First nightmare

799 88 66
                                    

"Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep."

Nein.

Geh weg.

Wieso "Piep"?

Gibt es nicht bessere Wecktöne?
Zum Beispiel die Titelmelodie von Teen Wolf?

"Piep. Piep. Piep Piep. Piep Piep."

Wirklich jetzt?

Ich habe zwei Möglichkeiten.

Entweder, ich schmeiße diesen Wecker an die Wand, oder...

Oder ich warte einfach, bis er aufhört.

"Piepiepiepiepiepiepiepiepiepiepiepiepiepiepiep"

Stille

Na endlich.

Ha, darauf bist du noch nie gekommen, Ashley-Schantalle, näh?

Dat Ding kann ja auch ausgehn tun.

Schnell kuschle ich mich wieder in mein Kissen. Ich habe fünf Minuten, ehe der Wecker ein zweites Mal versucht, mich zu wecken. Ich sollte diese Zeit sinnvoll nutzen.

Als ich das zweite Mal erwache, scheint mir die Sonne so grell ins Gesicht, dass ich meine Augen sofort wieder zukneife und auch später nach mehrfachem Blinzeln immer noch Lichtpunkte sehe. Verdammtes Dreckswetter. Obwohl Sonnenschein ja eigentlich besser ist als Regen. Trotzdem. Vom Regen werde ich wenigstens nicht halb blind...
Als ich auf den Wecker sehe, erschrecke ich. Schon 8:02 Uhr?! Die erste Stunde beginnt um 7:45 Uhr...! Fuck, ich habe verschlafen...! Wie von einer Tarantel gestochen versuche ich, aus dem Bett zu kommen, was gar nicht so einfach ist. Die kuschelig weiße Bettdecke wickelt sich um meine Beine, sodass ich, ungeschickt wie ich bin, stolpere und auf den Boden falle. Na super. Das ist ein echt guter Start in den Tag. Nicht. Schnell rappele ich mich auf und renne ins Bad, welches an mein Zimmer angrenzt. Das Zimmer, in welchem ich seit meiner Ankunft in der Fanfiction-Welt wohne, ist ziemlich groß und die Einrichtung sieht sündhaft teuer aus. Das Zimmer ist praktisch Schlaf- und Wohnzimmer in einem, es ist wie selbstverständlich mit der neusten Technik und auch generell nur mit dem Besten vom Besten ausgestattet, ein MacBook auf dem gläsernen Couchtisch (wobei es mich nicht überraschen würde, wenn dieser einmal irgendeiner berühmten Persönlichkeit gehört hatte, so, wie er aussieht), ein riesiger Flachbildfernseher an der Wand, ein weißes Kuschelsofa, eine riesige Stereoanlage- wenn ich jetzt alles beschreibe, dann sind wir wahrscheinlich noch nächste Woche hier... Alles in allem ist das Zimmer quasi das #0815-reiche-Tussi-Zimmer Nr. 2938.

Ich bin schon seit ungefähr zwei Monaten hier, was nicht bedeutet, dass ich mich schon an alles gewöhnt habe. Ich finde das Luxusbadezimmer mit Whirlpool-Landschaft schlichtweg übertrieben und auch der begehbare Kleiderschrank macht mir eher Angst. Was wäre, wenn ich mich im Schrank verlaufen würde? Bis auf die Haushälterin weiß niemand, dass ich hier wohne und es würde garantiert niemand nach mir suchen. Meine sogenannten "Freundinnen" der FF-Welt hätten wahrscheinlich besseres zu tun, als eine Rettungsaktion zu starten, außerdem würden sie sicherlich als letztes im Schrank nachsehen. Aus genau diesem Grund benutze ich nur das erste Achtel des Kleiderschrankes, was auch wirklich genug ist, um sich für die nächsten drei Monate einzukleiden, ohne ein einziges Kleidungsstück zweimal zu tragen.
Etwas anderes praktisches an der FF-Welt ist, dass meine Akne am Rücken komplett verschwunden ist und in dieser Welt auch nicht gedenkt, zurückzukommen. Wofür ich echt dankbar bin.

