Müde fuhr sich Blair durch die braunen Haare und starrte wie hypnotisiert auf das Blatt Papier vor ihr. Den Stift fest zwischen Daumen und Zeigefinger überlegte sie angestrengt, doch kam zu keinem Ergebnis. Dabei musste sie sich auch nicht wundern, denn es war bereits kurz nach Mitternacht. Jedoch ließ es auch nicht lange auf sich warten, denn die Leute wurden langsam ungeduldig.
Seit fast einer Woche hatte sie nun keine neue Choreographie zu Stande gebracht. Normalerweise dauerten ihre Schreibblockaden nie länger als ein paar Stunden, denn egal, wo sie nun war, ihrer Inspiration waren keine Grenzen gesetzt. Doch dieses Mal war es wirklich so extrem, dass selbst drei Stunden auf dem Dach nichts geholfen hatten und vergeblich hatte sie von Ballett bis Hip Hop durchgetanzt, doch nichts kam dabei heraus. Ohne Tanzen war es wie ohne Lunge zu atmen, denn in den ganzen zehn Jahren, wo sie schon selber Choreos entwickelte, kannte sie nichts anderes mehr. Bei jeder sich gebenden Gelegenheit war sie aufgesprungen und hatte einfach angefangen, doch dieses Mal wollte ihr Kampfgeist nicht so wie sie. Ihr misslang jede einzelne Drehung, jeder Sprung und jeder noch so kleine Grundschritt.
1:04 Uhr in der Nacht. Schon lange hatte sie ihren Schreibtisch aufgegeben und war nun dabei sich eine weite graue Jogginghose und ein enges weißes T-Shirt anzuziehen. Mitten in der Nacht Joggen zu gehe war vielleicht nicht das Beste, was man in einer Großstadt wie Köln machen konnte, aber als ihr Kopf sich wie eine Bowlingkugel anfühlte, musste sie einfach mal Stift und Zettel hinter sich lassen. Abgesehen davon hatte sie ja nun keine Nervensägen mehr um sich, die sie davon abhalten konnten. Schnell steckte sie ihr Handy und Kopfhörer in die Tasche ihrer Hose und verließ anschließend die Wohnung. Im Flur herrschte durch die Dunkelheit und den grauen Betonwänden eine horrorartige Atmosphäre und draußen wehte schwacher Wind. Schnell knipste Blair das Licht im Flur an und kniff die Augen zusammen bei der plötzlichen Helligkeit. Nichts war zu sehen, nur der lange Korridor und die verschiedenen Wohntüren der Wohnungen. Ihr Blick viel auf die Tür gegenüber von ihrer.
Seit fast einer Woche hatte sie ihren Nachbar nicht mehr gesehen, genauso wie den kleinen Jungen. Es wäre ihr auch etwas seltsam vorgekommen, hätten sie sie wirklich noch zu einem Treffen eigeladen oder so ähnliches. Von einer so Klischee-haften Begegnung wie sie sie hatten war auch nicht mehr zu erwarten. Aber ihr sollte es nichts ausmachen. Auf ein Treffen mit einem jungen Mann und seinen Neffen konnte sie gut verzichten. Schon oft hatte sie in solchen Situationen gesteckt und nie kam etwas Positives dabei heraus. Entweder wurde sie durchgängig ignoriert und ist schließlich von alleine gegangen oder sie verloren nach einer gewissen Zeit das Interesse an ihr. Doch gerade dadurch fühlte sie sich fühlte sie sich von allen immer so missverstanden. Selbst von ihren eigenen Eltern war keine Unterstützung zu erwarten.
Nein, jetzt wollte sie mal ausnahmsweise nicht an ihre Eltern oder an die ganzen Kerle. Schnell schüttelte sie den Kopf, setzte eine entschlossene Miene auf und ging in Richtung Treppenhaus. Den Blick hielt sie auf den Boden gesenkt. Sie hatte das Gefühl, dass sie dieses einsame Gefühl ständig und überall verfolgte. Ihr Herz wurde schwer und die Augen glanzlos, als Blair wieder an ihre Jugend dachte. Vor der Tür blieb sie stehen und atmete tief durch. Diese schrecklichen Ereignisse konnten ihr auch nicht im Leben erspart bleiben. So viel Familiendrama und Beziehungsstress sie durchgemacht hat ist Blair nur noch ein einsamer, verzweifelter Haufen nichts. Von außen mag sie einen auf taff und stark machen, so sollte es ja auch sein. Und sie kannte es auch nicht anders sich so zu verhalten, denn ihr wurde ja auch nichts anderes beigebracht. Wenn man sich gegen traditionelle Eltern und einer großen Schwester, welche sich schon übertrieben viele Sorgen um sie machte, zu Wehr setzen wollte. In diesem Falle würde wirklich sowas wie eine beste Freundin helfen, doch diese hatte sie nun einmal nicht mehr. Nicht, seit der Sache mit ihrem Exfreund.
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Dreamdancer
RomanceWas tust du, wenn du, egal wo du hingehst, beschattet und belästigt wirst? Diese Frage ist im Moment für Blair überlebenswichtig. Die anonyme Tänzerin flieht vor denen, die sie für sich haben wollen, dabei trifft sie auf Lyndon, einem jungen Mann mi...