zwei
____________________________„Also Maisie Jones. Was führt dich nach Belgrad?"
Wir haben gerade unsere fünfte Runde UNO beendet und ich habe meine fünfte Runde UNO verloren. Der Junge ist Wahnsinn. Er scheint genau zu wissen, welche Karten sein Gegenüber hat und alle guten Karten zu heben. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, ihn zu fragen, ob er schummelt, aber ich möchte ihn nicht verärgern. Zur Zeit ist das UNO Spiel mit Theo meine einzige Beschäftigung und ich habe keine Lust darauf, die nächsten sechseinhalb Stunden damit zu verbringen, Löcher in die Luft zu starren. Das wäre wohl nicht nur furchtbar langweilig, sondern würde mich sicher auch in den Wahnsinn treiben.
„Ich war meine Mutter besuchen." Antworte ich kurzangebunden, während ich die Karten für ein sechstes Spiel mische.
„Wohnt deine Mutter in Belgrad?"
„Nein, in Kalamaria. Eine kleine Küstenstadt in Griechenland."
„Oh wow, Griechenland. Dann hast du ja schon eine ganz schön weite Reise hinter dir. Und wo geht's als nächstes hin?" Ganz schön neugierig der Kerl. Aber andererseits will er wohl auch nur die Zeit mit Small Talk überbrücken.
„Naja, hoffentlich nach Budapest." Scherze ich, antworte dann aber. „Zurück nach Hause. Nach Groningen."
„Das liegt in Holland, nicht? Hört sich zumindest danach an."
„Ja, ein paar Stunden von Amsterdam entfernt."
„Das heißt du bist Halb-Holländerin und Halb-Griechin? Hätt ich nie erraten." Scherzt er und bringt mich damit zum Schmunzeln. Seine gute Laune hat etwas Ansteckendes an sich und etwas Aufmunterung ist in Hinblick auf meine Situation sicherlich von Vorteil.
„Eigentlich bin ich Halb-Engländerin und Halb-Griechin. Aber jetzt zu dir; ich könnte auch nie erraten woher du kommst." Sage ich und sehe ihn prüfend an.
Er sieht nordisch aus, mit seinen blauen Augen, der hellen Haut und den blonden Haaren. Vielleicht Norwegen? Oder England? Oder doch eher Ost-Europa?
„Stolzer Ire!" Antwortet Theo und grinst bis über beide Ohren. Erst jetzt fällt mir sein doch ziemlich ausgeprägter Akzent auf. Trotzdem; darauf wäre ich wirklich nie gekommen. Ich hatte mir Iren immer mit roten Haaren und Vollbart vorgestellt. Ja, Vorurteile, ich weiß.
Aber wenn die Leute meine dunklen Haare und meine gebräunte Haut sehen, tippen sie auch nie auf Griechin oder so etwas, sondern immer gleich auf Spanierin. Me cago en dios!
„Und was führt dich so weit weg von zu Hause?" Frage ich, immer noch überrascht über seine Antwort auf seine Herkunft.
„Ich denke mal, ich dachte auf einer Reise würde ich so etwas wie eine Muse finden. Also hab ich einfach 3 Wochen Urlaub eingereicht, bin in den erstbesten Zug am Bahnhof von Dublin gestiegen und losgefahren. Naja, aber die 3 Wochen sind fast um und ich hab leider außer einer schlimmen Magenverstimmung in Italien nicht wirklich was erlebt."
Wir lachen eine Weile über sein kleines Unglück, bevor ich wissen will. „Wofür denn eine Muse?"
„Na für mein neues Buch. Ich bin doch Autor."
„Und was hast du bis jetzt so geschrieben?"
„Naja, ein paar Kurzgeschichten und einen Roman. Aber den großen Bestseller konnte ich leider noch nicht landen." Er kratzt sich verlegen lächelnd am Hinterkopf, so als wäre es ihm etwas peinlich darüber zu reden.