Nachdem ich mich angezogen und im Bad fertig gemacht habe, renne ich die Treppe nach unten in die Küche.
Ich bin so spät dran, da ist auch keine Zeit mehr, um zu frühstücken. Wehmütig schaue ich auf die Schokocroissants, welche Frau Reuth, unsere Haushälterin, frisch vom Bäcker für mich geholt hatte. Seitdem meine "Eltern" bei- oh Wunder!- einem Autounfall ums Leben kamen, lebe ich hier zusammen mit der Haushälterin in dieser riesigen Villa. Gleich nachdem ich in der FF-Welt angekommen war, hatte man mir gesagt, dass meine "Eltern" einen Unfall hatten. Ich konnte es nicht fassen. Zuerst dachte ich, es wären wirklich meine Eltern, meine echten, leiblichen, normale-Welt Eltern, woraufhin ich zusammenbrach. Doch mit der Zeit erkannte ich, dass ich in einer Fanfiction-Welt gelandet bin. Was alles nur noch schlimmer machte, da ich noch ein zweites Mal zusammenbrach, weil ich nicht weiß, ob und wie ich jemals wieder nach Hause, in meine eigene Welt komme. Frau Reuth hat mir sehr geholfen, zwar habe ich ihr nicht erzählt, dass ich mich in der falschen Welt befinde, aber sie war für mich da, wenn ich sie brauchte. Sie ist eine sehr gute Zuhörerin und sie kann sehr gut kochen. Außerdem ist sie ein herzensguter Mensch, der es nicht ertragen kann, andere Leute traurig zu sehen. Wir haben wirklich ein gutes Verhältnis zueinander, auch wenn sie manchmal nicht mit meiner sarkastischen Art zurecht kommt. Alles in allem ist sie die einzige Person in dieser Welt, die ich gut leiden kann.
Die anderen... Naja. Egal.
Was mich auch noch verwundert, ist, dass es niemand komisch findet, dass ich nach zwei Monaten nicht mehr meinen "Eltern" hinterhertrauere. Ist es für diese Spezies normal, zwei Monate nach dem Tod nahestehender Personen so weiterzuleben, als wäre nichts passiert? Wenn ja, dann sind diese logiklosen Geschöpfe grausamer als ich dachte.
Ich beschließe, die Croissants als Essen für die Pause mitzunehmen. Leider haben sie in der teuren Markentasche keinen Platz mehr. Überhaupt hat fast nichts in dieser Tasche platz- ich gehe seit zwei Monaten quasi mit einem Kugelschreiber und einem karierten A-5 Block in die Schule. Soviel zu Unterrichtsmaterial. Ich sollte endlich mal eine richtige Tasche benutzen.
Genervt leere ich die Tasche auf dem Küchentisch aus, renne nochmal nach oben und suche einen Rucksack. Da Rucksäcke in dieser Welt jedoch als Modesünde gelten, muss ich mit einer großen, schwarzen Reisetasche vorlieb nehmen. Unten in der Küche packe ich meine hastig gerichteten Schulbücher, meine Kugelschreibersammlung sowie einen großen Sammelordner hinein, packe die Croissants oben drauf und verschließe die Tasche gewaltsam.
Ein Glück ist das Wetter gut genug, um ohne Jacke das Haus zu verlassen. Ich greife mir meine Kopfhörer von der Küchenablage und verlassen das Haus- Verzeihung, die Villa.
Da selbst die neuen Regeln der FF-Welt nichts daran ändern, dass ich mich nicht traue, ohne einen Führerschein Auto zu fahren, bleibt der weiße Lamborghini in der Garage stehen (welche übrigens gefühlt so groß wie ein Einfamilienhaus ist).

Damned ClichéWo Geschichten leben. Entdecke jetzt