'' Nerons Blick war eiskalt. Und seine Stimme stand diesem in nichts nach.

,,Hör zu, ich will dich nicht aufgeben, Neron. Aber du scheinst mir einfach keine Wahl zu lassen. Mal ganz davon abgesehen, dass deine Männer gerade dabei sind meine umzubringen.''

,,Und genau da liegt der Unterschied zwischen uns beiden, Miro. Während es deine Männer sind, sind es meine Freunde.'' Und mit dieser Antwort wollte Neron dieses Gespräch ein für alle mal beenden. Doch Miro hatte andere Pläne und hielt ihn mit eisernem Griff um seinen Oberarm auf.

,,Ich kann dich nicht gehen lassen. Nicht mit ihr.''

,,Wieso?''

,,Weil du damit das, wofür ich seit sieben Jahren hingearbeitet habe einfach kaputt machen würdest. Und das kann ich nicht zulassen.'' Neron traute seinen Ohren nicht. Wie konnte die Zeit einen Menschen nur so verändern?

Er starrte seinen Bruder an und dann das Mädchen in seinen Armen. Und dann traf er eine Entscheidung, für die er sich sein Leben lang hassen würde. Für die er sich verabscheuen würde. Und doch würde er es tun. Um das Mädchen zu retten, das sein Herz gestohlen hatte.

,,Adan!'', schrie er und kurz darauf trat sein bester Freund neben ihn. Ohne Worte überreichte er ihm vorsichtig Liyana.

,,Neron-'', wollte Adan etwas sagen, aber der stechende Blick Nerons ließ ihn verstummen. Ein Blick, der sagte, dass es nicht mehr zu sagen gab.

Mit einer kurzen Geste machte Neron, Adan klar, dass er verschwinden sollte. Und genau das passierte, ohne, dass Miro die Möglichkeit bekam, Adan aufzuhalten. Denn kaum hatte Neron seine Hände frei bekommen, verpasste er seinem Bruder eine.

,,Was zum-''

,,Du hast es heute definitiv zu weit getrieben, Miro. Ich habe nicht gewollt, dass es so weit kommt. Aber du lässt mir keine Wahl. Erst recht nicht, nachdem du das verletzt hast, das mir wieder das Gefühl gegeben hat zu leben. Lebendig zu sein. Zu existieren. Du hast das verletzt, was mir mehr bedeutet, als mein Leben.''

,,Aber weil du mein Bruder bist -'', Neron spürte, wie eine Träne sich einen Weg über seine Wange suchte, doch er ignorierte es. ,,Weil du mein Bruder bist, verzeihe ich dir. Ich verzeihe dir, dass du mir den Tod von unseren Eltern anhängen wolltest. Ich verzeihe dir, dass du dich benommen hast, wie das größte Schwein auf Erden. Ich verzeihe dir, dass du mich fast getötet hättest mit deinen Machenschaften. Und ich verzeihe dir, dass du auch Liyana töten wolltest. Ich verzeihe dir, Miro.'' Und mit diesen Worten stach er zu, bevor er das Messer, Miro in die geweiteten Augen sehend, einmal drehte und sich dadurch ein Schwall an Blut aus Miros Mund ergoss.

,,Verzeih mir.''  

LiyanaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt