Hohe Ansprüche.

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27. Februar 2011:

- 12:46 Uhr.

Meine Mutter stopfte mich in ein neuen Anzug und strich die Falten weg. "Er kommt gleich", sprach Mutter voller Panik. Sie stellte die fast toten Orchideen auf den Küchentisch, neben den neuen Tulpen die in drei verschiedenen Farben erleuchteten.

Wir strichen vorgestern die Wände der Küche und die vom Wohnzimmer - viel fehlt nicht mehr. Jedoch waren die Möbel dreckig. Und die Böden kahl.

- 13:02 Uhr.

Die Tür klingelte - und das mehrere male. Meine Mutter legte schnell sie Schürze beiseite und ging zur Tür. Als sie sie öffnete stand wie erwartet mein Großvater, Mutters Vater, vor der Tür. Sein Blick war nie wirklich anders. Er trat ein und sah sich sofort um. Dabei paffte er einige Züge an seiner Pfeife, die er zuvor wie immer mit Tabak füllte. " Nicht wirklich schön, nicht wahr?", kam mit seiner tiefen Stimme aus seinem Mund. Mutter schwieg und schaute zu Boden. Er sah sich weiter um und beschimpfte meine Mutter oft - was sollte ich tun? Ich war noch jung. Ich wollte Mutter nicht leiden sehen.

- 23:12 Uhr.

Mit leisen Schritten ging ich zu Muters Tür. Der Boden quitschte dabei mehrere male. Vorsichtig öffnete ich einen kleinen Spalt und schaute zum Bett meiner Mutter. Sie bewegte sich nicht aber ich wusste, dass sie noch wach war. Ich schwieg eine Zeit, bevor ich ein Wort sagte. "Bitte weine nicht wegen Großvater", flüsterte ich schon fast. Mutter bewegte sich weiter nicht, sie war so still. " Gute Nacht, ich hab dich lieb", sagte ich schließlich und schloss die Tür.

2. März 2011:

- 12:31 Uhr.

Ich saß neben Josha in der Schulkantine und aß. Dabei tobten alle wild durch den Raum. Josha sah sich stumm um und hing bei einem Jungen fest, der einen Hut trug, der fast schon dem von Großvater ähnelte. "Er ist Jude", sagte Josha leise und sah mich an, "ist dein Großvater nicht Nazi?" Ich nickte langsam während ich ihn ebenfalls anschaute. "Er sagte, er habe schlechte Erfahrungen mit ihnen." Josha stützte sein Kopf ab und sagte leise "ich wäre gerne mit ihm befreundet, er ist sicher ein netter Kerl."
Ich musste ihm schon zustimmen, wie ein Rebell sah er nicht aus.
Zuvor sah ich ihn nur paar male auf dem Hof auf einer Bank lesen.

3. März 2011:

- 7:01 Uhr.

"Ich hab mich erkundigt, der Jude geht in die 7a", erzählte ich ihm stolz. Josha lächelte mich an und träumte vor sich hin - etwa von dem Jungen? " Weißt du, wie er heißt?", fragte er mich, worauf ich nur den Kopf schüttelte. Diesmal ging auch Josha über die Steine auf dem Gras, statt auf dem langweiligen Steinweg. "Es freut mich, dass er in unsere Parallelklasse geht!"

- 9:34 Uhr.

Wir hatten gerade Latein. Ich hörte dem Lehrer nicht zu, eher schaute ich zu Josha und dachte nach. Hatte er interesse an dem unbekannten Juden? Unmöglich ist das nicht. Der Lehrer schrieb was an die Tafel - neue Vokabeln zum lernen. Er kündete ebenfalls noch einen neuen Test an, den wir in 2 Wochen schreiben. Viele stöhnten auf und schrieben sich das in ihr Heft, um es nicht zu vergessen.

- 13:55 Uhr.

Ich ging, wie gewohnt, mit Josha nach Hause. Ich hatte meine Hände an meinen Rucksackgriffen und hielt diese sehr fest. Ich hebte mein Kopf promb und fragte Josha ernst "bist du Homosexuell?" Er blieb stehen. Er blieb stehen und sah mich an. Ich war nervös - war es falsch zu fragen? Das kleine Schweigen wurde durch ein "ja" unterbrochen.

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