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Prolog

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Ihre dunklen Locken waren auf dem weichen Federkissen ausgebreitet, während die regelmäßigen Atemzüge auf einen ruhigen Schlaf hindeuteten. Das Fenster war offen, sodass die kühle Luft ihr Zimmer füllen konnte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als würde sie von etwas träumen, das es schaffte, ihr ein kleines Stückchen Glück zu schenken. Vielleicht sah sie Bilder vom Meer, das direkt an ihrem kleinen, unscheinbaren Dorf lag. Vielleicht waren es Bilder von ihren Eltern, die sie ein Jahr zuvor verloren hatte. Nun lebte sie bei Menschen, die nie eine richtige Tochter in ihr sehen würden.

Gerade als sich das kleine Mädchen auf die andere Seite wälzen wollte, wurde sie mit einem Mal wach. Denn der plötzliche, feste Griff um ihren Arm ging nicht spurlos an ihr vorbei. Mit einem erstickten Schrei setzte sie sich auf und starrte in die Dunkelheit vor sich. Sofort flossen Gedanken von dem Monster unter ihrem Bett durch ihren Kopf – sie hatte es doch gewusst!

Doch anstatt einer ekelerregenden Kreatur, zeichneten sich Züge eines absolut menschlichen Gesichtes im Dunkeln der Nacht ab.

»Du musst leise sein, Tavia«, hörte sie denjenigen vor sich flüstern, den sie nach wenigen Sekunden als einen der Jungen aus dem Dorf erkannte. Sie hatte ihn schon mal gesehen. Mehrmals sogar. Manchmal saß er alleine am Strand und starrte zum Meer hinaus. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie einmal zu ihm hingegangen war, um ihn zu begrüßen. Doch als sie sich vorgestellt hatte, war er nicht darauf eingegangen und hatte ihr nicht geantwortet.

»Was machst du hier?«, murmelte sie und rieb sich müde die Augen. Obwohl sie erleichtert war, kein Monster in ihrer unmittelbaren Nähe aufgefunden zu haben, pochte ihr Herz immer noch etwas zu schnell.

»Du musst mit mir kommen, ok? Das dauert auch nicht lange.« Vorsichtig, um ja keinen Krach zu machen, half er Tavia aus dem Bett, sodass sie nun in ihrem Schlafanzug vor ihm stand. Verständnislos runzelte sie die Stirn und als ihr Blick unwillkürlich zur Tür schweifte, regte sich ihr kindliches Gewissen.

»Aber–« Als hätte der Junge gewusst, was sie sagen wollte, unterbrach er sie, noch bevor ein weiteres Wort ihre Lippen verlassen konnte.

»Keine Sorge, sie haben es dir erlaubt.« Tavia wusste, dass er von ihren neuen Eltern sprach, aber gänzlich legte sich das Misstrauen in ihrem Inneren nicht. Hatte er sie denn gefragt? Doch anstatt noch eine Erklärung hinzuzufügen, erschien ein kleines, fast nicht erkennbares Lächeln auf seinen Lippen. Und das löste in Tavia ein viel tieferes Vertrauen aus, als es ein Lächeln normalerweise tun sollte.

Er nahm sie an der Hand und zog sie mit sich zum offenen Fenster – denn da war er auch reingekommen.

»Ich will nicht, dass sie böse werden«, sagte sie und begriff einfach nicht, was das alles sollte. Er drehte sich erneut zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Wenn sie böse werden, dann ... dann muss ich weinen und dann fängt er an zu schreien und ...« Je länger sie darüber nachdachte, desto blöder erschien ihr die Idee, dem Jungen zu folgen.

»Das wird nicht passieren«, erwiderte er. »Außerdem bist du gleich wieder zurück.« Hin- und hergerissen schaute sie abwechselnd in seine ausdrucksstarken Augen, zu ihrem Bett und der Tür. Neben der Sorge, dass ihre Adoptiveltern wütend werden könnten, regte sich ein anderes Gefühl in ihrer Brust. Sie war neugierig. Und wenn sie ganz ehrlich war, fand sie das irgendwie auch ziemlich aufregend. Vielleicht würde sie endlich mal ein kleines Abenteuer erleben – eines wie die, von denen ihr Vater ihr früher erzählt hatte.

»Es wird nicht lange dauern, ja?«, vergewisserte sie sich noch einmal. Er nickte entschlossen, bevor er sich, ohne weiter zu zögern, umwandte.

»Warte kurz«, wies er sie an und kletterte auf die andere Seite des Fensters, ehe er nach einem kurzen Blick nach unten sprang. Tavias Augen weiteten sich, als ihr Herz einen Schlag aussetzte. Was tat er denn nur? Als sie daraufhin nach seinem Namen rufen wollte, fiel ihr auf, dass sie ihn gar nicht kannte. Sie hätten doch auch die Tür benutzen können!

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