Wir sehen Tschajen erst kurz vor Bio wieder. Ich dachte ja, Schantalle hätte ihr vergeben, doch es stellte sich heraus, dass bei Schantalle "vergessen" noch lange nicht "vergeben" bedeutet. "Vergessen" bedeutet bei ihr nämlich lediglich, dass sie gerade schlichtweg besseres zu tun hat, sich jedoch spätestens beim Anblick Tschajens wieder an alles erinnern kann. Tschajen stellt sich extra nicht neben Schantalle und mich, was keine von uns beiden so wirklich bedauert. Der Schüler, zu welchem sich Tschajen stattdessen gesellt hat, erweckt jedoch meine Aufmerksamkeit. Er kommt mir irgendwie bekannt vor, obwohl ich mir sicher bin, dass ich ihn noch nie so... jung gesehen habe. Wie auch immer. Der Biolehrer kommt und schließt uns die Tür auf. Auch wenn niemand so richtig Bock auf Unterricht hat, quetschen sich trotzdem alle durch die schmale Tür, immer darauf bedacht, der oder die Erste im Klassenzimmer zu sein, um sich den besten Platz aussuchen zu können- ganz hinten. Letzten Endes gewinnt Schantalle den Kampf, indem sie sich ihren HighHeel aschenputtelmäßig vom linken Fuß zieht und mit dem spitzen Absatz alles andere als aschenputtelmäßig auf ihre Kontrahenten einsticht. Kaum sitzen wir alle auf unseren Jogginghosen-, Minirock- bzw. Hotpants-Hintern, stellt der Biolehrer Herr Kleinfeld auch schon den neuen Schüler vor. "Wir haben einen neuen Schüler", fängt er an und deutet überflüssigerweise auf den Jungen links neben ihm. "Sein Name ist Shawn Mendes und...", Herr Kleinfeld gerät ins Stocken, rettet sich jedoch mit einem knappen "und den Rest kann er euch ja selbst erzählen" aus der Situation. "Ja... Ähm." Shawn weiß auch nicht so genau, was er noch zu seiner Person sagen sollte. "Mein Name ist Shawn Mendes..."
Nee, echt?!
Wat 'ne Info. Hätt ich ja getz ma nich gedacht getut, näh!
"... und ich bin 16 Jahre alt und singe gerne und komme aus Kanada und... Ich mag die Farbe Blau."
Etwas kritzelt geräuschvoll neben mir und als ich den Kopf drehe, um zu sehen, wer dieses Geräusch verursacht, sehe ich Tschajen, die sich schon wieder etwas mit etwas Neuem auf ihrem Tisch verewigt. Wenn ich mich noch ein Stück weiter hinüberlehne, kann ich vielleicht sogar erkennen, was sie da schreibt... "50... Schäids... of... Blau", lese ich und verspüre augenblicklich den Drang, meinen Kopf so lange gegen die Tischkante zu schlagen, bis die ungewollt aufkommenden Bilder wieder vor meinem geistigen Auge (und überhaupt aus meinem Kopf) verschwinden. "Wie auch immer... Setz dich da hin", meint Herr Kleinfeld und weist auf den freien Platz neben Tschajen, welchen diese schon vorausschauend mit den Worten "Da tut schon maine Tasche sitzen!" blockiert hatte, als sich jemand anderes als Shawn dort hinsetzen wollte. Shawn setzt sich und augenblicklich strahlt Tschajen ihr neues Opfer mit einer Intensivität an, auf welche Heidi Klum mit ihrem überbelichteten "Germany's next Topmodel"- Gesicht neidisch gewesen wäre. "Ich bin die Tschajen", flüstert sie ihm unüberhörbar zu und quetscht mithilfe ihrer Arme ihre Oberweite unauffällig ein bisschen mehr zusammen, sodass Shawn AUF GAR KEINEN FALL die weiblichen Reize der lieblichen von und zu Tschajen übersehen kann. Natürlich bemerkt nicht nur der Kanadier, sondern auch Schantalle Tschajens verzweifelte Versuche. "Ey nach Bio is di Bitsch dran isch schwöre!", faucht Schantalle prompt und schnippst provozierend ein Papierkügelchen von ihrem Tisch. Fünf Anläufe später landet das fünfte Kügelchen dann auch endlich an seinem Bestimmungsort- in Tschajens Ausschnitt. "Ach fack", murmelt diese und Schantalle dreht sich feixend zur Tafel, ganz darauf bedacht, die Unschuldige zu spielen. Während Tschajen in ihrem Ausschnitt nach dem mysteriösen Kügelchen forscht, redet Herr Kleinfeld seelenruhig weiter über ringförmige Ziliarmuskel und Linsen mit Eigenelastizität. "Um die ganze Akkommodation noch einmal zusammenzufassen... Was passiert im Auge, wenn man in die Nähe sieht? Audrey?" Ich bin erstaunt, dass er sich überhaupt noch die Mühe macht, die hintersten Tischreihen zu unterrichten. "Der Ziliarmuskel ist angespannt, während die Zonularfasern locker sind. Aufgrund ihrer Eigenelastizität bricht die Linse das Licht anders und man kann in die Nähe sehen", antworte ich, hoffend, dass ich alles richtig verstanden habe. Biologie ist so ziemlich das einzige Fach, welches mich interessiert und nicht von einem Arschloch bzw. Laie unterrichtet wird. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass unsere alte Deutschlehrerin wegen Plagiats hinter Gitter kam, da sie den Großteil ihrer Doktorarbeit abgeschrieben hatte und so dumm war, im Lehrerzimmer herumzuerzählen, wie leichtgläubig Prüfer, Kultusministerium oder generell Menschen doch seien. Manchen Leuten ist echt nicht mehr zu helfen...
"Gut."

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Damned Cliché
Fiksi Penggemar~Wie kann man in einer Welt überleben, wenn jede Faser deines Körpers danach schreit, dass diese Welt nicht deine ist?~ Eigentlich- eigentlich passe ich nicht in eine Story voller Klischees. Trotzdem bin ich hier gelandet, in einer schlechten Fanfic...