Ich lege meinen Kopf etwas schief bevor ich frage. „Und kann ich mal sehen?"
„Was sehen?" Will er verwirrt wissen.
„Na deine Geschichten. Was du bis jetzt geschrieben hast."
Auf einmal wird er noch verlegener und seine Wangen laufen rot an. „Naja, ich weiß nicht so recht. Also- ähm..."
„Was denn? Du hast es doch sicher anderen Leuten auch schon gezeigt, oder? Komm schon." Ermutige ich ihn und lächle aufrichtig.
„Naja, nicht so wirklich." Murmelt er verlegen und sieht mich an, seine Wangen leuchten immer noch pink.
„Warte, was? Ich dachte, du würdest ganz bald schon veröffentlicht?! Wie soll denn das gehen, wenn du deine Sachen noch nie jemandem gezeigt hast?" Jetzt bin ich doch etwas verwirrt und sehe ihn fragend an.
„Na schön, du hast mich erwischt. Ich hab den Roman an zwei Verleger geschickt, aber das war's auch schon. Ansonsten hat noch niemand etwas davon erfahren." Er sieht ziemlich zerknirscht aus, als er mir das beichtet.
„Und einer dieser Verläge wird dein Buch veröffentlichen!?" Frage ich, immer noch verwirrt, nach.
„Naja, vielleicht, keine Ahnung, ich hab noch keine Rückmeldung erhalten. Das geht alles nicht so schnell."
„Oh." Ist alles was ich sage. Das scheint wohl ein wunder Punkt von ihm zu sein. Jetzt da ich das weiß, tut es mir fast ein wenig leid, dass ich so nachgehakt habe. Allen Anscheins nach möchte er nicht so gerne darüber reden.
„Also hast du noch nie eine Meinung zu einer deiner Geschichten bekommen?"
„Nein. Nicht so wirklich."
„Dann lass mich eine davon sehen und ich sage dir, was ich davon halte. Was hältst du davon?" Schlage ich vor und lächle ermutigend.
„Vielleicht später. Was hältst du von etwas zu essen? Ich hab tierischen Hunger und in einer Stunde schließen hier alle Geschäfte, also sollten wir uns noch mit genügend zu Futtern ausstatten." Sehr geschickter Themenwechsel, das muss man ihm lassen.
Aber diesmal bin ich diejenige, die zerknirscht dreinsieht. „Ja, du kannst dir gerne was holen, ich warte solange hier und pass auf deine Sachen auf."
„Hast du denn keinen Hunger? Ich kann dir was mitbringen."
„Ja, naja, das schon. Aber ich hab nicht damit gerechnet, dass ich hier 7 Stunden festsitzen würde und mir kein Geld gewechselt. Ich hab keinen einzigen Dinar und etwas anderes nehmen die hier nicht. Tja und meine Kreditkarte in einen der Geldautomaten zu stecken, hat sich auch als unnötig erwiesen, weil die hier auch nur in einer Sprache funktionieren. Und dreimal darfst du raten in welcher. Serbisch." Gebe ich zu und sehe Theo an, der bereits aufgestanden ist und sein Portemonnaie gezückt hat.
„Sag das doch gleich. Ich nehm dir einfach was mit, ist doch kein Ding. Ich hab genügend Dinare hier drinnen." Wie zum Beweis schüttelt er seinen Geldbeutel und die Münzen darin klimpern laut.
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A/N: Hier erstmal das zweite Kapitel. Ich kann nicht versprechen wie regelmäßig (oder eher unregelmäßig) die Kapitel kommen werden, da ich im Moment etwas ideenlos bin. Grundsätzlich weiß ich schon wie es weitergehen soll, aber irgendwie stecke ich grade trotzdem etwas - falls das irgendwie Sinn ergibt. Würde mich riesig über eure Meinung zu den ersten zwei Kapitel freuen :)
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